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Kostenexplosion Halberstädter Baustelle sprengt Finanzrahmen

Für die Sanierung der Diesterweg-Grundschule Halberstadt waren 5,5 Millionen Euro veranschlagt, derzeit sind es 7,4 Millionen Euro.

27.09.2019, 02:00

Halberstadt l Die Diesterweg-Grundschule in der Sargstedter Siedlung ist derzeit die größte Baustelle in Halberstadt. Vor einem Jahr erfolgte der erste Spatenstich für das millionenschwere Projekt zur Rettung und langfristigen Sicherung des Schulstandortes. Bereits in zehn Monaten, zum Start des Schuljahres 2020/2021, sollen die Grundschule, der Hort und die Kindertagesstätte im Gebäude eingezogen sein.

Die Stadtverwaltung gewährte der Volksstimme einen Blick auf und in die Baustelle und informierte zum Stand des Baufortgangs. Von den ebenfalls eingeladenen Vorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Parteien nahmen Daniel Szarata (CDU) und Hans Joachim Nehrkorn (Die Linke) teil.

Das Dach ist komplett neu gedeckt, die Fenster erneuert, ein Großteil der Türen eingesetzt, in drei, vier ­Wochen sollen die Baugerüste außen fallen, informiert Kurt Fümel, Projektverantwortlicher der Stadtverwaltung Halberstadt. Der Innenausbau läuft ebenfalls. Wände wurden herausgebrochen, Stahlträger dafür eingezogen, um Platz für die neue Aula zu schaffen. Im ­Keller, wo bis in die 1990er Jahre noch eine Kohleheizung stand, steht bereits die neue Gasheizung.

Bei den Arbeiten im Fußbodenbereich stieß man auf eine Überraschung. Dort fand man Schlacke, die beim Bau des Gebäudes Ende der 1940er Jahre wohl als Dämmung Verwendung fand. Damals, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, habe man angesichts der Material­knappheit alles Greifbare zum Bau verwendet. Die Schule ist bekanntlich aus den Trümmern Halberstadts errichtet worden, so Kurt Fümel. „Die Schlacke ist jedoch Sondermüll und musste entfernt sowie entsorgt werden.“ Das sei eine von vielen Überraschungen, von denen vorher nichts bekannt war und damit zusätzlich Zeit und Geld kostet.

„Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist für alle, die an der Sanierung arbeiten, eine Herausforderung“, betont Kurt Fümel. Die Ausmaße sprengen jede Vorstellung eines Schul-Bauvorhabens. Allein die Fassade des großen Komplexes umfasst stolze 650 laufende Meter. Laut einer Auflage des Denkmalschutzes muss diese nach ­historischem Vorbild mit Kratzputz versehen werden. Immerhin eine Fläche von etwa 3000 Quadratmetern. „Eine aufwendige Arbeit, wenn man bedenkt, dass die vier Gebäude-Riegel über große Fenster- und Türflächen verfügen, die die Putzarbeit noch komplizierter gestalten.“

Auch das Dach sprengt alle normalen ­Dimensionen eines Schulgebäudes. Fast 4000 Quadratmeter mussten neu eingedeckt werden. Ganz zu schweigen vom Außengelände, das etwa 20.000 Quadratmeter umfasst und ebenfalls neu zu gestalten ist.

Kurt Fümel erklärt an einem Beispiel wie finanzintensiv die Arbeiten am und im Haus sind. „Allein das Verlegen der Feuchtigkeitssperre im ­Sockelbereich der Gebäude kostet 400.000 Euro. Wo das Geld bleibt, sieht man nicht.“ Die schiere Größe des Bauvorhabens, gepaart mit den vielen Überraschungen, die ein altes Gebäude parat hält, wenn man es „öffnet“, die teils ungünstige Witterung sowie zwei Streitigkeiten mit Firmen um die erfolgte Vergabe von Aufträgen sorgten dafür, dass man dem ursprünglichen Zeitplan derzeit zehn bis zwölf Wochen hinterherläuft. Kurt Fümel ist sich trotzdem sicher, dass die Diesterweg-Grundschule pünktlich fertiggestellt wird.

Allerdings gibt es noch ein zweites Problem – das schwerer wiegt als Zeit. Der finan­zielle Rahmen des Vorhabens ist längst gesprengt. Geplant waren 5,5 Millionen, von denen das Land Sachsen-Anhalt 3,1 Millionen Euro fördert. „Derzeit bewegen wir uns bei 7,4 Millionen Euro, und dass wird wahrscheinlich noch nicht die Schluss-Summe sein“, befürchtet Daniel Szarata, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Halberstadt. Laut Kurt Fümel sind derzeit 80 Prozent der Leistungen ausgeschrieben. Was bedeutet, dass die 7,4 Millionen Euro definitiv nicht ausreichen, so Daniel Szarata. Dass der Fördermittelgeber, das Land Sachsen-Anhalt, noch einmal eine Finanzspritze gewährt, sei unwahrscheinlich, so Kurt Fümel. Obwohl ein Vertreter die Arbeiten mit überwacht und sehen würde, dass kein Euro verschwendet wird.

Droht damit der hoch verschuldeten Stadt, der zusätzlich im aktuellen Haushalt mehrere Millionen Euro fehlen, ein finanzielles ­Fiasko? Das Horrorszenario einer möglichen Investruine in der Sarg­stedter Siedlung schließen Kurt Fümel, Daniel ­Szarata und Hans Joachim Nehrkorn trotz aller Schwierigkeiten aus. An der Lösung des Geld-Problems werde derzeit gearbeitet. „Es gibt schlechte und gute Schulden. Geld in Bildung und Kinderbetreuung zu investieren zählt für mich zur letztgenannten Variante“, betont Linke-Fraktionschef Hans Joachim Nehrkorn.

Obwohl das gesamte Haus unter Denkmalschutz steht, einigte man sich mit der zuständigen Behörde darauf, dass nur im ersten Gebäuderiegel, wo sich der Haupteingang befindet, einige Auflagen umgesetzt werden. Alles andere hätte die Kosten weiter in die Höhe getrieben und die Umsetzung des Gesamtkonzeptes gefährdet, sagt Kurt Fümel. So verbleiben zum Beispiel die Metallfenster an Ort und Stelle, obwohl sie die heutigen Wärmeschutzauflagen nicht erfüllen. Sie sollen nach Kriegsende aus den Trümmern der ehemaligen Junkerswerke geborgen worden sein. Das ist allerdings historisch nicht belegt. Teile des altes Holzparketts wurden ebenfalls geborgen und sollen in einem Klassenraum wieder verlegt werden.