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Musical Harztheater spielt Musical von Tobias Künzel

In Halberstadt steht das Musical „Elixier“ auf dem Programm. Ein Stück von Erfolgsautorin Kati Naumann mit Musik von Prinzen-Frontmann Tobias Künzel.

Von Sabine Scholz 25.09.2023, 09:34
Szenenfoto aus "Elixier", dem neuen Musical am Harztheater mit Michael Rapke als David, Ann-Charlotte Wittmann als Betty,  Eric Eisenach als Hagen und Alice Macura als ältere Betty.
Szenenfoto aus "Elixier", dem neuen Musical am Harztheater mit Michael Rapke als David, Ann-Charlotte Wittmann als Betty, Eric Eisenach als Hagen und Alice Macura als ältere Betty. Ray Behringer

Halberstadt - Einladung zur Generalprobe. Wir sollen am Ende nicht klatschen. Sagt Marco Misgaiski. „Theaterleute sind abergläubisch“, erklärt der Regisseur, bevor die Generalprobe des Musicals „Elixier“ im Großen Haus Halberstadt des Harztheaters startet. Vor geladenen Gästen und dem Komponisten.

Tobias Künzel verfolgt aufmerksam das Geschehen auf der Bühne im Harz. Er ist häufiger Gast bei den Proben gewesen, die Premiere wird er heute verpassen – ein Termin mit der Band Die Prinzen in Österreich kam dazwischen. Dafür ist die Autorin des Stückes, Kati Naumann, dabei. Das Paar hat schon des Öfteren zusammengearbeitet. „Katis Sprache macht es einfach, zu komponieren“, sagt Künzel. Und weiß, dass die Alltagssprache für manche Theaterleute eine besondere Herausforderung ist. „Aber sie macht es dem Publikum leichter, das Geschehen zu verfolgen.“

Stimmt, wie sich nicht nur am (erlaubten) Szenenapplaus zeigt, sondern auch an den begeisterten Reaktionen der Zuschauer nach der Generalprobe. Die dann zudem die Gelegenheit nutzen, mit Künzel ins Gespräch zu kommen.

Große Lust am Spiel springt über

„Bei der Aufführung am 3. Oktober in Quedlinburg bin ich dabei“, sagt Künzel. Dass hier im Harz seine Musik von Orchester, Band und Chor live auf die Bühne gebracht wird, sei schon etwas Besonderes, schwärmt der Musiker, der auch in London schon Stücke auf die Bühne gebracht hat – „ohne Prinzen-Bonus“, sagt er schmunzelnd. Wobei auch am Elixier mehr als ein Prinz beteiligt war – Künzel schrieb die Songs, die Arrangements der Pop, Rock und Klassik gleichermaßen vereinenden Kompositionen übernahm Bandmitglied Wolfgang Lenk.

Die Harzer Inszenierung seines vor 25 Jahren uraufgeführten Stücks ist ein bisschen gekürzt, aber die Zusammenarbeit mit Regisseur Marco Misgaiski habe ihm ebenso Freude bereitet wie mit dem musikalischen Leiter Harutyun Muradyan und den Harzer Sinfonikern. „Alle sind hier mit so viel Liebe und Herzblut bei der Sache, das macht Spaß zu sehen und geht ans Herz“, sagt der Leipziger.

Eine Rolle verfolgt er an diesem Abend besonders – die des Hagen. Denn die hat Künzel bei der Uraufführung selbst gespielt. Im Harz steht Eric Eisenach auf Bühne, Labortisch und im Hintergrund. Er hat sichtlich Spaß an dieser Rolle des Strippenziehers, Angepassten und Antihelden. Dass er als Schauspieler singen muss, schreckt ihn nicht, und seine Spielfreude springt über aufs Publikum.

