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Sommerabenteuer Genießen wie einst der Herzog

Das Hessener Schloss war Ziel des fünften Sommerabenteuers der Volksstimme.

Von Theo Weisenburger 28.07.2016, 15:00

Hessen l Wer hat‘s erfunden? Es waren nicht die Preußen, obwohl die ihrem Friedrich II. gerne den Verdienst zugeschustert hätten. Nein, vom kleinen Osterwiecker Ortsteil Hessen aus und einige Jahre vor dem Alten Fritz trat die Kartoffel ihren Siegeszug durch deutsche Lande an. Johann Royer war es, seinerzeit Hofgärtner des braunschweigischen Herzogs Heinrich Julius und vor allem dessen Frau Elisabeth von Dänemark, der die Knolle hier heimisch machte – erst als Zier- und dann als Nutzpflanze.

Wie nützlich, aber vor allem wie lecker die Früchte dieser Pflanze sein können, das wissen die Volksstimme-Sommerabenteurer seit gestern. Denn ihre Tour führte sie nicht nur durchs ganze Hessener Schloss bis in den Turm und durch die große Gartenanlage, sondern endete dort, wo auch schon so manche Kartoffel endete – im großen Speisesaal. Schlossführer Klaus Bogoslaw, Fördervereinsvorsitzender und Ortsbürgermeister in einem, und seine drei Küchenmamselln Bärbel Däumler, Angelika Haim und Uschi Lesch ließen die Volksstimme-Leser nicht gehen, ehe sie ihnen eine Kostprobe aus Royers Rezeptbuch serviert hatten: Saure Bratkartoffeln, dazu ein Glas mit Ingwer angereichertem Wasser. Ein ungewohnter Geschmack für die meisten, aber er kam an. Bogoslaw und seine Mitstreiter vom Förderverein durften sich nicht nur über den Appetit ihrer Gäste, sondern auch über reichlich Lob freuen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Sommerabenteurer bereits eine gut 90-minütige interessante, abwechslungsreiche und dank vieler Treppenaufgänge durchaus sportliche Tour durch das Hessener Schloss hinter sich. Bogoslaw, gekleidet als Hofgärtner Johann Royer, hatte schon zu Beginn der Führung angekündigt, was seine Gäste zu erwarten haben: Einen detaillierten Abriss über die Geschichte des Schlosses und dazu einige Anekdoten, die nur erzählen kann, wer sich bestens auskennt und mit viel Liebe seiner Aufgabe widmet. Dass er das tut, auch das sagte Bogoslaw: „Es ist mein großes Hobby.“

Das als mittelalterliche Wasserburg erbaute und im 16. Jahrhundert von den Braunschweiger Herzögen im Renaissance-Stil umgebaute Schloss Hessen hat es aber auch verdient, dass man sich ihm mit bogoslawscher Hingabe widmet. In seinen besten Zeiten war es Wohnsitz des Kronprinzen Julius, sein Sohn Heinrich Julius, der spätere Halberstädter Bischof, wurde hier geboren und nutzte es, wie weitere Herzöge nach ihm, als Sommerresidenz. „Hessen lag im Interesse der Mächtigen“, berichtete Bogoslaw - vor allem, weil der Ort an einer strategisch wichtigen Stelle angesiedelt ist. Hessen liegt an einer alten Handelsstraße und gleichzeitig am Beginn des Hessendamms, der das damals sumpfige Bruch überquerte. „Das war eine Gelddruckmaschine“, sagte Bogoslaw. Und Geld benötigten die Fürsten schließlich immer.

Ihre Nachfolger übrigens auch. Fördervereinsvorsitzender Bogoslaw berichtete eindringlich von den Mühen und dem vielen Geld, das über die Jahre nötig war, um das Schloss in seinen heutigen Zustand zu versetzen. Und er sprach von den ebenfalls nur mit viel Fördermitteln und eigenem Geld zu realisierenden Plänen, die der Verein für die Zukunft noch hat. Etwa die mehr als 900 000 Euro, die es kostet, den ältesten Gebäudeteil zu sanieren und in ein kleines Veranstaltungszentrum umzuwidmen.

Noch auf seine Wiedergeburt wartet der Renaissance-Garten des Schlosses. Viele alte Bäume stehen noch, die Anlage ist in ihren Umrissen zu erkennen und wird auch genutzt, etwa zur jährlichen Gartennacht. Diese, von Johann Royer ausgebaute Anlage, macht das Hessener Schloss erst so einzigartig. Mehr als 1 800 Pflanzenarten siedelte der Hofgärtner hier an, darunter die für damalige Zeiten exotischen Avocados und Kartoffeln, möglicherweise stand hier die erste Orangerie weit und breit. Und das wirklich Außergewöhnliche an Royer: All seine Erkenntnisse und Erfahrungen über den Gartenbau schrieb er in einem Buch nieder, dazu noch auf 13 Seiten Rezepte, wie die vielen Gemüse und Früchte zubereitet werden können. Die Frauen vom Förderverein kochten die Gerichte nach, veröffentlichten sie in einem kleinen Rezeptbüchlein und freuen sich immer, wenn es den Gästen schmeckt. So, wie gestern den Volksstimme-Sommerabenteurern.