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Im Landkreis Börde bislang mehr als 700 Anträge für das Bildungspaket gestellt/Vater Ingo Hundt: "Es ist ein Tropfen, aber davon wird das Glas auch halb voll"

Von Mandy Ganske 04.06.2011, 04:33

Ein Mittagessen in Schule und Kindergarten, Nachhilfe oder eine Vereinsmitgliedschaft - das verspricht das Bildungspaket für Bedürftige. Noch bis zum 30. Juni können Bezieher von Sozialleistungen Mittel für ihre Kinder beantragen.

Landkreis Börde. "Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist eben ein Tropfen. Und davon wird das Glas auch halb voll", findet der alleinerziehende Vater Ingo Hundt. Nachdem der 52-jährige Oschersleber das erste Mal etwas vom Bildungspaket in den Nachrichten gehört hatte, ging er sofort los, um für seinen Sohn das Geld für den Sportverein zu beantragen. Sohn Julian ist zwölf Jahre alt und fährt seit drei Jahren Go-Kart bei der Rennsportgemeinschaft Oschersleben. Wenn der Junge den roten Fahreranzug trägt und in einen der 6,5-PS-starken Wagen steigt, gehört er dazu. Manch Rennen hat ihm schon einen Pokal eingebracht, und Stolz.

So wie Julian haben insgesamt 6500 Kinder und Jugendliche im Landkreis Börde Anspruch auf Zuschüsse für Vereinsbeiträge oder für die Musikschule. Darüber hinaus gibt es Geld für Schulbedarf, mehrtägige oder eintägige Klassenausflüge und Nachhilfe-Förderung. Für gefördertes Mittag- essen müssen die Eltern einen Euro pro Tag zuzahlen. Bislang liegen dem Sozialamt im Landkreis etwa 110 Anträge vor, den Jobcentern etwa 700, davon mit rund 500 die meisten fürs Mittagessen. Hinzu kommen gesondert Anträge für Schulfahrten. Letzteres hat Ingo Hundt für seinen Sohn ebenso genutzt.

Julian kann nun problemlos den Sportverein besuchen und bei den Schulausflügen mit nach Halberstadt ins "Sealand" sowie in die Filmstudios Babelsberg fahren. "Das Genehmigungsverfahren ging schnell. Ich habe nicht mal zehn Tage gewartet", freut sich sein Vater, der seinen einstigen Beruf als Elek-trosignalbetriebsobermechaniker bei der Bahn aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Das war vor knapp 13 Jahren.

Seitdem ist er arbeitslos, dreht jeden Cent zweimal um, spart Strom und muss schauen, was für Sohn Julian geht und was nicht. Fußball meint er zum Beispiel, könnte man mit dem Geld aus dem Bildungspaket nicht finanzieren. Das sei keine Frage des Mitgliedsbeitrags, auch Schuhe und Trikot ließen sich mit etwas Hilfe noch stemmen. Julian hat tatsächlich schon mal Fußball gespielt. "An den Wochenenden muss man aber zu den Spielen nach auswärts fahren", verweist Ingo Hundt auf den Teufel, der im Detail liegt. "Diese Fahrtkosten haben uns aufgefressen", blickt der Vater zurück. Geld, das für Behörden kaum greifbar und daher schwer beantragt werden könnte, meint Ingo Hundt.

Solide Kostenübersicht ist wichtig für den Antrag

Er rät anderen Eltern deshalb, ihren Anträgen auf kulturelle und soziale Teilhabe solide Nachweise beizufügen, wo alle wichtigen Kosten aufgeschlüsselt sind - am besten mit einem Stempel des Vereins oder der jeweiligen Einrichtung. Ingo Hundt: "Das bedeutet, dass man nicht allein nach dem Interesse des Kindes gehen kann. Man muss auch gucken, wie man die Nachweise erbringt." Insgesamt 120 Euro gibt es dafür pro Jahr - auch rückwirkend zum 1. Januar, wenn verauslagt wurde.

Grundsätzlich wird das Geld allerdings nicht ausgezahlt. Vielmehr wird zwischen den Vereinen, Essensanbietern oder Einrichtungen und dem Jobcenter direkt abgerechnet. Grundlage ist ein Bewilligungsbescheid, den die Eltern übergeben.

Wer für sein Kind noch in diesem Schuljahr auf Nachhilfe-Förderung hofft, wird wenig Glück haben, bedauern die Verantwortlichen im Jobcenter. Schon bezahlte und nachweislich benötigte Nachhilfe könnte rückwirkend erstattet werden. Grundsätzlich sei es für dieses Schuljahr aber zu spät, Geld für Nachhilfe zu erhalten. An den Noten ist kaum noch etwas zu ändern, weil das Schuljahr fast vorbei ist, meint etwa Ivonne Kral vom Jobcenter in Haldensleben. Die Gelder gebe es nämlich nur, wenn damit "das Klassenziel für das Schuljahr noch erreicht werden kann". Deshalb sei diese Förderung erst im neuen Schuljahr für die Eltern interessant.

Ingo Hundt braucht sich zumindest darum keine Gedanken zu machen. Hausaufgaben- und Nachhilfe erhält Julian bei der Oma. Bei ihr geht der Blondschopf jeden Donnerstag vorbei - und danach erwarten ihn die Sportfreunde zum Training bei der Rennsportgemeinschaft. Darüber ist sein Vater froh, der ohne Bildungspaket nicht wusste, wie lange er diese Kosten noch hätte stemmen können.