Rettung alter Obstsorte Halberstädter Jungfernapfel erobert Militärbrache
Designer-Äpfel haben viele alte Apfelsorten immer mehr vom Markt verdrängt. Die Stadt Halberstadt startete vor Jahren die Rettung des Halberstädter Jungfernapfels.

Halberstadt - Welche Stadt kann sich schon rühmen, dass eine Apfelsorte nach ihr benannt wurde? Sicher nicht viele. Halberstadt gehört jedoch zu dem erlauchten Kreis. Leider ist das und auch der Apfel in den zurückliegenden Jahrzehnten immer mehr in Vergessenheit geraten. Vor Jahren starteten die Stadt Halberstadt und der Verein Halberstädter Berge eine Aktion zur Wiederanpflanzung des Halberstädter Jungfernapfels. Was ist aus dem Experiment geworden - haben die Dürrejahre Spuren hinterlassen?
„Ich hatte Befürchtungen, bin aber erstaunt über den guten Zustand der Bäume. Sie haben sich bis auf wenige Ausnahmen gut entwickelt“, stellt Roswitha Hutfilz fest. Die Fachfrau von der Abteilung Grünanlagen der Stadtverwaltung Halberstadt und engagiertes Mitglied des Halberstädter-Berge-Vereins besucht mit der Volksstimme die vor einigen Jahren am Rande der Kreisstadt auf einer ehemaligen Militärbrache angelegte Streuobstwiese.
Teure Gießgänge haben sich gelohnt
„Schön, dass viele Bäume jetzt schmackhafte, knallrote Früchte tragen.“ Die teuren Gießgänge, um die Jungbäume in den zurückliegenden Dürrejahren durch die Trockenheit zu bringen, hätten sich gelohnt. Immerhin koste ein Gießgang etwa 300 Euro, die der Halberstädter-Berge-Verein aus Spenden finanziere.
Es sei viel Geld, aber angemessen. Man müsse auch wissen, dass der Boden auf der etwa 4500 Quadratmeter großen Streuobstwiese nicht der beste sei. „Es ist nicht nur Sand-, sondern auch Trümmerboden von der einstigen militärischen Nutzung. Die Bäume haben es nicht leicht“, erklärt Roswitha Hutfilz. Es habe immer mal wieder trockenheitsbedingte Ausfälle gegeben, die seien aber nachgepflanzt worden.
Die über 130 Jahre alte und im Harzvorland gezüchtete Apfelsorte sei von schnellwachsenden und ertragreicheren, aber nicht unbedingt besser schmeckenden Hybridsorten fast völlig vom Markt verdrängt worden, berichtet Roswitha Hutfilz von der Abteilung Stadtgrün. Die Stadt Halberstadt will zur Erhaltung der seltenen Sorte beitragen. Zum Start wurden zehn Bäume des Halberstädter Jungfernapfels gepflanzt, heute stehen auf dem Areal bereits 30. Anliegen sei, diese alte regionale Sorte wieder vermehrt anzupflanzen, um ihre Vorzüge wie Robustheit und geschmacklicheQualitäten präsentieren zu können.
Streuobstwiese mit vielen alten Obstsorten
Kommune und Stadt wollen keine riesigen Mengen des Halberstädter Jungfernapfels produzieren. „Wir wollen diese alte Sorte retten und sagen ‚Leute, das ist ein leckerer Apfel, esst den mal.‘“ Jeder Spaziergänger könne sich daher an den Bäumen frei bedienen. „Allerdings sollte das vorsichtig geschehen, damit keine Zweige abgebrochen werden“, bittet Roswitha Hutfilz. Der Plan, dass die Stadt und der Verein die Äpfel selbst ernten, um sie zu einem edlen Brand zu verarbeiten, bestehe nach wie vor. Dafür müsse man aber einige Zentner der Früchte ernten können. Dafür seien die Bäume noch zu jung. Realistisch sei das erst in einigen Jahren möglich.
Auf der Streuobstwiese im landschaftlich schönen Süden der Kreisstadt zwischen den Klusbergen und der ehemaligen Militärbrache - wo sich einst ein Regiment der DDR-Grenztruppen und eine russische Panzergarnison befanden - wurde vor etwa fünf Jahren die Vermehrungsaktion Halberstädter Jungfernapfel gestartet. Heute stehen dort insgesamt 84 Obstbäume alter Sorten, darunter Birne, Kirsche, andere alte Apfelsorten und Mirabellen, informiert Roswitha Hutfilz. Vor zehn Jahren sind 40 damals etwa acht Jahre alte Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Pflaumenbäume als Ausgleichspflanzung für im Stadtgebiet gefällte Bäume auf dem Areal angepflanzt worden - praktisch der Auftakt für das Projekt Streuobstwiese.
Zum Start hatten damals zehn Apfelbäume die Ehre, eine „Ehe“ mit dem Halberstädter Jungfernapfel einzugehen und damit zum Sortenerhalt beizutragen.
Zum Start der Vermehrungsaktion mussten sich die Initiatoren mit einem Problem auseinandersetzen. Vom Halberstädter Jungfernapfel standen damals nämlich auf Grund seiner Seltenheit auf dem Markt nur wenige hochstämmige Bäume zur Verfügung. Thomas Schlegel von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt in Ditfurt hatte für die Vermehrungsaktion sogenannte Edelreiser von Mutterbäumen zur Verfügung gestellt. Die Stadt bekam die Edelreiser des Jungfernapfels damals zum Nulltarif. So konnte die Aktion zum Sortenerhalt in Halberstadt starten.
Erfolgreiche Vermehrung der Apfelsorte
Das Prozedere zur Vermehrung ist eigentlich einfach, und dennoch muss der Laie aufpassen, damit man den Vorgang versteht. Die auserkorenen Altbäume sind aus einer Verbindung von zwei Apfelsorten hervorgegangen. Die Unterlage ist ein tiefwurzelnder sogenannter Bittenfelder Sämling, der am Stammansatz bereits mit einer anderen Apfelsorte veredelt wurde. Dieser Baum wurde im Kronenbereich vorsichtig zurückgeschnitten und für die Hochzeit vorbereitet.
Mit einem scharfen Messer spitzte man den Mittel- und drei Seitentriebe an. Ebenso die kostbaren Edelreiser des Jungfernapfels und verband die offenen Stellen fest miteinander. Wachsen sie an dieser Stelle erfolgreich zusammen, gibt es einen neuen Halberstädter Jungfernapfel. Bei günstigen Bedingungen und guter Pflege werden die Bäume 60 bis 80 Jahre alt.