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Corona Jüdisches Museum Halberstadt vor Neueröffnung

Von Sabine Scholz Aktualisiert: 12.4.2021, 09:56

Halberstadt. Es ist eine Frage, die sich Jutta Dick jeden Tag stellt: „Kommen heute alle Handwerker?“ In Corona-Zeiten haben Bauprojekte eine neue Herausforderung dazubekommen – Quarantäneanordnungen wegen Corona-Infektionen.

Bislang ist alles ganz gut gelaufen, sagt die Direktorin der Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt. Sie steht in den Räumen des Berend-Lehmann-Museums, aus dem Keller wummern Bohrgeräusche. Die weißen Wände sind nackt, ein feiner Staubfilm liegt auf den Fensterbrettern, ebenso wie Steckdosen, die auf den Einbau warten. Neben den Zugängen lehnen die alten Türrahmen und -blätter, harren auf ihren Wiedereinbau. Die Trockenbauer sind fertig, die Fußbodenleger auch. Sie haben die extremen Höhenunterschiede zwischen den einzelnen Räumen fast überall ausgeglichen, dafür zunächst fachgerecht einen Schutz über die historische Dielung gelegt, auf dem die modernen Fußbodenbeläge ruhen. Bauen im Denkmal eben.

Die zwei Reihenhäuser aus dem 16. Jahrhundert in der Judenstraße 25/26, in denen sich zum einen die ehemalige Gemeindemikwe befindet und die heute einen Teil des Berend-Lehmann-Museums beherbergen, zwangen zu neuen Lösungen, um die für die neue Dauerausstellung erforderliche Technik unterbringen zu können. In vielen der kleinen Räume ist ein Raum im Raum entstanden, die Abstände zwischen Trockenwand und altem Fachwerkgemäuer bieten den 1,1 Kilometern Kabeln Platz, die Strom und Daten zu den Medienstationen transportieren werden.

Neue Technik

Denn das alte Haus wird wie die zum Museum gehörenden Räume in der Klaussynagoge viel Neues bieten. Zwar keinen Fahrstuhl, aber moderne Lüftungs-, Sicherheits- und Brandmeldesysteme, LED-Beleuchtung und Informationsstationen, an denen interessierte Besucher Interviews mit ehemaligen Halberstädter Juden ebenso lauschen können wie kurzen animierten Erläuterungsfilmen zu Grundlagen jüdischen Glaubens und Lebens zuschauen.

Die lehrreichen Sequenzen stammen von Noga Zohar, einer niederländischen Filme-macherin, die familiäre Wurzeln in Halberstadt hat. Ein Fakt, der in Corona-Zeiten für zusätzliche Herausforderungen sorgt. Mal eben zwischen Amsterdam und Halberstadt hin- und herzufahren, ist angesichts pandemiebedingter Quarantäneregeln bei Ein- oder Ausreise extrem schwierig geworden.

Frachtraum ist teuer

Die Coronakrise schlägt zudem bei einem weiteren Aspekt zu. Einige Objekte, die ehemalige Halberstädter Familien dem Museum leihen oder schenken und die wichtige Beispiele für das Leben der einst bedeutenden jüdischen Gemeinde Hal-berstadts sind, könnten es nicht mehr rechtzeitig zur Eröffnung der neuen Dauerausstellung nach Halberstadt schaffen. „Der Flugverkehr ist deutlich reduziert, damit auch die Frachtkapazitäten“, sagt Jutta Dick. Was auch bedeutet, dass die Kosten für den Transport in Höhen schießen, die nicht mehr vertretbar sind für ein kleines Museum. Wobei das auch große Häuser trifft. In der neuen Dauerausstellung des jüdischen Museums Berlin sind einige Vitrinen zur Eröffnung ebenfalls leergeblieben.

„Das könnte uns an der einen oder anderen Stelle auch passieren“, sagt Jutta Dick. Zu sehen sein wird dennoch viel und vor allem vieles, was aus Halberstadt stammt. Wie das Geschäftsbuch eines Halber-städter Juden aus dem 18. Jahrhundert, das Axel Schreiber bei Bauarbeiten in einem alten Fachwerkhaus an der Bakenstraße entdeckte und dem Museum zur Verfügung stellte.

Seit Eröffnung des Museums im Jahr 2001 haben sich viele Kontakte zu ehemaligen jüdischen Familien intensiviert. Zu verdanken sind viele dem Wirken von Stadtchronist Werner Hartmann und Pfarrer Martin Gabriel. Diese Kontakte zu pflegen, zu zeigen, wie ernsthaft sich in Halberstadt um die Bewahrung des jüdischen Erbes bemüht wird, haben letztlich Vertrauen wachsen lassen, dass sich nicht nur in freundschaftlichen Begegnungen niederschlägt, sondern auch in Leihgaben und Schenkungen an das Berend-Lehmann-Museum, das inte-graler Bestandteil der Arbeit der 1995 gegründeten Moses-Mendelssohn-Akademie ist.

Konzert zur Eröffnung

Die internationalen Begegnungen sind nur ein Aspekt der Arbeit in Museum und Akademie. Die haben nicht nur ihren Sitz in zweien der vielen baulichen Zeugnisse der über sieben Jahrhunderte in Halberstadt existenten jüdischen Gemeinde. In ihren Mauern finden sich auch Beispiele, wie praktisch Familien damals schon dachten. „In Halberstadt gab es in einigen Häusern Laubhüttenkonstruktionen, die an das biblische Provisorium erinnerten, aber doch bei schlechtem Wetter Schutz boten. In der Klaussynagoge ist die Grundkonstruktion einer solchen Laubhütte erhalten“, sagt Jutta Dick. Die Idee, die alte Laubhütte in der Klaus komplett zu rekonstruieren, wurde wieder verworfen. Stattdessen wird es ein Modell geben, an dem die Besucher die Funktionsweise ausprobieren können.

Bis dahin müssen aber erstmal die restlichen Elektroarbeiten beendet, die neuen Vitrinen eingebaut, die Medien-stationen installiert, die Objekte präsentiert werden. Bis zum 16. Mai muss alles fertig sein, dann ist Eröffnung, „Allerdings nur virtuell, aber mit einer musikalischen Matinee auf dem alten Synagogengelände“, kündigt Jutta Dick an. Johannes Rieger und Regina Pätzer werden im Rahmen des Klang-Art-Vision-Festivals Werke von Bernstein, Weill und Mahler aufführen. „Das Konzert wird auf jeden Fall live ins Internet übertragen, vielleicht sind auch Zuschauer zulässig.“ Was im Freien vielleicht geht, bei schlechtem Wetter, wenn die Musiker in die Klaussynagoge wechseln müssen, wird das eher problematisch sein. Wegen der Corona-Pandemie.