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Coronavirus Krisenmodus als Alltag im Klinikum

Im Ameos-Klinikum Halberstadt werden derzeit zwei Corona-Patienten behandelt. Jeden Tag trifft sich der Krisenstab.

Von Sabine Scholz 03.04.2020, 04:00

Halberstadt l Grüne und gelbe Felder ziehen sich durch die Tabelle, die in dem Beratungsraum an der Wand hängt. Drei Flipcharts bieten Platz für jede Menge Zahlen. Jeden Morgen tagt im Halberstädter Krankenhaus der feste Krisenstab, Standard in den Kliniken der Ameos-Unternehmensgruppe, wie Prof. Dr. Klaus Begall, Ärztlicher Direktor des Halberstädter Klinikums, berichtet. „Das ist stabsmäßig organisiert“, bestätigt Krankenhausdirektor Frank Kühl. Heißt im Klartext: Alle Bereiche des Klinikums werden von den beiden und von Pflegedirektorin Beatrice Weiß einer aktuellen Lagebewertung unterzogen.

„Wir schauen jeden Tag, wie ist der Krankenstand und damit die personelle Situation, wie sieht es technisch und medizintechnisch aus, wie ist der Lagerbestand, was macht der Einkauf? Dazu kommt eine Umfeldanalyse, also die Bewertung der politischen und wirtschaftliches Situation in der Region“, sagt Kühl.

Diese Routine laufe nicht nur in Halberstadt, ergänzt Frank-Ulrich Wiener, Regionalgeschäftsführer Ost bei Ameos. Alle Standorte stünden in engem Kontakt. „Als Krankenhäuser sind wir ja immer auf schwerste Lagen, also Katastrophenfälle, vorbereitet.“ Dazu gehöre, solche Szenarien regelmäßig zu proben, damit im Ernstfall Informationsketten funktionieren, Abläufe möglichst reibungslos vonstatten gehen und sofort Einsatzbereitschaft herrscht. „Neben den Krisenstäben in jedem Krankenhaus gibt es einen Regionskrisenstab und einen für das gesamte Unternehmen. Dazu noch zwei Expertenstäbe, die dem Unternehmen fachlich zuarbeiten: einen für Hygienefragen und ein medizinischer Krisenstab“, so Wiener.

Während im Normalbetrieb diese Szenarien selten thematisiert würden, sorge die klare Hierarchie derzeit für schnelle Entscheidungen. Im Halberstädter Krankenhaus sei schon zu Beginn der Infektionswelle eine Isolierstation mit 34 Betten eingerichtet worden, die ausschließlich für Corona-Patienten vorgesehen sei und als „Pufferzone“ dient, kommt es zu einem hohen Patientenzulauf.

„Wir haben zurzeit zwei Patienten in Behandlung, die an Covid-19 erkrankt sind“, berichtet Frank Kühl. Ein Patient liege auf der Isolierstation, einer müsse intensivmedizinisch betreut und beatmet werden. Das Haus verfüge über 27 Beatmungsplätze – 16 seien regulär vorhanden, elf weitere Plätze wurden zusätzlich geschaffen. Dazu kämen acht Intensivbetten auf der Neonatologie, vier dieser Betten auf der Frühchenstation sind mit Beatmungstechnik ausgerüstet.

„Wir haben zusätzlich noch Möglichkeiten geschaffen, um in anderen Räumen des Hauses Beatmungstechnik einzusetzen“, erklärt Prof. Begall. „Und wir haben auch das Personal, das diese Technik bedienen kann. So gibt es neben den Fachärzten für Anästhesie auch andere geschulte Ärzte, die bei Bedarf zu beatmende Patienten betreuen können. Dazu kommen die Fachkrankenschwestern, die von den anderen Pflegekräften unterstützt werden.“

Auch logistisch sei vorgesorgt. Alle Plätze könnten an die zentrale Sauerstoffversorgung des Krankenhauses angeschlossen werden, dazu seien Schläuche, Atemkalk und was sonst noch für die Beatmung von Patienten gebraucht wird, vorrätig.

Vorrätig sei auch ausreichend Schutzbekleidung für das Personal, betont Regionalgeschäftsführer Wiener. „Nach heutigem Stand haben wir für alle unsere Standorte entsprechende Ausrüstung für vier Wochen vorrätig. Montag kommt eine weitere Bestellung im Zentrallager an, von wo aus die Einrichtungen dann versorgt werden. Und auch die nächste Bestellung ist schon ausgelöst.“

Dabei werde Wert darauf gelegt, dass nach den standardisierten Richtlinien unterschiedliche Schutzbekleidung für unterschiedliche Aufgabenfelder zum Einsatz kommt, sagt Frank-Ulrich Wiener. „Wir halten uns strikt an die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts. Unsere Labormediziner und Infektiologen stehen in ständiger Verbindung mit Fachleuten wie Dr. Christian Drosten von der Charité in Berlin und stimmen sich regelmäßig ab.“ Drosten gilt bundesweit als einer der führenden Virologen.

