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Interview zum Stand der Breitbanderschließung in der Hohen Börde MDDSL-Chef: "Wir haben den Bürokratieaufwand unterschätzt"

15.03.2012, 03:13

Kommunalpolitiker der Hohen Börde und Volksstimme-Leser üben Kritik am Anschluss-Tempo des öffentlich geförderteten Breitband-Netzes in fünf Dörfern. Volksstimme-Mitarbeiter Maik Schulz befragte den Geschäftsführer der beauftragten Firma MDDSL.

Volksstimme: In den vergangen Wochen wird in den politischen Gremien der Gemeinde wie auch bei Volksstimme-Lesern die Kritik am Tempo der Breitbandanbindung in den fünf von ihnen erschlossenen Ortschaften immer lauter. Auch ihr Kundenservice gerät ins Kreuzfeuer. Zu Recht?

Andreas Riedel: Ich räume ein: Wir haben den bürokratischen Aufwand unterschätzt, der nach der technischen Herstellung der DSL-Leitungen bis zum Verteilerkasten der Telekom auf uns zukam.

"Anders als im Ausland gehören in Deutschland die letzten Meter des Telefonnetzes nicht dem Staat. Und das führt zu Problemen."

Wir haben deshalb Anfang Dezember zwei zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, die sich ausschließlich mit der Telekom auseinandersetzen, die ja die letzten Meter des Leitungsnetzes besitzt. Auch die Information unserer Kunden hat sich unserer Einschätzung nach seitdem verbessert.

Volksstimme: Was war und ist denn so problematisch?

Riedel: Anders als im Ausland gehören in Deutschland die letzten Meter des Telefonnetzes nicht dem Staat. Und das führt zu Problemen. Am besten ich erläuterte einmal den chronologischen Ablauf: Ende September hat uns ein Gutachter bestätigt, dass wir die DSL-Leitungen für die fünf Ortschaften bis zum Verteilerschrank hergestellt haben. Die letzten Meter von diesen Verteilerstationen bis zum Kundenanschluss gehören der Telekom und müssen von ihr freigegeben werden. Und das zog sich hin.

Volksstimme: Konnten Sie nicht schon früher beantragen, Sie wussten doch in etwa den Anschlussbedarf in den Ortschaften?

Riedel: Wir dürfen erst beantragen, wenn wir die technischen Voraussetzungen unsererseits geschaffen haben. Das war Ende September der Fall.

"Für Kunden, die ihre Telefonnummer behalten wollen, können wir derzeit keine kalkulierbare Zeitschiene nennen."

Volksstimme: Und dann dauert es fast ein halbes Jahr?

Riedel: Im ungünstigsten Fall: Ja. In der Regel: Nein. Das sagt auch unsere aktuelle Statistik der angeschlossenen Haushalte (siehe Info-Kasten/d.Red.) Schrittweise begannen wir, unsere Leitungen auf die Verteilerschränke aufzulegen, also anzuklemmen. Dabei sind wir auf die Telekom angewiesen. Das nahm zwischen vier und acht Wochen in Anspruch. Weitere vier bis acht Wochen mussten wir auf die Messprotokolle der Telekom warten. Noch einmal vier bis acht Wochen braucht die Telekom für die Dokumentation und die Freigabe der Leitungen. Somit hat es zwischen zwölf und 24 Wochen gedauert, bis wir für die freigegebenen Leitungen - die Teilnehmeranschlussleitung (TAL) - für jeden einzelnen Kunden beantragen konnten. Dann dauert es noch mal zwei bis vier Wochen, bis der Kunde angeschlossen ist. Bei einigen Kunden - wie im Hermsdorfer Lindenplatz- ging es schneller. Andernorts wie in Rottmersleben und Hohenwarsleben warten einige Kunden immer noch.

Volksstimme: Warum warten die Kunden dort immer noch?

