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Kreisbauernverband Harzer Landwirte sehen Gesprächsbedarf

Es sind viele Fragen, die Landwirte im Harz umtreiben. Die spürbaren klimatischen Veränderungen sind dabei nur eine Herausforderung, vor der sich die Bauern sehen.

Von Sabine Scholz Aktualisiert: 31.05.2021, 19:50
Leuchtende Rapsfelder gibt es aktuell zahlreich im Landkreis Harz.
Leuchtende Rapsfelder gibt es aktuell zahlreich im Landkreis Harz. Foto: Ulrich Schrader

Halberstadt - 406 Mitglieder zählt der Kreisbauernverband Nordharz. Neben Einzelpersonen sind es auch die bäuerlichen Betriebe, die im Verband eine Möglichkeit sehen, auf ihre Belange aufmerksam zu machen.

Während des jüngsten Verbandstages ging es deshalb um die Frage, wie Landespolitik die Landwirtschaft sieht. Dazu hatte der Verband sich Gäste ins Podium eingeladen, die alle in den Landtag gewählt werden wollen. Außerdem gab es für die Parteien „Wahlprüfsteine“, die Antworten wurden den Mitgliedern schriftlich zugänglich gemacht, wie Diana Borchert berichtet.

Die Geschäftsführerin des Kreisbauernverbandes gab vor der Politik-Runde einen Überblick über das vergangene Geschäftsjahr, das unter anderem einen leicht sinkenden Mitgliederbestand ausweist sowie eine bunte Mischung an Rechtsformen der landwirtschaftlichen Betriebe. Da gibt es landwirtschaftliche und gärtnerische Betriebe mit und ohne Tierhaltung, die als Familienbetrieb im Haupt- oder Nebenerwerb wirtschaften, Personengesellschaften sowie eingetragene Genossenschaften und Kapitalgesellschaften.

Boden muss bezahlbar bleiben

Die im Nordharzer Bauernverband organisierten Unternehmen bewirtschaften rund 59 Prozent der Nutzflächen im Harzkreis, rund 62.000 Hektar. Laut Statistischem Landesamt gibt es im Harz 103.000 Hektar als Grünland oder Acker genutzte Fläche. Zumindest war das der Stand 2016.

Der Boden ist das wichtigste Produktionsmittel für die Bauern, entsprechend aufmerksam verfolgten die Teilnehmer des als Videokonferenz organisierten Verbandstages sehr genau, was die Vertreter von AfD, CDU, FDP, Freien Wählern, Grünen, Linken und SPD zum Agrarstrukturgesetz zu sagen hatten. Das ist unter Landwirten ähnlich umstritten wie unter den Politikern, wobei eines deutlich wurde: Das Ziel, den Ausverkauf von Grund und Boden an riesige Investmentfonds zu verhindern, verfolgen Befürworter wie Kritiker dieses bereits zum zweiten Mal im Land gescheiterten Gesetzes gleichermaßen.

Der Grundstücksverkehr lasse sich auch per Verordnung regeln, sagten die einen, eine grundlegendes Gesetz sei gut, um künftige Entwicklungsziele in der Landwirtschaft festzulegen, andere.

Wichtig ist den Landwirten, dass der Boden bezahlbar bleibt für die, die ihn beackern. Doch die drei vergangenen Dürrejahre haben viele Höfe finanziell an Grenzen gebracht. Dass dann die Anträge für Ausgleichszahlungen und Co. wahre Bürokratiemonster seien, erschwere die Arbeit zusätzlich, denn auch jedes Gramm Dünger oder Pflanzenschutzmittel muss dokumentiert werden – vom Kauf, über die Lagerung bis zum Einsatz auf den Feldern. Dass dann mehr und mehr Gesetze erlassen werden, deren Umsetzung nicht mehr handhabbar sei, sorgte ebenfalls für deutliche Worte der Bauern an die Politiker.

Verlässlichkeit der Politik eingefordert

Viel zu oft, so Verbandsvorsitzender Wilfried Feuerstak, werde über die Bauern geredet anstatt mit ihnen. „Wir wünschen uns von einer künftigen Landesregierung, dass sie wieder mehr zu uns als Berufsgruppe Kontakt sucht. Sprechen Sie mit uns“, sagte Feuerstak, „denn die Entwicklung der Landwirtschaft ist ein wichtiges, sehr komplexes Thema. Wir müssen komplizierte Prozesse in den Betrieben meistern. Wir brauchen Perspektiven für unsere jungen Leute, die in den Betrieben sind und weitermachen wollen, aber das nicht finanziert bekommen.“

Viele Firmen auch im Agrarsektor stünden vor einem Generationenwechsel, der an mancher Stelle an den finanziellen Rahmenbedingungen zu scheitern drohe. Steigen dann Investmentbanken ein, könne es sein, dass es bald kaum noch Nahrungsmittel gibt, deren Grundprodukte im eigenen Land wachsen und verarbeitet werden.

Dass die Bauern keine Lobby in der Politik haben, zeigten extreme Auflagen in Düngerverordnungen und ähnlichem. Dabei gehe es auch in der Agrarproduktion um Milliardensummen, nicht nur in der Automobilindustrie.

Wenn dann aber Verlässlichkeit fehle, überlege man es sich sehr genau, ob man zum Beispiel einen neuen Stall baut, der für mehr Tierwohl sorgt, aber auch über mindestens 25 Jahre finanziert werden muss. Wenn sich mittendrin die rechtlichen Vorgaben ändern, kann man schnell Millionen in den Sand setzen. Der Rückgang der tierhaltenden Betriebe sei ein Anzeichen dafür.

Reelle Einblicke in die Landwirtschaft geben

Sachsen-Anhalt hat einen bundesweit gesehen sehr geringen Bestand an Tieren. Die aber liefern Dünger, zugleich sichern sie wichtige Fruchtfolgen auf den Äckern, was der Bodenerhaltung zuträglich ist. Doch solche Kreisläufe werden aus Sicht des Bauernverbandes zu wenig gesehen und auch kaum an den Verbraucher vermittelt. Weshalb der Bauernverband auf Bildungsangebote setzt, die schon frühzeitig einen Blick in den landwirtschaftlichen Alltag ermöglichen. Allerdings hätten die Corona-Beschränkungen

2020 fast alle Vorhaben scheitern lassen. Hoffeste mussten ebenso ausfallen wie die Angebote des „Grünen Klassenzimmers.“

Dass es aktuell ein etwas feuchteres Frühjahr ist, freut die Bauern. Wobei die Freude sehr zurückhaltend ist – bevor die Ernte nicht eingefahren ist, weiß man nicht, was man hat. Was gleichermaßen für Wahlversprechen gelte. Denn das Landwirtschaft als wichtig erachtet werde, betonten alle Parteienvertreter bei diesem Verbandstag, der sich auch mit Wolfsjagd und Weidetierhaltung befasst hatte. Auch für dieses Thema gelte, was Verbandschef Feuerstak in Richtung Landespolitik sagte: „Wir müssen im Gespräch bleiben.“