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Schüler-Musical Udo Lindenberg: Deutschrocker mit Stifterherz

Udo Lindenberg steht nicht nur für tolle Musik und grandiose Konzerte, sondern engagiert sich als Stifter für Benachteiligte und Schwache.

Von Dennis Lotzmann 19.11.2017, 08:02

Halberstadt l Wenn es um die Sache geht, ist Udo Lindenberg voller Energie. So, wie er mit seiner Panikfamilie Konzerte oder Kreuzfahrten mit geradezu pendantischem Anspruch zum perfekten und unvergesslichen Erlebnis macht, nutzt er auch jede Gelegenheit, um seine Stiftung zu unterstützen.

So auch am Mittwochabend. Nachdem der 71-Jährige als Gast im Halberstädter Theater einen Probedurchlauf des Schüler-Musicals „Hinterm Horizont macht Schule“ verfolgt und anschließend voller Begeisterung mit den jungen Hauptdarstellern die Bühne gerockt hat, greift er wenig später zu Stiften und schlüpft in seine zweite Passion, die Malerei. Hinter der Bühne zaubert die „Nachtigall“ mit dem Hang zu hochprozentigen mit Likör gemalten Likörellen ein neues Auftakt-Bild für das Musical. Prangte dort bei der Probe noch ein Opening-Bild, das von der Berliner und Hamburger Musical-Fassung stammt, dürfen sich die Besucher der beiden Aufführungen Mitte kommender Woche über ein regionales Motiv aus Udos Feder freuen: Ganz Lindenberg-Typische Hexen, die über den Blocksberg düsen.

Mit Udo Lindenbergs Besuch in Halberstadt, der mit einem gemeinsamen Auftritt des Rockers mit den Jugendlichen auf der Bühne gekrönt wurde, und der spontanen Malaktion blieb der Rocker seinem Motto treu: Wann immer er von einer Sache überzeugt ist, unterstützt er sie mit ganzen Kräften. Das Projekt der Harzer Schüler ist dabei nur einer von vielen Bausteinen der Udo-Lindenberg-Stiftung.

Die hob der Rock-Lyriker 2006 aus der Taufe. Inspiriert wurde er dabei von Hermann Hesse – einem Quer- und Freidenker, der von 1877 bis 1962 lebte und dem Udo seit Jahrzehnten ganz besonders nahe steht. „Hermann Hesse ist mir wesensverwandt und war mit seiner Literatur schon immer ein starker Inspirator und Impulsgeber für mich“, verrät der Rocker. Sowohl textlich als auch musikalisch gebe es viele Parallelen zu seinen Liedern.

Letztlich war ein Besuch in Hesses Geburtsstadt Calw die Initialzündung, um die Stiftung zu gründen und Hermann Hesse dabei der An-Stifter schlechthin. Damit will Udo Leben und Werk des großen Meisters mit moderner Musik verbinden und Brücken bauen. Die Sparkasse Pforzheim-Calw ist dabei Partner und erfreut, dass Udo Lindenberg so Hermann Hesses Dichter-Feuer weiter trägt.

Mit der kulturpolitischen Stiftung engagiert sich Lindenberg als Brückenbauer und Türöffner für junge Nachwuchsmusiker und Bands. Namen wie Clueso, der Udos „Cello“ coverte, Frida Gold, Gentleman oder Daniel Wirtz stehen dabei exemplarisch für viele andere. Um jungen Nachwuchsmusikern, die ebenso wie Lindenberg auf die Lyrik der deutschen Sprache setzen, eine Chance zu geben, wird im zweijährigen Turnus in Hermann Hesses Geburtsstadt der Panikpreis ausgelobt.

Das Ansinnen dieses musikalischen Wettstreits deckt sich mit Udos persönlichem Anspruch: Nachdenken, als Individualist auch mal querdenken und anecken, aber keinesfalls im grauen Mainstream mitschwimmen. Udo Lindenberg und Hermann Hesse, die jenseits aller Konventionen stets ihren eigenen Weg gingen, sind Vorbild und Motivation zugleich.