Riedel: In Rottmersleben steht ein Verteilerkasten der Telekom auf einem Privatgrundstück. Hier hatte die Gemeinde vergessen, eine Grunddienstbarkeit einzutragen. Sie ist Voraussetzung, damit wir und die Telekom überhaupt an den Verteiler herankommen. Das hat den Anschluss natürlich weiter verzögert. In Hohenwarsleben ist einer von zwei Verteilerschränken "voll" und muss seitens der Telekom "aufgeräumt" werden, das heißt durch eine Neuordnung der Anschlüsse müssen Kapazitäten für uns geschaffen werden. Auch das braucht Zeit.

Volksstimme: Lassen wir mal die zwei Ausnahmen Rottmersleben und Hohenwarsleben (teilweise) außen vor: Ist jetzt alles bereit, damit die Kunden durch Sie schnell an das DSL-Netz angeschlossen werden kann?

Riedel: Ja, wer heute eine DSL-Leitung beantragt, wird 14 Tage später, spätestens nach vier Wochen von uns mit einer schnellen Breitbandverbindung versorgt. Gleiches gilt auch, wenn er sich für DSL und Telefon entscheidet. Für DSL-und-Telefon-Kunden gilt aber eine Einschränkung: Er kann seine alte Telefonnummer nicht behalten und bekommt eine neue. Will er seine alte Nummer mitnehmen (Portierung), dann kann es länger dauern.

Volksstimme: Wie lange?

Riedel: Derzeit können wir für solche Portierungskunden keine kalkulierbare Zeitschiene nennen.

"Das Prozedere um die Freigabe der letzten Meter des Telefonnetzes muss der Gesetzgeber über die Bundesnetzagentur vereinfachen."

Volksstimme: Warum?

Riedel: Sie können sich das Wirrwarr um die parallel laufenden Anträge auf Freischaltung der TAL einerseits und auf die Portierung der Rufnummer andererseits nicht vorstellen. Dafür sind bei der Telekom zwei verschiedene Abteilungen zuständig. Verschiedene Abläufe müssen miteinander verkettet werden, das ist ein gigantischer Zeitaufwand. Da ist selbst unser Ansprechpartner der Telekom in Düsseldorf machtlos. Das ist dem Kunden einfach nicht mehr vermittelbar.

Dieses ganzes Prozedere um die Freigabe der letzten Meter des Telefonnetzes muss der Gesetzgeber über die Bundesnetzagentur vereinfachen. Wir können den Kunden, die ihre Telefonnummer behalten wollen, derzeit nur empfehlen, erst einmal eine DSL-Leitung bei uns zu bestellen. Haben wir dann eine eigene Leitung zum Kunden, geht vieles einfacher und auch schneller. Auch mit der Portierung. Das zeigt die Erfahrung.

Volksstimme: Aber einige dieser Kunden haben doch sicherlich bei der Telekom kombinierte Telefon-Internet-Verträge, müssten also bei einem DSL-Vertrag mit ihnen zumindest eine Zeitlang doppelt bezahlen?

Riedel: Bisher konnte ja die Telekom gar keine DSL-Leitungen anbieten, die den Namen verdienen. Nicht umsonst hat das Land die Breitbanderschließung gefördert. Für dieses bisherige DSL-light gibt es meist Sonderkündigungsfristen. Andere Kunden haben bisher nur Telefonverträge mit den großen Anbietern. Die würden in einem solchen Fall weiterlaufen. Und wir könnten parallel mit DSL versorgen. Im Übrigen erinnere ich daran, dass wir bereits im August auf öffentlichen Veranstaltungen in der Hohen Börde die Bürger darauf hingewiesen haben, dass sie genau auf ihre Kündigungsfristen bei ihren bisherigen Anbietern achten sollen. Wir haben damals auch versprochen, das wir bis zum August 2013 Leitungen für die Kunden freihalten, die an ihre alten Verträge gebunden sind und diese innerhalb dieses einen Jahres fristgemäß kündigen müssten. Das Angebot gilt weiter.

Volksstimme: Wie erklären Sie sich, dass trotz Marktversagens plötzlich Telekom und Andere in einigen der fünf Ortschaften mit DSL-Offerten werben?

Riedel: Wir haben nun mal Wettbewerb. Ich weiß nicht, was das für eine Breitband Anbindung ist. Ich würde mir die darin enthaltenen DSL-Pakete sehr genau anschauen.