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Mauerfall  Ein bunter Fingerzeig auf die Geschichte

Einst das Zeichen der Teilung, steht die Grenzsäule in Wülperode heute für gelebte Wiedervereinigung. Nun wurde das Mahnmal eingeweiht.

Von Sandra Reulecke 06.10.2019, 01:01

Wülperode/Abbenrode l Keine drei Kilometer liegen zwischen Lochtum und Abbenrode. Und doch waren es Welten, die die beiden Orte trennten, als Lothar Engler aufwuchs. Die innerdeutsche Grenze verlief zwischen ihnen. Ein Thema, das den heute 64-Jährigen sein Leben lang und bis heute begleitet: In Lochtum, auf der niedersächsischen Seite der Grenze, ist er geboren. 41 Jahre lang war er als Bundesgrensschützer tätig. Und seit vielen Jahren ist er im Grenzerkreis, in dem sich ehemalige Ost- und West-Grenzer engagieren, aktiv.

In letztgenannter Funktion setzt Engler sich gemeinsam mit dem Heimatverein Abbenrode dafür ein, dass die Zeit der Trennung Deutschlands nicht in Vergessenheit gerät. Ein Meilenstein für dieses Anliegen ist am Donnerstag, dem Tag der Deutschen Einheit, in Wülperode eingeweiht worden. Ein originalgetreuer Nachbau – allerdings aus Stahl, nicht wie früher aus Beton – der Grenzsäule Nummer 905. Entlang der innerdeutschen Grenze standen einst 2622 solcher Säulen.

Die in Wülperode bildet nun gemeinsam mit rund 60 Metern DDR-Grenzzaun und Schautafeln ein Denkmal. Der Zaun sei nach der Wende erhalten geblieben und zwischenzeitlich sogar bei den Behörden in Vergessenheit geraten, berichtet Lothar Engler.

Sechs Jahre lang wurde darauf hingearbeitet, das Denk- und Mahnmal – das sich auf Privatgelände befindet – zu errichten. „Diese sechs Jahre waren nicht immer einfach, es gab auch Rückschläge", berichtet Lothar Engler, der heute im niedersächsischen Wiedelah, nur wenige hundert Meter Luftlinie von Wülperode entfernt, lebt.

Dennoch soll es nicht die letzte Grenzsäule – eine weitere steht seit 2013 in Abbenrode – bleiben, die wieder errichtet wird. Nahe Abbenrode seien zwei weitere geplant, eine soll in Rhoden aufgestellt werden, eine weitere bei Stapelburg, informiert Andreas Weihe, Chef des Heimatvereins Abbenrode.

Die Kosten für eine Erinnerungs-Säule liegen bei rund 2000 Euro. Die Herstellung des jeweiligen Korpus und die Schweißarbeiten habe die Salzgitter-AG für die fünf aktuellen Säulen übernommen. Für die Maler- und Fräßarbeiten, insgesamt rund 2700 Euro, gibt es eine 70-prozentige Förderung vom Landesverwaltungsamt, 30 Prozent der Kosten trägt der Heimatverein Abbenrode.

Aber ist es überhaupt notwendig, 29 Jahre nach der Wiedervereinigung, wieder Grenzsäulen zu errichten? Oder ist es nicht an der Zeit, die Grenze zu vergessen? „Das ist keine Ostalgie, sondern ein Denkmal im Sinne von „denk mal nach‘. Ein bunter Fingerzeig in der Landschaft“, betont Andreas Weihe. „Viele wissen heute gar nicht mehr, wie das mit der Grenze mal war.“

Doch diese Zeit solle nicht in Vergessenheit geraten – auch im Hinblick auf heutiges und künftiges politisches Geschehen. „Heute werden wieder Zäune und Hindernisse errichtet“, gibt der 58-Jährige zu bedenken. Um aus Erfahrung lernen zu können, dürfe nicht vergessen werden. Dieser wichtige Teil der deutschen Geschichte solle für die heutige Jugend und kommende Generationen bewahrt und erfahrbar gemacht werden.

Umso mehr freue es ihn und Lothar Engler, dass sich Schüler des Osterwiecker Fallstein-Gymnasiums für das Grenzdenkmal in Wülperode engagieren. Das Besondere an der Schule: Sie wird von Kindern aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt besucht. Mehrmals pro Schuljahr finden Arbeitseinsätze und Unterrichtsprojekte auf dem Gelände statt. So etwas sei einzigartig und mit einem Preis ausgezeichnet worden, berichtet Engler. „Die Schüler beteiligen sich an gelebter Erinnerungskultur.“