Theater-Streit Fitzner führt Verband
Quedlinburg
Nicht alle konnten rein. Dabei hatte Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU) extra einen größeren Saal gesucht, um dort die öffentliche Sitzung der Verbandsversammlung stattfinden zu lassen. Gut 50 Zuhörer saßen mit Abstand im Saal und vor den Türen des Konferenzsaals im Palais Salfeldt, mehr als 30 mussten dennoch draußen bleiben. Wenn es um das Städtebundtheater geht, sind viele Bürger aufmerksam, nicht nur die Mitarbeiter des Drei-Sparten-Hauses. Zu oft schon stand die Existenz des Theaters in den vergangenen Jahren zur Disposition.
Das sei ein Grund, warum er endlich eine andere Rechtsform will, die das Haus in ruhiges Fahrwasser bringe. Sagt nicht nur Landrat Thomas Balcerowski (CDU), sondern auch Frank Ruch (CDU). Quedlinburg habe nicht ohne Grund genau diese Umwandlung in seinem Konsolidierungsprogramm für die Stadtfinanzen verankert. Das war 2015. Und bereits 2007 wollte die Stadt schon einmal ganz raus aus dem Verband – aus Finanznot.
Finanzlage als Hauptgrund
Drohendes finanzielles Ungemach, so Landrat Balcerowski, sei spätestens für 2024 aus Magdeburg zu erwarten. Das Land habe bereits angekündigt, 900 Millionen Euro einsparen zu müssen, um keine neuen Schulden zu machen. Als Kommunalpolitiker wisse er, was das heißt: Als erstes werde bei der Kultur und bei den Kommunalfinanzen gekürzt. Das sei nach der Finanzkrise im Jahr 2009 so gewesen und werde nicht anders sein nach der Corona-Krise. „Wir müssen uns im Harz so aufstellen, das man uns in Magdeburg nicht vom Tisch wischen kann“.
Er erinnerte daran, dass das Land schon einmal versucht hatte, nicht die verschiedenen Ensembles im Harz zu fördern, sondern nur eine – und zudem deutlich reduzierte – Summe zu geben, über deren Verteilung dann der Kreis entscheiden sollte. Diese Idee sei wieder verworfen worden, der aktuell geltende Vertrag mit dem Land zur Theaterförderung sieht sogar eine Dynamisierung vor – also eine moderate Steigerung des Zuschusses. Doch angesichts wegbrechender Steuereinnahmen werden die Verhandlungen im Jahr 2023 sicher wieder schwer.
Am Ende der gestrigen Sitzung des Theaterzweckverbandes nahm Balcerowski Bezug auf einen Bericht des kreislichen Rechnungsprüfungsamtes, das Ungenauigkeiten und Fehler in der Buchführung des Theaters festgestellt habe. Eine Stellungnahme des Hauses stehe noch aus – ebenso die Entlastung für 2018, 2019 und 2020. Diese Beanstandungen seien ebenfalls ein Zeichen dafür, dass man sich besser aufstellen müsse, sagte Balcerowski. Sicher auch mit Blick auf die Kreisfinanzen. Immerhin trägt der Kreis nicht nur 55,5 Prozent der Anteile am Zweckverband, sondern nach dem Land den größten Zuschuss. Von der Stadt Halberstadt kommen analog zu deren Anteil von 31,4 Prozent die Zuschüsse zum Theater-Etat, von Quedlinburg 13,1 Prozent.
Wernigeröder als Geschäftsführer
Der Landrat betonte mehrfach, dass er das Theater nicht abschaffen wolle. Im Gegenteil. Man baue im Landkreis Spielstätten auf und um, die müssten bespielt werden. Das gelänge nur, wenn man gut aufgestellt sei „und endlich die Mauern einreißt, die im Harz immer noch bestehen“. Womit er auf alte Befindlichkeiten zwischen dem Theater und dem Wernigeröder Kammerorchester abzielte.
Die Orchester allerdings, das zeigt die Praxis der vergangenen Jahre, kooperieren eng, von Abneigung ist wenig zu spüren. Nur eine Fusion beider Klangkörper wird von beiden Seiten unisono abgelehnt. Ob eine Kultur-GmbH da einen anderen Zugang ermöglicht? Das wurde am Donnerstag nicht diskutiert, wohl aber ein Signal an Wernigerode gesandt. Denn Balcerowski schlug Christian Fitzner als ehrenamtlichen Geschäftsführer des Theaterzweckverbandes vor.
Er habe Fitzner im Vorfeld gefragt, der sei auch bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Vakant ist die Stelle offiziell seit 1. März, mit der Rücktrittserklärung von Andreas Henke (Die Linke). Der langjährige Halberstädter Oberbürgermeister hatte nach eigenen Angaben zwar angeboten, die Funktion weiter ausüben zu können, aber das sei laut Henke nicht gewünscht gewesen.
