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Energieversorger Japansäge sichert Stromversorgung

Erstaunlich leise geht es zu, wenn die Stadtwerke Halberstadt ihre Stromleitungen pflegen. Warum das so ist, zeigt ein Besuch vor Ort.

Von Sabine Scholz 17.01.2019, 00:06

Halberstadt l „Damit geht es besser als mit der Motorsäge“, sagt Ralf Plachta mit Blick zu seinem Kollegen Daniel Kaminski. Der steht im Korb der Hubbühne und kürzt die Äste einer großgewachsenen Fichte. Einer zu groß gewachsenen. Ihre Äste ragen schon über die Stromleitungen, die sich hier in diesem Stadtviertel noch von Mast zu Mast ziehen. Damit die Äste nicht irgendwann in den Leitungen hängenbleiben, müssen sie entfernt werden. „Mit der Japansäge geht das prima“ sagt Ralf Plachta, während er die abgesägten Äste und Zweige von der Straße sammelt und auf das Grundstück im Südweg legt, vor dem die Hubbühne der Stadtwerke an diesem Mittwochvormittag gerade steht.
„Eigentlich sind ja die Grundstückseigentümer in der Pflicht, dafür zu sorgen, das die Bäume auf ihren Grundstücken nicht in den Lichtraum der Leitungen hineinwachsen“, sagt Sebastian Hübner, Pressesprecher der Halberstadtwerke. „Aber weil wir ein großes Interesse daran haben, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind wir jedes Jahr unterwegs und schneiden Leitungen frei.“
Im Vorfeld erfolgt eine Begehung des Freileitungsnetzes in Halberstadt, Klein Quenstedt und Emersleben. Rund 30 Kilometer Leitungen sind es, die sich im Niedrigspannungsnetz der Stadtwerke noch ober- irdisch durch die Straßen ziehen. An rund zehn Prozent dieser Strecke sind jedes Jahr Wartungsarbeiten dieser Art notwendig, so die Erfahrungswerte des Netzmeisters Strom der Stadtwerke, Sebastian Nitschke. Mehr als 540 Kilometer lang ist das Niedrigspannungsnetz der Stadtwerke, das bereits im Erdreich verläuft. Rund 37 000 Menschen werden mit diesem Netz in ihren Haushalten mit Strom versorgt.
Nicht immer ist die Versorgung störungsfrei, was oft an Bäumen liegt, die neben den Leitungen stehen. Wenn deren Äste in den Leitungsbereich hineinwachsen, können sie bei Sturm gegen die Leitungen schlagen, Kurzschlüsse verursachen oder Kabel zerreißen. „Um das zu verhindern, sind wir in der Pflicht, unser Netz regelmäßig zu warten“, erklärt Sebastian Hübner. „Und weil Arbeiten am Leitungsnetz nur vom Netzbetreiber vorgenommen werden dürfen, schneiden wir die Bäume selbst, wenn sie denn zu groß geworden sind.“ Verweigere ein Grundstücksbesitzer diese Arbeiten des Versorgers und es komme nachweislich dadurch zu Störungen im Stromnetz, könne der Grundstückbesitzer dafür zur Kasse gebeten werden.
Nach der Begehung gleich Anfang Januar wurde eine Prioritätenliste erstellt, wo zuerst geschnitten werden muss und was später erfolgen kann. Bis Anfang März werden sich die Arbeiten hinziehen. „Wir nutzen die Zeit, in der keine Vögel in den Bäumen brüten und in der auch andere Bauarbeiten kaum bis gar nicht stattfinden“, sagt Plachta. Die Anwohner in den betreffenden Straßen sind über die Wartungsarbeiten informiert worden. „Die Grundstückseigentümer müssen nicht anwesend sein, wir kommen ja meist vom öffentlichen Straßenraum aus an die Freileitungen“, sagt Hübner.
Ralf Plachta, seit 35 Jahren im Job, berichtet, dass die meisten der Grundstücksbesitzer dankbar für diese Dienstleistung sind. „Sie müssen sich um keine Genehmigung kümmern und keine teure Fachfirma bestellen. Deshalb ist niemand böse, dass wir die Äste nicht entsorgen“, sagt Plachta. Er habe noch nie erlebt, dass es Ärger gab, weil die Anwohner den Grünschnitt entsorgen müssen.
An diesem Mittwoch kommen Plachta und Kaminski gut voran. Sie sind zwei von vier Mitarbeitern der Stadtwerke, die eine entsprechende Weiterbildung absolviert haben, um die Leitungen fachmännisch freizuschneiden. „Wir müssen schon aufpassen, meist nehmen wir die Leitungen ja nicht vom Netz“, sagt Daniel Kaminski. Nur im Pulverhausweg und in Wehrstedt wird das in einigen Straßenzügen in den nächsten Tagen der Fall sein. „Hier müssen wir eine Versorgungsunterbrechung in Kauf nehmen, um unbeschadet arbeiten zu können.“
Entsprechende Hinweise gehen den Anwohnern rechtzeitig zu, meist dauerten die Einsätze und damit die Stromsperren auch nicht länger als anderthalb Stunden. Neben den Anwohnern werden auch die Mitarbeiter der Netzleitwarte der Stadtwerke über die Stromabschaltung informiert.
Weil man die so wenig wie möglich in Anspruch nehmen will, sind die Freischneidearbeiten wetterabhängig. „Wind ist kein Problem, solange es kein starker Sturm ist, aber bei Nässe oder Schnee kann es gefährlich werden“, sagt Kaminski, der inzwischen auf der Straße steht und auf den Baum schaut, dem er eben die Krone gestutzt hat. Er will sehen, ob er mit seiner Japansäge ausreichend ausgeästet hat.