Gedenken Keiner wird vergessen

Immer in der Woche vor Totensonntag gedenken die Mitglieder des Heimatvereins Schlanstedt ihrer verstorbenen Mitstreiter.

Von Ramona Adelsberger 24.11.2018, 07:00

Schlanstedt l 25 rote Rosen haben die Mitglieder des Heimatvereins Schlanstedt mitgebracht, als sie sich auf dem Friedhof von Schlanstedt getroffen haben. "Seit etwa fünf Jahren besuchen wir, immer in der Woche vor Totensonntag, unsere verstorbenen Mitglieder", sagt Gisela Bawey. Damit keiner der ehemaligen Mitstreiter vergessen wird, hat sie eine Liste aller Namen dabei.
"Ich bin sehr stolz, dass sich in unserem Schlanstedt immer wieder Menschen finden, die sich selbstlos die Zeit nehmen und derer gedenken, die nicht mehr unter uns sind", sagt Ortsbürgermeisterin Waltraud Beck (CDU). Besonders anrührend sei, dass an jedem der Gräber nicht nur stumm gedacht, sondern passende Worte gefunden und Erinnerungen wach werden. "Wir sollten diese schöne Tradition unbedingt beibehalten", betont die Ortsbürgermeisterin und erntet Zustimmung. An jedem der Gräber ergreift ein anderer das Wort, der ein besonders Verhältnis zu dem hier liegenden ehemaligen Mitstreiter hatte. Kleine Besonderheiten und Begebenheiten machen die Erinnerungen lebendig. So berichtet Karin Barwanitz am Grab von Brigitte Kube, die 2008 verstorben ist, über ein besonders in Erinnerung gebliebenes Faschingsfest und hat sogar einige Fotos mitgebracht, die später noch für Freude und Staunen sorgen. Liebevoll schmunzelnd erinnert sich die Abordnung des Heimatvereins auch an die Tomatensoße von Else Maier oder auch an Eigenheiten des Fleischerehepaares Elfriede und Albert Steinmetz. Am Grab von Ortrud Braune erzählt die ehemalige Vereinsvorsitzende Sieglinde Hübner ihrer 2008 verstorbenen Vorgängerin Neuigkeiten aus der Heimatstube. Und auch die verstorbenen Ehemänner von Karin Barwanitz und Ilse Schillack waren aktive Mitglieder des Heimatvereins und werden mit einer Rose bedacht.
Besonders schwer fällt dieser Gang über den Friedhof Vereinsmitglied Klaus Kühnemund. Er hat seine Frau, mit der er 49 Jahre verheiratet war, erst im Mai verloren. Angelika Kühnemund hat ihre letzte Ruhe auf der sogenannten Grünen Wiese gefunden, neben drei weiteren Heimatfreunden. Nachdem Klaus Kühnemund einige liebevolle Worte des Dankes an seine Angelika gesprochen hat, werden am Gedenkstein vier Rosen niedergelegt.
Dr. Hermann Hille war das erste Opfer an der damaligen Zonengrenze. Er wurde 1949 mit 39 Jahren erschossen, als er zur Taufe seines neugeborenen Sohnes nach Schlanstedt wollte. Hille hatte über die Mundart des nördlichen Harzvorlandes promoviert, daher wird das Grab von den Mundartsprechern des Heimatvereins in Ordnung gehalten, zu denen Ilse Schillack gehört.
Auch am Denkmal für die Opfer der Weltkriege, das 1995 errichtet wurde, wird eine Rose niedergelegt. Das Areal wird von Gisela Bawey gepflegt. Besonders im Herbst sei es schwer, dem Laub Herr zu werden. Gisela Bawey bedauert, dass es in Schlanstedt insgesamt drei Stellen gibt, die an Opfer von Krieg und Gewalt erinnern, auf dem Friedhof und an Kirche und Hauptstraße. Sie wünsche sich, auch in Schlanstedt, der Toten zum Volkstrauertag öffentlich zu gedenken. Die letzte Rose legen die Vereinsmitglieder am Zigeunerstein nieder, der an einen 1850 hier begrabenen fahrenden Zigeuner erinnert, der in Schlanstedt verstorben ist. Der Stein hat die Form eines Baumstamms, den Harfen zieren.
"Wir haben hier auf unserem Friedhof sehr viel Platz", stellt Waltraud Beck fest. Und weil der Gottesacker in Schlanstedt allen Bürgern wichtig ist, sei die Liste der Ideen und Wünsche zur schöneren Gestaltung des Friedhofes lang. So müsste zum Beispiel der Vorplatz zur Trauerhalle neu gepflastert werden, zudem hat die Trauerhalle einige Reparaturen dringend nötig.
Im Frühjahr 2019 soll der Straßenausbau am Schießwinkel beginnen, dann müssen die Linden, die den Friedhof säumen , weichen. In diesem Zuge wünschen sich die Bürger eine schnellstmögliche Ersatzpflanzung, damit es bald wieder eine grüne Begrenzung zur Straße gibt. Wünschenswert wäre auch, im Zuge dieses Straßenausbaus eine stabile Wasserversorgung für den Friedhof zu installieren.