Wobei gerade Udo Lindenberg mit seiner geradlinigen Haltung Zeichen gesetzt hat. Als sich viele im Westen längst mit der innerdeutschen Teilung und der Zementierung der Mauer abgefunden hatten, ließ er nichts unversucht, um das Bollwerk als „Vorreiter-Mauerspecht“ löchriger zu machen.

Unvergessen sein Ringen mit DDR-Staatschef Erich Honecker, um eine Konzerttournee in der DDR. Gitarre, Lederjacke und Schalmei wechselten die Besitzer, schließlich „tütete“ Udos Manager, der Konzertveranstalter Fritz Rau, die Tournee ein. Weil die DDR-Oberen für „Rock für den Frieden“ im Palast der Republik unbedingt Harry Belafonte haben wollten, stellte Fritz Rau die Weichen – allerdings gab‘s Belafonte nur im Doppelpack mit Udo und auch nur unter der Bedingung, dass Udo anschließend eine Tournee durch den Arbeiter- und Bauern-Staat bekommt. Was „Lindi“ freilich nicht daran hinderte, vor ausgewähltem Publikum im Palast gewohnt klare Worte zu finden: „Nirgendwo wollen wir auch nur eine einzige Rakete sehen: keine Pershing und keine SS 20! Weg mit dem Raketenschrott“, lautete seine Botschaft an Ost und West, mit der er sich seine DDR-Tour im wahrsten Sinne des Wortes zerschoss.

Auch deshalb engagiert sich Udo heute gegen das Vergessen. Auf dass sich Schüler und Jugendliche, die die DDR nur noch vom Hörensagen kennen, mit diesem Thema selbst auseinandersetzen. Und deshalb unterstützt er das Schüler-Musical-Projekt, das nun zweimal und mit zwei Besetzungen vor ausverkauftem Haus in Halberstadt zu erleben sein wird, nicht nur persönlich, sondern eben auch mit seiner Stiftung.

Ihm gehe es dabei auch darum, den Jugendlichen soziale Kompetenzen zu vermitteln. „Einmal auf der Bühne zu stehen, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen und dabei über sich selbst hinauszuwachsen, ist doch was ganz Großes“ so der Künstler. Nach der umjubelten Medienpremiere, der viele Mitschüler und Lehrer beiwohnten, zeigte sich Udo total „geflasht“ und zollte den Akteuren seien absoluten Respekt. „Das gab‘s bisher zweimal, aber das hier hat alles übertroffen, absolut mega“, sagte Udo Lindenberg mit Blick auf die vorherigen Projekte in Leipzig und Greifswald.

Und – Udo ist und bleibt ein nahbarer Star: Er ließ es sich nicht nehmen, mit den Jugendlichen, die zuvor im 90minütigen Stück über sich selbst hinausgewachsen waren, die Bühne zu rocken: „Ich mach‘ mein Ding“ und „Hinterm Horizont“ rissen selbst den letzten Zuschauer vom Sitz.

Der tosende Applaus galt dabei nicht nur den jungen Schauspielern, sondern auch den Machern hinter der Bühne, die die Bilder gestaltet, und Einspielervideos produziert hatten oder für die Kostüme verantwortlich waren. Und natürlich Regisseurin Elisabeth Engstler und dem musikalischen Leiter Noah Fischer, einem Pustefix-Bläser auf dem Saxophon in Udos Panikorchester.

Udo Lindenberg ist derweil schon wieder rastlos unterwegs, um neue Projekte und Ideen zu verwirklichen. Als Musiker mit Standpunkt und Stifter mit Herz. Neben Nachwuchsmusikern und Schul-Projekten ist er auch international unterwegs, unterstützt beispielsweise den Bau eines Waisenhauses und dessen Wasserversorgung in Kenia. Nachhaltige Projekte und Hilfe ist dabei sein Ziel.

Und das Motto ist und bleibt klar: Der Künstler, der in 71 Lebensjahren viele Höhen erlebt hat, aber auch in Niederungen herabgestiegen ist, braucht keinen „Plan B“, bleibt sich und seinen Idealen treu. Die Zuschauer, die kommende Woche in den Genuss kommen, ein Ergebnis von „Plan A“ zu erleben, werden ihm wohl eines wünschen: Noch ganz lange ganz viel Kondition dafür.