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Handwerk In einer Männerdomäne zuhause

Fliesenleger ist ein klassischer Männerberuf. Zu Unrecht, findet Mandy Wiegmann. Die Meisterin kann sich keinen anderen Job vorstellen.

Von Sandra Reulecke 28.03.2016, 07:00

Osterwieck l Sie wirkt zierlich, hat lange blonde Haare, mag Glitzer und Rosa – und sie ist Fliesenleger-Meisterin. Wenn Mandy Wiegmann voller Begeisterung von ihrem Beruf erzählt, erntet sie erstaunte Blicke.

Das ist auf Baustellen, auf denen sie arbeitet, nicht anders. „Ich kann mich an eine Begebenheit erinnern, als ich zusammen mit meiner Mutter auf einer Baustelle nach dem Rechten sehen wollte. Zu dem Zeitpunkt war ich hochschwanger“, berichtet die Osterwieckerin. Die Art, wie sie die Arbeiter ansahen – eine Mischung aus Spott und Ungläubigkeit – wird sie nie vergessen.

Generell müsse man als Frau seine Qualifikation und Kompetenz unter Beweis stellen. „Wenn sich ein Mann als Meister vorstellt, wird ihm geglaubt. Bei einer Frau denken die meisten, sie wüssten es besser“, sagt die 35-Jährige. Aber nur anfangs.

Mandy Wiegmann weiß, was sie kann. Architekten und Kunden die sie kennen, vertrauen ihr. Denn die resolute Frau setzt sich durch. Zum Beispiel als Dozentin für übertriebliche Ausbildungen in Wernigerode. Fünf Lehrlinge betreut sie im zweiten Ausbildungsjahr, drei im ersten. „Die Jungs gucken anfangs komisch“, sagt sie und lacht. „Aber wenn sie merken, dass ich weiß, wovon ich rede, kann ich sie überzeugen.“

Gern würde sie auch im Betrieb des Vaters in Osterwieck Auszubildende anleiten. Aber die gut bezahlten Jobs in der Automobilbranche in nahegelenden Orten locken die Absolventen wohl mehr, als eine Handwerksausbildung, mutmaßt die Blondine. Zumindest fehlen die Bewerbungen – von Jungen und von Mädchen.

Dabei ist Mandy Wiegmann fest davon überzeugt, dass der Fliesenleger-Beruf etwas für Frauen ist. „Die Arbeit ist vielfältig. Man sieht Ergebnisse, hat mit unterschiedlichen Menschen zu tun, kann kreativ werden und beraten“, schwärmt sie.

Dennoch war die Osterwieckerin die einzige Frau in der Klasse, als sie nach dem Abitur die Ausbildung begann. Studieren wollte sie nicht. „Mir war es wichtig, erst einmal einen Abschluss in der Tasche zu haben und mein eigenes Geld zu verdienen.“ Die Ausbildung im väterlichen Betrieb lag nahe. Schon als Kind war sie gern auf den Baustellen. Ihre Lehrer in der Berufsschule waren positiv überrascht, ein Mädchen zu sehen. „Aber wir wurden alle gleich behandelt.“

Probleme gibt es dafür an ganz anderer Stelle. „Auf vielen Baustellen gibt es nur ein einziges Dixi-Klo. Und das ist für Männer. Dass auch Frauen auf der Baustelle arbeiten könnten, daran denken viele Planer noch immer nicht“, berichtet Mandy Wiegmann. Sie nimmt es mit Humor.

Nach der Lehre wollte sich Mandy Wiegmann weiterbilden und erwog ein Studium, um Fremdsprachenkorrespondentin zu werden. „Aber ich habe mich zu spät angemeldet.“ Stattdessen schrieb sie sich für den Meisterkurs ein und belegte einen zusätzlichen Kurs „Business English“.

Bei den Meister-Anwärtern das gleiche Bild: Mandy Wiegmann war die einzige Frau. Keine Überraschung für Anja Gildemeister, Sprecherin der Handwerkskammer Magdeburg. „Laut Handwerksrolle gibt es in unserem Kammerbezirk nur eine selbstständige Fliesenlegermeisterin, und zwar in Tangerhütte“, berichtet sie. Auch in anderen Berufsfeldern überwiegt der Männer-Anteil: Von 160 Meistern, die 2015 im Magdeburger Bildungszentrum zertifiziert wurden, waren lediglich 13 Frauen. Die meisten sind Friseurmeisterinnen.

Für Mandy Wiegmann war das Handwerk die richtige Entscheidung. Sie möchte später den Betrieb ihrer Eltern übernehmen. „Viele fragen explizit nach ihr“, berichtet ihre Mutter Dagmar stolz. „Gerade bei anspruchsvollen Kunden beweist Mandy Fingerspitzengefühl.“ Je schwieriger die Aufgabe, desto besser, findet ihre Tochter. „Wenn die Kunden zufrieden sind, gerade bei aufwändigen Projekten, ist das die beste Werbung für uns“, betont die 35-Jährige.

Und vielleicht kann sie so auch mehr Mädchen für ihren Beruf begeistern. Welche Voraussetzungen braucht es für den Job? „Durchsetzungsvermögen und Kreativität. Sie sollten keine Angst vor Menschen haben, sich dreckig machen wollen und körperlich fit sein“, sagt sie, lacht und ergänzt: „Obwohl die Kraft mit der Arbeit schon ganz von allein kommt.“

Was den Beruf ausmacht, lernt Mandy Wiegmanns sechsjährige Tochter schon jetzt kennen. „Sie guckt mir gern über dies Schulter. Das Zeug hätte sie sicher zur Fliesenlegerin.“ Ob das Interesse nach dem Schulabschluss auch noch da ist, wird sich zeigen.