Außerbetriebliche Ausbildung bietet Jugendlichen im Harzkreis eine neue Chance Hilfe bei ersten Schritten ins Berufsleben
Vor einigen Jahren oft die einzige Chance auf eine Lehrstelle, haben außerbetriebliche Ausbildungsplätze inzwischen einen anderen Stellenwert. Dabei erhalten jene jungen Menschen eine Chance, die mit vielen Problemen zu kämpfen haben.
Halberstadt l Es ist still in der Halle. Vier junge Männer stehen auf Leitern und Gerüsten, konzentriert auf die Wandfläche vor ihnen. Mit sachten Pinselstrichen oder schwungvollen Bögen entstehen Wappen, Bilder, Sprüche. An der Werkbank am Fenster steht Heiko Fiedler und schaut Denny Müller zu. Leise gibt der Ausbilder ein paar Tipps, Denny hört zu, lässt sich einen Handgriff zeigen und eine weiße Platte verwandelt sich in Marmor. Auch so etwas gehört dazu, wenn man bei der Bildungseinrichtung BTH in Halberstadt eine sogenannte außerbetriebliche Ausbildung absolviert. Gemeinsam mit Marcel Siedel, Chris Lembke, Steven Gebauer und Christopher Maikath setzt er heute eigene Ideen in Farbe und Struktur um.
Bauten- und Objektbeschichter ist das, was er innerhalb von zwei Jahren lernen wird - mit Theorie, Praxis und betrieblichen Praktika, erklärte Christel Bischoff. Der Eislebener Bildungsträger hatte sich an einer Ausschreibung der Arbeitsagentur beteiligt und den Zuschlag bekommen. War die über-, oder wie man heute sagt, außerbetriebliche Ausbildung nach der Wende noch ein wichtiges Mittel, um Jugendlichen Lehrstellen anbieten zu können, hat sich der Charakter dieser Ausbildung geändert. "Nach wie vor sind es Vollausbildungen, die hier stattfinden, aber wir bieten solche Plätze vor allem Jugendlichen mit Vermittlungshemmnissen an", sagt Berufsberater Thomas Lubahn von der Halberstädter Arbeitsagentur. "Nicht alle Jugendlichen haben geradlinige Biografien hinter sich. Manche hatten schulische Probleme, andere sind sehr jung Mutter oder Vater geworden, bei wieder anderen ist das soziale Umfeld sehr schwierig. Alles das kann dazu führen, dass es mit der Lehre plötzlich nicht mehr ganz so einfach ist, wie man mal dachte."
Um doch noch im Arbeitsleben Fuß zu fassen, gibt es mehr Unterstützung für die jungen Leute, die diese Form der Ausbildung als Chance begriffen haben und nutzen. Stützlehrer für Mathe und Deutsch helfen neben den Lehrkräften bei den schulischen Anforderungen, Sozialpädagogin Marlies Fricke kümmert sich mit den Jugendlichen um viele Fragen der Alltagsbewältigung. Was sie so berichtet, zeigt, dass es neben Ausdauer viel Fingerspitzengefühls bedarf, neben Konsequenz auch die Bereitschaft, immer wieder von vorn anzufangen.
"200 Jugendliche sind im Kreis in außerbetrieblicher Ausbildung."
Berufsberater Thomas Lubahn
"Aber wir wollen die jungen Leute in ihrer Selbständigkeit stärken, sie befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen", sagt Fricke. Und dazu gehört auch mal ein Nein", ergänzt Knut Ludwig, BTH-Koordinator für die berufliche Aus-und Weiterbildung. Aber das sei bei jeder Lehrstelle so, die Arbeitswelt unterscheide sich nun einmal vom Schulalltag. Dennoch, auch die Ausbilder Harald Wolff und Heiko Fiedler sind mit Geduld, Ausdauer und Konsequenz aktiv.
Finanziert wird die zweijährige Ausbildung von der Arbeitsagentur. "Im Harzkreis sind es etwa 200 Jugendliche, die im September diese Form der Ausbildung begonnen haben", berichtet Thomas Lubahn. "Nicht jeder nimmt aber diese Chance wahr." So sind von den 25 Jugendlichen, die für die Ausbildung bei der BTH gemeldet waren, nur 18 gekommen.
Ausgebildet werden sie in Halberstadt in drei der vier angebotenen Berufe - als Bauten- und Objektbeschichter, Ausbaufacharbeiter und Tiefbaufacharbeiter. Für den Hochbau fand sich kein Interessent. "Da wir seit Jahren in der Erstausbildung tätig sind, können wir viele Synergieen nutzen", sagt Ludwig. Alle Ausbildungsschritte werden dokumentiert, sind mit den Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern abgestimmt. "So steht am Ende eine anerkannte Berufsausbildung. Manche wechseln dann in Firmen und hängen zur Qualifizierung ein drittes Lehrjahr dran. Zusätzlich wird den Jugendlichen die Möglichkeit geboten, einen Gabelstaplerpass zu erwerben, die Teilnahme an Fahrschulen wird für Interessierte organisiert und die Bauten- und Objektbeschichter nutzen das Bildungszentrum der Handwerkskammer, für einige spezielle Ausbildungsteile.
Doch an diesem Tag sind die jungen Männer in der "Winterhalle" aktiv, wollen ihren eigenen Entwürfen das Aussehen verleihen, das ihnen vorschwebt. Dass eigene Initiative gewollt ist, ist für manchen von ihnen neu - Spaß aber macht es allen.