Absprache unter Dreien
Yvonne von Löbbecke (FDP), die gemeinsam mit Jutta Dick (SPD) und Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) Halberstadt im Zweckverband vertritt, fragte, ob das zulässig sei. In einem Gespräch mit dem scheidenden Landrat Martin Skiebe (CDU) habe dieser gesagt, die Geschäftsführung müsse von einem der drei Hauptverwaltungsbeamten im Zweckverband ausgefüllt werden. Womit die jeweiligen Oberbürgermeister von Halberstadt und Quedlinburg sowie der jeweilige Landrat zum Zuge kommen müssten. „Sollten“, sagte Balcerowski, in der Satzung stehe das Wort soll, nicht muss.
Frank Ruch hatte bereits im Vorfeld abgelehnt. Das Amt des Oberbürgermeisters lasse nicht genug Raum und Zeit, um die Aufgabe als ehrenamtlicher Geschäftsführer voll und ganz auszufüllen. Das spiegelten ja auch die aktuellen wirtschaftlichen Ergebnisse wider. Auch Daniel Szarata lehnte ab.
Der Vorschlag, den bereits als Geschäftsführer des als GmbH organisierten Kammerorchesters agierenden Christian Fitzner die Zweckverbandsgeschäfte anzutragen, sei „nicht aus der Hüfte geschossen“, so Ruch. „Wir haben uns darüber ausgetauscht und geeinigt, dass das die richtige Wahl sei“, sagte Ruch und meinte mit „wir“ sich, Balcerowski und Szarata.
Mehrheits-Entscheidung
Dass sich Christian Fitzner gestern Mittag nicht persönlich im Gremium vorstellte, stieß nicht nur Helga Poost, Abgeordnete der Linken im Quedlinburger Stadtrat, sauer auf. Auch Yvonne von Löbbecke und Jutta Dick kritisierten das. Worauf der Landrat erklärte, er habe Fitzner freigestellt zu kommen. Der müsse die ebenfalls am Donnerstag ab 15 Uhr tagende Beiratssitzung der Orchester-GmbH vorbereiten.
Ruch betonte, dass es nicht darum gehe, einen Geschäftsführer einer Theater-GmbH zu wählen, sondern einen ehrenamtlich Tätigen für den Zweckverband Nordharzer Städtebundtheater. Was am Ende auch geschah. Halberstadt enthielt sich, weil zwei der drei Vertreter nicht zustimmen wollten, Quedlinburg stimmte zu, hier war nur Helga Poost anderer Meinung, Angelika Krause und Frank Ruch stimmten zu. Für den Kreis votierten Balcerowski und Ronald Bischoff (AfD) dafür, Carsten Nell (Die Linke) dagegen.
Viele Fragen sind bislang noch offen
Mit dem 2:1 bei dieser Abstimmung war auch das Ergebnis in Sachen Umwandlung des Zweckverbands in eine GmbH vorweggenommen. Yvonne von Löbbecke hielt eine engagierte Rede, nachdem Halber-stadts Vorschlag abgelehnt worden war, doch erstmal nur einen Prüfauftrag zu beschließen, welche Rechtsform geeigneter sei. Um einen Schritt nach dem anderen zu tun.
Was Balcerowski und Ruch mit Verweis darauf, dass man seit 2007 das Thema immer mal wieder beackert habe, ablehnten. Wobei viele Fragen bleiben. Einmal hieß es, das jüngste Gutachten betrachte nur die Frage, was ein Übergang in eine GmbH für das Personal bedeute („Es ändert sich nichts“, so Szarata), ein anderes Mal hieß es, alle Für und Wider lägen vor.
Eigentlich, so von Löbbecke, müsse vor so einer Entscheidung geklärt sein, welchen Einfluss die Träger dann noch auf das Theater haben, welche finanziellen Verpflichtungen sie eingehen wollen. Wirkt sich das auf die Qualität der Kulturangebote oder höhere Eintrittspreise aus? Man müsse auf Augenhöhe miteinander reden und die gewählten Vertreter in der Verbandsversammlung nicht einfach als Stimmvieh betrachten. Sie sei gegen einen Status quo, wenn er der Theaterzukunft schade. Aber das müsse evaluiert werden. Jutta Dick nannte es: konservativ sein. „Vor einer Entscheidung wollen wir den Ist-Zustand sehen und keine Entscheidung ins Blaue hinein treffen, bevor man weiß, wo die Probleme wirklich liegen“, sagte sie mit Blick auf die Beanstandungen seitens des Rechnungsprüfungsamtes.
Dass zur nächsten Sitzung die Amtsleiterin persönlich berichten kann, dem stimmte Balcerowski zu.