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Coronavirus Im direkten Kontakt mit der Risikogruppe

Mitarbeiter des Dingelstedter Pflegedienstes Preiß über ihren Arbeitsalltag unter ganz besonderen Bedingungen in der Corona-Krise:

Von Ramona Adelsberger 03.04.2020, 09:38

Dingelstedt l „Wir sind alle motiviert und halten zusammen“, erklärt Marion Weise, Pflegedienstleiterin des Sozial- und Pflegedienstes Regina Preiß aus Dingelstedt. Diese besondere Zeit stelle auch das Pflegepersonal täglich vor besondere Herausforderungen.

Denn das generell bestehende Kontaktverbot zur Einschränkung von Corona, das einen grundsätzlichen Abstand von mindestens 1,50 Meter zum nächsten Menschen vorschreibt, können Pflegerinnen und Pfleger nicht einhalten. „Pflege mit Sicherheitsabstand gibt es nicht“, erklärt Mitarbeiterin Ines Holzmann.

Daher schützen sich die Pflegerinnen und Pfleger bei ihrer täglichen Arbeit mit Mundschutz und Handschuhen. „Noch haben wir einen kleinen Vorrat an Mundschutz da“, sagt die Pflegedienstleiterin Marion Weise. Die Beschaffung solcher Dinge gehöre zu ihren Aufgaben und sei zur zeit nicht einfach. „Etwa vier Stunden am Stück können wir einen solchen Mundschutz tragen, dann muss er gewechselt werden.“ Sie habe, gemeinsam mit ihrem Team, schon darüber nachgedacht, solchen Mundschutz selbst zu nähen. Theoretisch sei das möglich, weil dieser Schutz lediglich aus mehreren Lagen Mull und Zellstoff bestehe.

Das Dingelstedter Team kümmert sich insgesamt um 74 Kunden, die meisten wohnen im Einzugsgebiet von Dingel-stedt, einige auch außerhalb, bis Halberstadt. Sofort, nachdem die Corona-Einschränkungen durch die Regierung erlassen worden sind, hat sich Chefin Regina Preiß mit einem Schreiben an die Kunden gewandt, die Lage erklärt und um Verständnis für einige Veränderungen und Umstellungen gebeten. Sie hat betont, dass das Hauptaugenmerk jedoch auf der Sicherstellung der Pflege jedes einzelnen Kunden liege. Mit dem Schreiben haben die Kunden gleich eine Übersicht über wichtige Hygienetipps zum Schutz vor Infektionskrankheiten erhalten, so zum Beispiel, auf das Händeschütteln zu verzichten, zum richtigen Händewaschen oder dem hygienischen Behandeln von Lebensmitteln.

„Unsere Kunden sind fast alle lange schon im Rentenalter, einige sind auch dement“, antwortet Marion Weise auf die Frage, ob das von allen auch verstanden wurde und nun befolgt werde. Daher müssen die Pflegerinnen und Pfleger viele Dinge immer wieder erklären. Im Grund habe die Umsetzung der nötigen Veränderung gut funktioniert und sei auch bei den Kunden auf Verständnis gestoßen. Das Schlimmste jedoch sei der Wegfall der Nähe und des persönlichen Kontaktes. „Wir haben ein sehr vertrautes Verhältnis zu unseren Kunden und nun plötzlich einen Mundschutz auf und Handschuhe an, das verstehen viele nicht“, bedauert die Pflegedienstleiterin und hofft, dass dieser Zustand nicht mehr zu lange anhält.

Fassungslos und wütend macht sie daher, dass einige der Angehörigen sich immer noch nicht an die Regeln halten und trotz aller Warnungen mit den Pflegebedürftigen zum Einkaufen fahren oder sie sogar mit den Enkelkindern zusammenbringen.

„Viele haben nicht begriffen, dass sie damit ihre Lieben in Lebensgefahr bringen.“ Und: „Ich habe große Angst um unsere Alten, um die eigenen Eltern und die Familie.“ Sie persönlich würde ein solches Risiko für ihre eigenen Angehörigen niemals eingehen.

Das Schlimmste wäre für die Pflegedienstleiterin, wenn sich ein Kunde oder ein Mitarbeiter mit Corona infizieren würde. „Für diesen Ernstfall haben wir zwar schon lange vorgesorgt und Schutzanzüge und Brillen besorgt, um weitermachen zu können“, betont Marion Weise, das ganze Szenario will sie sich aber gar nicht bis zum Ende ausmalen. „Je nachdem, wen es trifft, müssten alle Kontaktpersonen sofort in Quarantäne.“ Weil zum Dingelstedter Pflegedienst auch ein Wohnbereich mit stationärer Pflege im gleichen Gebäude gehört, müssten dann sogar alle im Haus bleiben, für mindestens zwei Wochen.

Schon jetzt gebe es auch finanzielle Einbußen für den Pflegedienst, weil einige Kunden die Leistungen auf das Nötigste beschränken, und Dinge wie zum Beispiel Einkauf und Reinigung erst einmal nicht mehr anfordern.

„Wir halten zusammen“, erklärt Regina Preiß, die Geschäftsführerin und bedankt sich in dieser besonderen Zeit bei ihrem Team und bei den Kunden für das Verständnis und das umsichtige Verhalten. Dafür, dass sich die Chefin selbst zurzeit etwas rarer macht, als gewöhnlich, haben die Mitarbeiter vollstes Verständnis. Immerhin gehört auch Regina Preiß zur Risikogruppe, die besonders auf sich achten soll. „Doch in Gedanken und per Telefon ist die Chefin stets mit dabei und über alles informiert“, bestätigt Marion Weise.

Regina Preiß hatte sogar vor, eine Betreuung für Mitarbeiterkinder einzurichten. Immerhin wurden in den ersten Wochen nur Kinder notbetreut, wenn beide Elternteile in wichtigen Berufen arbeiten. Diese Regelung wurde vor einigen Tagen gelockert, so dass diese interne Betreuung nicht mehr nötig sein wird.