So wie überhaupt alle im Ensemble spürbar Spaß haben an dem Stück, in dem ein Kammersänger auch mal eben eine Nebenrolle spielt – sympathisch wie immer Klaus-Uwe Rein. Er gehört als in die Sekretärin Fräulein Brotmann (Thea Rein) verschossener Pförtner zur Belegschaft des Bitterfeldes Chemiekombinats, in dem der junge Chemiker David (Michael Rapke) für seine Doktorarbeit an einem Elixier forscht, dass vielleicht nicht ewige, aber doch sehr lange Jugend verspricht. Der warme Bariton Michael Rapkes gibt David die erforderliche Schüchternheit, macht das Erstaunen über das Glück, das er mit der 19-jährigen Betti (zauberhaft: Ann-Charlotte Wittmann als Gast) findet, ebenso glaubhaft wie seine Verzweiflung, als es zum Bruch kommt. Mit Betti und später kurzzeitig mit seinem Arbeitsleben.

Mehr als eine zauberhafte Liebesgeschichte

Denn auch das macht die Geschichte aus, die im rußgrauen Bitterfeld des Jahres 1978 beginnt und ihre Fortsetzung im Nachwende-gebeutelten, aber deutlich farbenfroheren Bitterfeld des Jahres 1998 findet. Sie erzählt von der Liebe, aber ebenso von Verrat auf unterschiedlichsten Ebenen – von dem unter Freunden bis zu dem am geliebten Menschen. Und sie erzählt von fast unmöglich scheinender Vergebung. Ein modernes Märchen eben.

Es sind viele Details in diesem Stück und in der Harzer Inszenierung, die die älteren Zuschauer erinnerungsschwer aufseufzen lassen. Und den Jüngeren bildlich vor Augen führen, was sie von ihren Eltern und Großeltern aus Erzählungen kennen. Es ist ein unterhaltsamer Mix aus genialer Requisite und kleinen Anspielungen. So viel DDR war wohl lange nicht mehr auf der Halberstädter Bühne. Ob Trinkflasche und Kofferradio oder Margot und Erich Honecker im Discofox oder der Spendenkoffer später im Stück – der Zuschauer hat nicht nur am Zuhören seine Freude, sondern auch am Hinschauen. Dazu die geniale Plattenbau-Bühnenlandschaft von Gretl Kautzsch, die zugleich Projektionsfläche für die Videoeinspielungen im Stück ist.

Traschende Nachbarinnen

Köstlich ist auch das tratschende Haufrauen-Trio (Bettina Pierags, Regina Pätzer, Amrei Wasikowski). Ebenso die anrührend liebevolle Theaterlady Frau Lobesang (Julia Morawietz), die der jungen wie der älteren Betti – sehr schön differenziert gespielt und gesungen von Alice Macura – Zuwendung schenkt.

Die solistischen Leistungen rundet ein gut einstudierter Opernchor (Jan Rozenahl und Julija Domaseva) ab. Auch die Tanz-Statisterie sowie die Mitglieder von Tanz Harz sorgen dafür, dass beim Publikum der Funke überspringt, vor allem bei den Disko-Szenen.

Bei aller Fröhlichkeit spart das Stück nicht mit nachdenklichen Momenten und tiefgründigen Gedanken. Der an den Zeitläufen scheiternde Student und scheinbar ewige Verlierer (Tobias Amadeus Schöner), die wundervoll überzogene Werbekampagne für das Wunderelixier oder die Verzweiflung junger Menschen in großen Lebenskrisen – als das erzählt dieses moderne Märchen eben auch mit seinen - manchem vielleicht ein bisschen zu gefühlvollen - Balladen und kraftvoll-rockigen Songs. Es ist ein Abend, der einen tollen Sound des Lebens auf die Bühne bringt, perfekt ins Licht gesetzt und mit so mancher Überraschung.

Nach der letzten Szene dieser Generalprobe ist vielen der Gäste im Saal klar: Sie kommen noch mal wieder. Um dem Harztheater-Team endlich klatschend zu danken für einen unterhaltsamen, beschwingten Abend.