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Nach Corona Osterwiecker auf neuen beruflichen Pfaden unterwegs

Die Coronazeit hat die beruflichen Lebensläufe nicht weniger Menschen verändert. So auch bei Romy und Lars Kohn. Sie haben jetzt in Osterwieck unter einem Dach eine Naturheilpraxis und eine Physiotherapie eröffnet.

Von Mario Heinicke 11.12.2022, 09:17
Romy Kohn als Heilpraktikerin und Lars Kohn als Physiotherapeut haben neue berufliche Standbeine gefunden und unter einem Dach ihre Praxen eröffnet.
Romy Kohn als Heilpraktikerin und Lars Kohn als Physiotherapeut haben neue berufliche Standbeine gefunden und unter einem Dach ihre Praxen eröffnet. Foto: Mario Heinicke

Osterwieck - Die Osterwiecker kennen Romy und Lars Kohn vor allem als Fitnesstrainer. 2003 haben sie, aus Berlin kommend, das Fitnessstudio am Ziegeleiweg übernommen und diesem ihre ganz eigene Handschrift gegeben. Mit den heute in der Region bekannten modernen Tanzgruppen zum Beispiel. Schließlich kann der 49-Jährige auf eine Bühnentanz-Ausbildung sowie bis 1995 ein Engagement am Leipziger Opernhaus verweisen.

Aber er hatte auch in den Jahren zwischen Leipzig und Osterwieck eine Ausbildung zum Physiotherapeuten absolviert. Die ihm half für den stark nachgefragten Rehasport im Fitnessstudio sowie bei seinem Einstieg in die Therapie von Schmerzen, die von Spannungen der Muskeln und Faszien herrühren.

Romy Kohn hatte unterdessen vor sieben Jahren im Fitnessstudio schon mit der Ernährungsberatung begonnen. Auch dem Wunsch vieler Kunden im Studio geschuldet, an Körpergewicht abnehmen zu möchten. „Aber Abnehmen geht nicht losgelöst von gesunder Ernährung und Gesundheit“, sagte die 43-Jährige. Worauf sich weitere Ausbildungen aufbauten.

Jetzt ist Romy Kohn nach dreijähriger Ausbildung Heilpraktikerin, und sie hat sich auf Stoffwechselerkrankungen und Labordiagnostik spezialisiert. Nach arbeitsreichen Wochen des Ausbaus in einem benachbarten Gebäude haben beide nun ihre Praxen eröffnet.

Die Corona-Zeit hat nicht allein diese beruflichen Umorientierungen herbeigeführt, aber doch zumindest beflügelt. Als im März 2020 die Pandemie begann, wurde es in allen Fitnessstudios nahezu totenstill. Länger als andere Einrichtungen mussten sie geschlossen bleiben, und auch der Wiedereinstieg verlief nur äußerst vorsichtig und langsam. Für die Fitnessbranche bedeutete das ein Einbruch, der noch heute zu spüren ist.

Alles war verboten

Lars Kohn berichtete, dass ihn diese Zeit besonders zu schaffen gemacht habe. Weil er nichts mehr zu tun hatte. Auch keine Weihnachtsmärkte oder andere Veranstaltungen, bei denen er mit organisiert oder moderiert. „Ich stehe ja eigentlich immer unter Strom. Aber es war alles verboten.“

Für ihn bedeutete das den Wendepunkt, nach einer neuen, anderen Tätigkeit Ausschau zu halten. Seit 2014 Stadtratsmitglied, stellte er sich 2021 der Kandidatur als Bürgermeister. „Das war eine Herzenssache“, blickte er zurück. Lars Kohn gewann die Wahl nicht. Unabhängig von deren Ausgang war zu dem Zeitpunkt schon klar gewesen, dass er sich aus dem Fitnessstudio zurückziehen und seine Frau Romy fortan Chefin sein würde.

Den Neuanfang wagte Lars Kohn ab Januar 2022 in Halberstadt als angestellter Physiotherapeut. „Das war ein Sprung ins kalte Wasser“, sagte er. „Ich konnte mich aber frei schwimmen. Für mich war das auch eine Selbstbestätigung, dass ich es noch kann.“

Nun also arbeitet er in eigener Praxis in Osterwieck, bleibt aber an zwei Tagen in der Woche auch in Halberstadt tätig. Als Konkurrenten zu den bereits bestehenden Physiotherapeuten im Raum Osterwieck sieht er sich dabei nicht, eher als Entlastung für die Kollegen. Weil er weiß, mit welchen Wartezeiten es für Patienten verbunden ist, um einen Termin zu bekommen. Gefreut hat er sich deshalb, dass auch Vertreter von drei anderen Praxen aus der Umgebung zur Eröffnung gekommen waren.

Romy Kohn weiß, dass Heilpraktikern in Deutschland mitunter ein zweifelhafter Ruf vorauseilt. Drei Jahre hat sie studiert, in denen sie vor allem die medizinischen Grundlagen gelernt hat. „Ich habe Romy die letzten Jahre eigentlich nur lernen gesehen“, schilderte Lars Kohn. Dass die Ausbildung zum Heilpraktiker „nicht ohne“ ist, unterstreicht nach Einschätzung von Romy Kohn die Statistik, dass von 100 Prüfungsanwärtern nur 15 die Prüfung auch bestehen.

Fitnessstudio bleibt

Nach ihrer Überzeugung könnten sich Schulmedizin und Heilpraktik ergänzen. Dass sie sich auf Stoffwechselerkrankungen und Labordiagnostik spezialisiert hat, führte Romy Kohn auf ihre früheren Erfahrungen in der Ernährungsberatung zurück. „Patienten berichteten mir oft, wie sie sich in Arztpraxen bestimmte Blutwerte erkämpfen mussten. Oder auch gar nicht bekamen, selbst wenn sie es privat bezahlen wollten.“ Blutwerte, um Stoffwechselstörungen und damit Ursachen von Leiden auf den Grund gehen zu können. „Auch eine Depression oder Neurodermitis können durch Stoffwechselstörung hervorgerufen werden.“ Um das Blut ihrer Patienten zu analysieren, arbeitet Romy Kohn nun mit einem darauf spezialisierten Labor zusammen.

Unabhängig von den neuen Tätigkeiten wird das Osterwiecker Fitnessstudio wie bisher weiterarbeiten. Die vier Trainer werden nur vielleicht öfter mal ohne Chefin vor Ort sein.