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Prozess Teuer erkaufter Freispruch in Blankenburg

Fünf Jahre nach einem Unfall mit einen Feuerwehrfahrzeug in Blankenburg hat Stadtratsvorsitzende Birgit Kayser (CDU) ihr Ziel erreicht.

Von Dennis Lotzmann 30.10.2018, 00:01

Blankenburg/Magdeburg l Eigentlich kann Birgit Kayser aufatmen. Die Richter der 10. Zivilkammer am Landgericht Magdeburg haben ihr attestiert, dass sie am folgenschweren Crash mit einem Löschfahrzeug der Blankenburger Feuerwehr am 15. Januar 2013 keine Schuld trifft. Landgerichtssprecher Christian Löffler hat entsprechende Informationen der Volksstimme inhaltlich und ohne Nennung eines konkreten Namens bestätigt.

Die Klägerin (Birgit Kayser), damals mit einem Skoda Superb in der Michaelsteiner Straße in Richtung Friedensstraße unterwegs, habe das von rechts aus der Neuen Halberstädter Straße (B 81) nahende Einsatzfahrzeug, das mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs war, nicht rechtzeitig bemerken und reagieren können. Folglich, so die Zivilkammer, falle die Schuld dem Mann am Steuer des Löschfahrzeugs zu.

Da der grundsätzlich nicht haftbar sei, sondern die Stadt als Träger der Wehr, müssten die Kommune und der Kommunale Schadensausgleich (KSA) als deren Versicherer, nun zahlen. Vorausgesetzt, das Urteil in der ersten Instanz vor dem Landgericht wird rechtskräftig. Dann darf Birgit Kayser mit mehreren tausend Euro rechnen.

Ob sie die Zahlungen allerdings in Gänze und auf Dauer für sich verbuchen kann, ist fraglich. Denn der Prozess hatte nicht nur wegen der Konstellation – Stadträtin und Stadtratsvorsitzende verklagt eigene Kommune – ziemlich skurrile Züge. Er hatte aus Sicht von Juristen klägerseitig auch handfeste handwerkliche Mängel. Und für die muss nun Birgit Kayser zahlen.

Die Kommunalpolitikerin holte seinerzeit nämlich zum juristischen Rundumschlag aus. Um ihre Unschuld vom Landgericht bestätigt zu bekommen, verklagte sie den Feuerwehrmann am Steuer des Löschfahrzeugs, Michael F., dazu den KSA und obendrein die Stadt Blankenburg.

Was unnötig gewesen wäre. Allein letztere, so Gerichtssprecher Christian Löffler, wäre als Träger der Wehr haftbar zu machen und damit korrekter Adressat jener Klage. Der freiwillige Feuerwehrmann könne laut Bürgerlichem Gesetzbuch nur bei einer Vorsatztat in Anspruch genommen werden. Was hier unstrittig nicht der Fall sein dürfte. Und der KSA – auch das hätte klägerseitig bekannt sein müssen – ist nur der Versicherer der Kommune.

Deshalb muss Birgit Kayser ihren grundsätzlichen Sieg vor Gericht mit Blick auf einige Details wohl ziemlich relativieren. Zwar hat sie laut Löffler Anspruch auf 7229,10 Euro Schadensersatz seitens der Kommune, gefordert waren 9400 Euro. Hinzu kämen mindestens 3000 Euro Schmerzensgeld bei geforderten 6000 Euro. Zugleich aber müsse sie nun sowohl dem KSA als auch dem Feuerwehrmann alle außergerichtlichen Prozesskosten erstatten. Weil letztere im Prozess die falschen Beklagten waren, dürfen sie finanziell kostenfrei nach Hause gehen.

Um welche Beträge es unterm Strich geht, ist unklar. Birgit Kayser war am gestrigen Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Klar ist aber: Schon beim Prozessauftakt im Sommer 2017 hatte die Klägerseite vor der Kammer für allgemeine Verwunderung gesorgt. Weil zunächst mit KSA und Feuerwehrmann nur die gänzlich falschen Adressaten verklagt worden waren. Allein aufgrund des Hinweises der Kammer, wonach diese beiden Beklagten kaum in Haftung genommen werden können, erweiterte Birgit Kayser ihre Klage auch auf die Stadt. Andernfalls hätte sie den Prozess wohl mit Pauken und Trompeten verloren.

Da sie zugleich aber die Klagen gegen Feuerwehrmann und KSA aufrecht hielt, kam es nun zum Ergebnis, das Gerichtssprecher Löffler schon damals skizziert hatte: Klagen gegen die falschen Adressaten können in aller Regel nur abgewiesen werden – mit den Kosten für die Unterlegenen.

Genau das ist nun eingetreten. Birgit Kayser muss die außergerichtlichen Prozesskosten für den KSA und den früheren Feuerwehrmann allein zahlen.

Und damit nicht genug: Alle übrigen Prozesskosten werden nur mit Blick auf Klägerin und beklagte Kommune relevant. Und hier gibt es nach Löfflers Worten per Urteil eine Quotierung: Ein Drittel muss Birgit Kayser als Klägerin tragen, zwei Drittel gehen zu Lasten der Kommune. Da wohl allein ein Gutachten mit rund 6000 Euro zu Buche schlägt, dürfte unterm Strich einiges zusammenkommen.

Ob das Urteil in der ersten Instanz jetzt rechtskräftig wird, bleibt abzuwarten. Nach Löfflers Worten ist eine Berufung beim Oberlandesgericht in Naumburg möglich.

Birgit Kayser blieb am gestrigen Montag unerreichbar. Die Stadt Blankenburg hat mit ihrer juristischen Vertretung den KSA bevollmächtigt. KSA-Sprecher Klaus Kocks lehnte mit Blick auf das schwebende Verfahren jeglichen Kommentar ab. „Wir warten die schriftliche Urteilsbegründung ab und entscheiden dann.“

Bleibt abschließend die Frage, was der Mann am Steuer des Löschfahrzeugs aus Sicht des Gerichts hätte machen müssen, um nun straffrei zu bleiben.

Grundsätzlich, erinnert Gerichtssprecher Löffler, dürften Fahrer von Einsatzfahrzeugen nicht blindlings darauf vertrauen, dass sie trotz roten Ampellichts Vorfahrt hätten. „Sie müssen sich davon überzeugen, dass sie von allen anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen worden sind und diese sie passieren lassen.“

In der Realität könne das bedeuten, dass sich Feuerwehrfahrzeuge, aber auch Einsatzfahrzeuge von Polizei und Rettungsdienst mit Blaulicht und Martinshorn in eine unübersichtliche Kreuzung hineintasten müssen.

Ein Grundsatz, der auch an der betroffenen Kreuzung in Blankenburg relevant gewesen sein könnte. Birgit Kayser kam die Michaelsteiner Straße herunter, die Sicht zur Neuen Halberstädter Straße (B 81) ist von einem Haus verdeckt. Dort war das Löschfahrzeug unterwegs, um zu einem Brand mit eingeschlossener Person zu fahren.

„Das Löschfahrzeug war laut Gutachter mindestens 30 Kilometer pro Stunde schnell“, so Löffler. Und: „Die Klägerin konnte das Löschfahrzeug erst 1,5 Sekunden vor dem Aufprall wahrnehmen – das war zu knapp, um noch zu reagieren. Dass sie das Martinshorn hätte früher hören müssen, konnte nicht bewiesen werden.“

Und an noch einen Punkt erinnert Löffler: Geht es da­rum, im Straßenverkehr besondere Rechte wahrzunehmen, müssen Blaulicht und Martinshorn bei Einsatzfahrten stets gemeinsam eingesetzt werden.