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Unfallgefahr Noch mehr heikle Punkte an Kreiseln

Rund um Kreisverkehre sind augenscheinlich noch weitaus mehr Details und Vorschriften zu beachten, als vielen Autofahrern klar ist.

Von Dennis Lotzmann 01.08.2017, 11:08

Halberstadt/Quedlinburg l Hand aufs Herz: Wer kennt die „Spielregeln“ an Kreisverkehren bis ins allerletzte Detail? Es scheint, dass hier – einerseits – bei zahlreichen Verkehrsteilnehmern Defizite bestehen. Diese Vermutung lässt sich zumindest aus Beobachtungen vor Ort an Kreiseln ableiten. Andererseits gibt es Experten, die die Details kennen und sich nach der kürzlichen Berichterstattung der Volksstimme sofort kritisch zu Wort gemeldet haben. Die Volksstimme hatte am vergangenen Mittwoch, 26. Juli, unter der Überschrift „Heikle Situationen an Kreiseln“ versucht, den Blick auf problematische Konstellationen an Kreisverkehren zu lenken. Und dabei ist der Redaktion eine Unkorrektheit durchgerutscht. Eine, die unterm Strich ein Fazit zulässt: Das Miteinander von motorisierten Verkehrsteilnehmern und Passanten ist noch viel komplizierter und birgt Gefahrenpotenzial.

Ausgangspunkt der Volksstimme-Recherche war ein Unfall am Kreisel in der Quedlinburger Kaiser-Otto-Straße. Dort hatte im Juni ein Autofahrer einen Passanten angefahren, der gerade den Fußgängerüberweg (Zebrastreifen) passierte. Der Mann – ein Belgier – wurde dabei verletzt.

Daraus leitete sich die Grundfrage ab, ob mit einem Zebrastreifen unmittelbar an der Aus- und Einfahrt eines Kreisels nicht unnötig viel Konfliktpotenzial auf einen Punkt konzentriert wird und es nicht besser sei, Kreisel und Fußgängerübergang räumlich beispielsweise 15 bis 20 Meter zu trennen. So könnten abrupte Bremsmanöver – und damit Rückstaus in den Kreisel hinein und schlimmstenfalls Unfälle – vermieden werden.

Zugleich hatte die Volksstimme bei der Recherche, bei der auch die Polizei zu Wort kam, zwischen Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen) und einfachen Querungspunkten unterschieden. Schlussfolgerung dabei: Während der Passant auf dem Zebrastreifen in jedem Fall Vorrang hat, muss er bei einem „einfachen“ Querungspunkt ohne Zebrastreifen den Autos den Vorrang einräumen. Das aber ist falsch.

Darauf haben nicht nur mehrere Leser hingewiesen, sondern im Nachgang auch Verkehrstechniker Uwe Raugust von der Polizei. Laut Paragraph neun, Absatz drei, der Straßenverkehrsordnung müssen abbiegende Kraftfahrer Passanten Vorrang einräumen, selbst wenn diese nicht auf dem Zebrastreifen unterwegs sind.

Darauf hat nach dem ersten Volksstimme-Beitrag beispielsweise Leser Andy Großhennig hingewiesen: „Die Diskussion um den Fußgängerüberweg ist im Bezug zu dem Quedlinburger Unfall an der Ausfahrt des Kreisverkehres komplett hinfällig“, schreibt er. Denn das Verlassen eines Kreisverkehres sei nach Straßenverkehrsordnung ein Abbiegemanöver.

Und dabei müsse jedes Fahrzeug, welches einen Kreisverkehr verlässt, den Vorrang des querenden Verkehres (Fußgänger, Radfahrer und ähnliche) beachten. „Der Fußgängerüberweg spielt da überhaupt keine Rolle; jeder Fußgänger, auch der beschriebene Belgier, hat gegenüber den Autos, die den Kreisverkehr verlassen, Vorrang – mit und auch ohne Fußgängerüberweg“, betont Großhennig.

Darauf verweist auch Klaus-Peter Benseler. „Bei der Ausfahrt aus einem Kreisverkehr muss der Fahrzeugführer den Blinker betätigen. Also ist es einem Abbiegen gleichzustellen, und in diesem Fall muss der Vorrang von Fußgängern beachtet werden“, schreibt der Blankenburger.

Und das bestätigt Verkehrstechniker Uwe Raugust. „In beiden Fällen haben Passanten Vorrang, müssen Autofahrer bei Bedarf anhalten“, so der Polizeihauptmeister. Wobei die Situation wirklich kompliziert und letztlich „sogar etwas kurios ist“, wie der Verkehrsexperte betont.

Denn: Beim Verlassen eines Kreisels vollziehe der Kraftfahrer einen Abbiegevorgang und müsse blinken, sodass alle in Paragraph neun, Absatz drei, fixierten Vorgaben greifen. Anders hingegen beim Einfahren in den Kreisverkehr, was laut Raugust kein Abbiegevorgang ist: Hier müsse im Regelfall der Passant warten – es sei denn, er ist auf einem Zebrastreifen unterwegs.

Das wiederum lässt neue Problempunkte entstehen: Quert der Passant ausgangs eines Kreisels von rechts nach links (in Fahrtrichtung gesehen) eine Straße, hat er bis zur Mitte quasi den Vorrang vor den abbiegenden Autos. Anschließend muss er den einfahrenden Fahrzeugen aber den Vorrang einräumen, denn die Einfahrt in einer Kreisel ist nach Raugusts Worten eben kein Abbiegen. Gut beraten sei, wer dennoch stets die Vorgaben von Paragraph eins der Straßenverkehrsordnung mit der Prämisse Vorsicht und Rücksichtnahme im Blick habe und nicht auf sein Recht poche, so Raugust.

Darüber hinaus appelliert er an alle Verkehrsteilnehmer, Regeln wie das Blinken wieder stärker in den Blickpunkt zu rücken. „Wir stellen fest, dass kaum noch geblinkt wird.“ Das wiederum sorge nicht nur beim Verlassen von Kreiseln schnell für Irritationen, die vermeidbar seien.

Und noch einen Hinweis hat Raugust – diesmal an die Adresse von Passanten an Fußgängerüberwegen. Hier setze der Gesetzgeber Klarheit voraus. Soll heißen: Passant und Kraftfahrer müssen Sichtkontakt haben, damit der Autofahrer den Querungswunsch eindeutig erkennen kann.

So weit, so gut. Was aber bleibt mit Blick auf die Unfallkreuzung in Quedlinburg? Der Querungspunkt könne, schlägt Leser Volker Thurm aus Wernigerode vor, doch einige Meter vom Kreisel weg in die Kaiser-Otto-Straße verlegt werden, um den Konfliktpunkt zu entschärfen. „Passanten könnten mittels Geländer dorthin dirigiert werden.“

Thurm, der jüngst für 60 Jahre unfallfreies Fahren ausgezeichnet worden ist, appelliert an Fußgänger und Radler, sich korrekt zu verhalten: „Der Appell geht nicht nur an die Adresse der Autofahrer, sondern im eigenen Interesse auch an die der Fußgänger: Blickkontakt, Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme und nicht einfach blind und Smartphone lesend drüberlaufen.“