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Zeitzeuge Günther Rehbein aus Gera zu Gast im Weferlinger Gymnasium Die Hölle im sibirischen Gulag überlebt

Von Carina Bosse 13.10.2011, 06:21

Günther Rehbein hat drei Jahre lang die Hölle eines sibirischen Arbeitslagers überlebt. Unschuldig kam er dorthin. Sein Wissen über den Unrechtsstaat DDR gibt er nun an junge Leute weiter.

Weferlingen l Wie er in die Fänge der Willkür geraten ist, war Günther Rehbein Anfang der 1950er Jahre nicht klar. Er wurde 1952 als noch nicht einmal 20-Jähriger von der Staatssicherheit (Stasi) verschleppt und durchlebte lange Qualen im Gefängnis, wo er dem russischen Geheimdienst übergeben wurde. In einem zweifelhaften Prozess wurde Rehbein zu 20 Jahren in der sibirischen Hölle von Workuta, einem Gulag-Arbeitslager, verurteilt.

Nächtliche Verhöre, physische und psychische Folter zehrten den jungen Mann aus, ohne ihn jedoch zu brechen. Warum er die Kommandantur in seinem Heimatort Gera in die Luft sprengen wollte, wurde er damals immer wieder gefragt. "Keiner glaubte die Wahrheit", sagt der Senior. So manches Mal dachte er während dieser Zeit daran, dass sterben eine Erlösung sei. Trotz aller Qualen hatte er aber nie die Hoffnung aufgegeben, seine Familie wiedersehen zu können.

Jungen Leuten davon zu erzählen, welch ein Unrecht einstmals passiert ist, das hat sich Günter Rehbein in der letzten Hälfte seines Lebens zur Aufgabe gemacht. "Denn es ist nicht nur Unrecht, sondern es sind auch Verbrechen in der DDR geschehen", meint er vor Schülerinnen und Schülern der 11. Klassen des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums Weferlingen. Dorthin war er auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung extra aus Gera gereist. Während Günther Rehbein aus seinem Buch "Gulag und Genossen - Aufzeichnungen eines Überlebenden", in dem er das Geschehene für die Ewigkeit aufgeschrieben hat, liest, mahnt er immer wieder, dass junge Leute die Geschichte kennen müssen, um die politische Demokratie von heute verstehen und mitgestalten zu können.

Heute weiß er, dass es ein einziger Satz zu einem vermeintlichen Freund war, der ihm die Hölle auf Erden bescherte. Ein Satz darüber, dass es in Westberlin für Geld alles zu kaufen gebe, während in der DDR noch mit Lebensmittelmarken der Lebensunterhalt bestritten werden müsse.

Am 13. November 1952 wurde Günther Rehbein wegen dieser Meinungsäußerung zu 20 Jahren Gulag verurteilt. Doch trotz Qualen, Elend, Kälte, Hunger und unmenschlichen Bedingungen in Sibirien hat er überlebt. Manchmal sei er am Verzweifeln gewesen, schilderte der 78-jährige Rentner aus Gera. "Wir waren dem Tod näher als dem Leben", schildert Günther Rehbein. Die Kameradschaft in den Kohleminen, in denen nur im Liegen oder auf Knien gearbeitet werden konnte, und ein unbedingter Überlebenswille ließen ihn das Unmögliche - seine Rückkehr nach Deutschland - schaffen. Die Erinnerungen sind lebendig, haben sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingebrannt.

Drei Jahre waren für Günther Rehbein ein ganzes Leben, bis er 1955, in den bewegten Umbruch-Zeiten nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin (1953), heimkehren konnte, viele Kameraden, die Workuta nicht überlebten, aber zurücklassen musste.

"Inzwischen bin ich rehabilitiert, aber die Jahre meiner Jugend gibt mir niemand wieder", macht Günther Rehbein den Gymnasiasten deutlich.