Sowohl Mitarbeiter als auch Patienten seien angehalten, sich an diese Regularien zu halten, weshalb im Haus nicht jeder sein eigenes Schutzausrüstungsmanagement betreiben darf, sagt Wiener. „Wir in den Krankenhäusern sind die diejenigen, die 365 Tage im Jahr 24 Stunden lang mit Infektionsschutz zu tun haben, tagtäglich damit umgehen. Das ist unser Geschäft. Wir sind darauf vorbereitet und achten darauf, Patienten und Mitarbeiter zu schützen.“ Das werde auch streng überwacht, fügt Klaus Begall hinzu, dafür sorgten die Hygienefachkräfte und Krankenhaushy­gieniker.

Aus diesen Gründen sei „das Krankenhaus derzeit einer der sichersten Orte der Welt“, sagt Krankenhausdirektor Kühl und auch Regionalgeschäftsführer Wiener betont, dass es in dieser Phase der Infektionswelle keinen sichereren Ort als ein Krankenhaus gebe. „Die Leute hier kennen sich, wie gesagt, im Umgang mit Infektionskrankheiten aus.“

Einige Mitarbeiter sind derzeit von der Halberstädter Klinikleitung ins Frei geschickt worden, um ihnen Zeit zur Erholung zu geben. „Sollte es zu einem extremen Anstieg an Corona-Patienten kommen, brauchen wir ausgeruhtes und gestärktes Personal“, erklärt Klinikdirektor Kühl. Deshalb seien einige Stationen geschlossen, was zurzeit kaum den Alltagsbetrieb beeinträchtige, sagen doch viele Patienten von sich aus geplante Eingriffe ab.

Eine Entwicklung, die Prof. Begall Sorge bereitet. „Sicherlich gibt es Eingriffe, die wirklich Zeit haben und bei denen es egal ist, ob man jetzt oder in einem halben Jahr operiert. Aber viele Patienten haben aus gutem Grund in ihrem derzeitigen Stadium der Erkrankung einen OP-Termin, die Fachärzte ordnen solch einen Eingriff ja nicht aus Jux an“, so der HNO-Fachmann. So gebe es Entzündungen beispielsweise am Ohr, die auch rasch anderes Gewebe, gar Hirn­areale angreifen könnten.

Besonders besorgt ist Begall, dass viele Krebspatienten aus Angst vor einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus ihre Behandlungstermine absagten. „Die Biologie lässt sich nicht austricksen. Irgendwann sind die Eingriffe dann zu spät. Wir sind froh, aufgrund moderner Verfahren Tumore rechtzeitig und meist organerhaltend operieren zu können. Warten Patienten zu lange, ist das oft nicht mehr möglich. Mit fatalen Folgen für ihre Gesundheit.“ Deshalb richtet Begall an alle Patienten die dringende Bitte, unbedingt Rücksprache mit den Fachärzten zu halten, bevor sie eine Terminverschiebung veranlassen. Wiener fügt hinzu, dass Patienten, die einen geplanten Eingriff vor sich haben, meist nicht mehr als einen oder zwei Tage im Krankenhaus seien.

Das Verschieben geplanter Eingriffe könnte zudem dafür sorgen, dass in zwei, drei Wochen deutlich mehr Notfallpatienten ins Haus gebracht werden. „Und dann haben wir vielleicht gerade den Höhepunkte der Corona-Krise und brauchen unser Personal eigentlich an anderer Stelle“, ergänzt Frank Kühl.

Doch bei aller Krisenstimmung und Sorge – es gibt auch Anlass zur Freude. So berichtet Kühl, dass die Menschen in der Region sich gerade jetzt von einer sehr offenen und zugewandten Seite zeigten. So seien die Mitarbeiter im Testzentrum in der vergangenen Woche mit Kuchen überrascht worden, als Dankeschön für ihren zusätzlichen Einsatz. Und ein ortsansässiges Pizza-Unternehmen habe am Sonntag dem gesamten Team in der Notaufnahme Pizza spendiert. „Solche Gesten freuen alle hier im Haus“, sagt Frank Kühl.

Auch in Sachen Schutzausrüstung gibt es zusätzliche Angebote. Ein Halberstädter Sanitätshaus produziert Gesichtsschilde, gebogene Plexiglasvisiere, die einen engeren Kontakt zu Patienten ermöglichen, und stellt diese bei Bedarf der Klinik zur Verfügung. „Das alles bestätigt uns in der Hoffnung, die Krise gemeinsam gut zu bewältigen. Wir jedenfalls sind vorbereitet“, so Kühl.