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Feuerwehr-Protest Brenzlige Situation entschärft

Unbegründete Notrufe aus der Flüchtlingsunterkunft dürften der Feuerwehr Halberstadt endlich erspart bleiben. Was sagen die Kameraden dazu?

Von Sandra Reulecke 21.06.2019, 10:49

Halberstadt l Das war knapp: Keine 24 Stunden, bevor die Halberstädter Feuerwehr eine Demo starten wollte, hat das Land den Grund für den Protest aus dem Weg geräumt. Ab Ende Juli sollen demnach absichtlich ausgelöste Fehlalarme in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) der Vergangenheit angehören. Zumindest müssen die Kameraden nicht mehr dazu ausrücken.

Ermöglicht wird dies dank einer zeitlichen Verzögerung bis zur Alarmierung der Feuerwehr, erläutert Chris Buchold, Sprecher der Kameraden. Im Klartext heißt das: Sobald jemand in der Flüchtlingsunterkunft via Handknopf den Notruf betätigt, erhalten davon die Zast-Wachleute Meldung. Sie bekommen eine – noch nicht festgelegte – Erkundungszeit. Stellt sich der Notruf als unbegründet heraus, können die Wachleute die Alarmierung stoppen – die Feuerwehr wird also gar nicht erst gerufen. Gibt es eine Notsituation, geht nach Ablauf der Zeit der Alarm für die Kameraden los. „Diese Lösung entspricht zu 100 Prozent unseren Wünschen und Vorstellungen.“

Aber geht so nicht wertvolle Zeit verloren, wenn es tatsächlich mal brennt? „Nein“, sagt Jörg Kelle, Abteilungseiter Feuerwehr der Stadt. „Der Wachdienst ist zu jeder Tages- und Nachtzeit vor Ort. Das sind ausgebildete Leute. Sie können schon vor dem Eintreffen der Feuerwehr beginnen, die Häuser zu evakuieren. Außerdem gibt es in den Gebäuden Feuerlöscher.“ Binnen sieben Minuten nach der Alarmierung ist dann die Berufsfeuerwehr in der Zast vor Ort.

Kelle sei froh über die Neuregelung. Sie sei eine Erleichterung – in mehr als einer Hinsicht. „Wenn es in der Zeit, in der wir beim Fehlalarm draußen sind, tatsächlich brennt, wird das zum Problem.“

Zudem habe er festgestellt, dass die ständigen – vor allem nächtlichen – Alarme nichts Abschreckendes mehr für die Zast-Bewohner haben. „Sie bleiben in ihren Zimmern, weil sie von vorne herein davon ausgehen, dass es ein Fehlalarm ist.“ Eine akute Gefahr für Leib und Leben, sollte tatsächlich ein Feuer ausbrechen.

Nicht nur die hauptberuflichen Feuerwehrleute sind gefordert, wenn in der Unterkunft eine Brandmeldeanlage losgeht. Auch die ehrenamtlichen aus Halberstadt und Langenstein müssen dann los. „Bei der Zast handelt es sich um ein Schwerpunktobjekt, weil sich dort so viele Menschen aufhalten“, erläutert Chris Buchold. Auch Seniorenheime seien Schwerpunktobjekte. „Aber dort liegt meist ein Grund vor, wenn der Alarm losgeht, und wenn es nur angebranntes Essen ist“, so Jörg Kelle. Das sieht in der Zast anders aus. Zu 33 Einsätzen sind die Kameraden in diesem Jahr schon gerufen worden, 28 davon waren mutwillig ausgelöste Fehlalarme.

Das Problem ist nicht neu, sagt Chris Buchold. Seit 2015 gebe es Schriftwechsel mit dem Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA), das für die Brandsicherheit in der Zast zuständig ist. Die Kameraden haben Vorschläge unterbreitet, wie die Anzahl der Fehlalarme reduziert werden kann –unterstützt von Stadt und der Landkreis. „Es ist bereits fünf nach zwölf“, sagt Oberbürgermeister Andreas Henke Anfang der Woche. „Unsere Feuerwehrleute werden regelrecht verheizt.“ Er könne nicht verstehen, warum bislang alle Lösungsvorschläge der Wehr mit Verweis auf die Rechtslage abgewiesen wurden – obwohl die in anderen Bundesländern durchaus Praxis sind.

Auch in Brandenburg waren unnötig getätigte Notrufe „an Standorten der Zentralen Ausländerbehörde ein Thema, besonders dort, wo es Freiwillige Feuerwehren gibt“, informiert Lothar Wiegand, stellvertretender Pressesprecher im dortigen Ministerium des Innern und für Kommunales. „Die Lösung waren Brandwachen der Sicherheitsfirmen in den Gebäuden, die bei Alarm sofort nachschauen, ob es wirklich brennt und bei Fehlalarm diesen abstellen können.“ Das habe Problem das im Wesentlichen gelöst.

In der Unterkunft in Suhl wird ähnlich verfahren, nachdem es dort anfangs ebenfalls gehäuft zu „Missbräuchen der Brandmeldeanlage“ gekommen ist, wie Oliver Löhr, Sprecher des Thüringer Innenministeriums auf Anfrage mitteilt. Darüber hinaus werde primär die Berufsfeuerwehr Suhl gerufen. „Eine Nachalarmierung der freiwilligen Feuerwehren erfolgt danach nur im Bedarfsfall.“ Die Feuerwehr Suhl stehe den Halberstädter Kameraden gern zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung.

Wie in Suhl muss auch die Zast in Halberstadt für die Neuregelung erst vorbereitet werden. „Da der Wachschutz personell verstärkt und einige technische Voraussetzungen geschaffen werden müssen, geht die Neuregelung des Alarmierungssystems ab Ende Juli in Dienst“, erläutert Chris Buchold.

Das diese verzögerte Lösung nun doch für Halberstadt möglich wird, ist das Ergebnis einer kurzfristig anberaumten Beratung von Innenminister Holger Stahlknecht und Finanzminister André Schröder (beide CDU) – der gestern aus einem anderen Grund zurückgetreten ist – am Mittwochnachmittag.

Einen Tag, am Dienstag, zuvor hatte die Feuerwehr Halberstadt eine Demonstration gegen das Nichthandeln des BLSA angekündigt. Diese sollte am gestrigen Donnerstag stattfinden, wurde jedoch abgesagt, nachdem das Land die Neuregelung der Brandsicherheit bestätigte.