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Finanzielles Desaster mitten im Jubiläumsjahr / Abgeordnete wollen Zeichen setzen / Erste Konsequenzen angekündigt Schwanebecker Stadtrat sagt Nein zum Sparzwang

Von Dennis Lotzmann 25.04.2012, 05:23

Im 950. Jahr ihres Bestehens steht die Stadt Schwanebeck vor einem finanziellen Desaster: Im Haushaltsplan klafft ein Loch von rund 1,1 Millionen Euro. Da die Stadträte das vorliegende Konsolidierungsprogramm nicht beschlossen haben, bleibt es bei der vorläufigen Haushaltsführung.

Schwanebeck/Nienhagen l Die Schwanebecker Stadträte sind offenkundig wild entschlossen, Zeichen zu setzen und ihren Protest gegen die finanzielle Ausstattung der Kommune klar und deutlich zu artikulieren: In der Sitzung des Stadtrates wurde das von der Verwaltung ausgearbeitete Sparprogramm (Konsolidierungsprogramm) im zweiten Anlauf mit klarer Mehrheit abgelehnt.

Damit bleibe auch der bereits im März verabschiedete Haushaltsplan Makulatur, skizziert Verwaltungskämmerer Ulrich Strümpel die Konsequenz: "Der Haushaltsplan ist aufgrund des bestehenden Defizites nur mit einem Konsolidierungsprogramm genehmigungsfähig. Weil das Konsolidierungsprogramm fehlt, bleiben wir in der vorläufigen Haushaltsführung. Und das bedeutet, dass freiwillige Ausgaben nicht mehr möglich sind."

Ein Fakt, der im Jubiläumsjahr der 950-Jahr-Feier von Schwanebeck besonders heftig durchschlagen und nicht spurlos an der Stadt vorbeigehen dürfte. Nach Strümpels Worten umfasst das Fest-Budget rund 25 000 Euro. Davon sollen nach den bisherigen Planungen 3 000 Euro aus dem städtischen Säckel kommen. Bleibt es beim Nein der Stadträte zum Konsolidierungsprogramm, ist dieser freiwillige kommunale Zuschuss nicht möglich.

"Ich persönlich bin nicht länger bereit, auf Teufel komm raus zu sparen und die Bürger weiter zu schröpfen."

Hans-Richard Wegner (CDU)

Eine erste Konsequenz aus der Ratssitzung am Montagabend ließ Bürgermeisterin Christina Brehmer (Die Linke) gestern bereits verbreiten: Die für Montag in Schwanebeck und im Ortsteil Nienhagen geplanten Fackelumzüge wurden abgesagt.

Mit dem mehrheitlichen Nein zum Sparprogramm, dem letztlich nur zwei Stadträte zustimmten, verbinden die gewählten Volksvertreter in allererster Linie ein Signal des Protestes: "Ich persönlich bin nicht länger bereit, auf Teufel komm raus zu sparen und die Bürger weiter zu schröpfen", sagt beispielsweise Hans-Richard Wegner von der CDU-Fraktion. Das Land spare sich auf dem Rücken der Kommunen gesund, indem die Zuweisungen mehr und mehr gekürzt würden. Und diesen Weg wolle er nicht weiter mittragen.

In der Tat lassen sich die finanziellen Eckdaten, die Kämmerer Ulrich Strümpel präsentiert, mit dem Wort "desaströs" wohl am besten beschreiben: Bis 2011 habe die Stadt rund 700 000 Euro Schulden aufgetürmt, in diesem Jahr kämen rund 400 000 Euro neu hinzu. Der Grund dafür sei unter anderem die Rotstiftpolitik des Landes: Mit dem Wegfall des Status als Grundzentrum sei der Verlust von 111 000 Euro an Zuweisungen verbunden. Hinzu komme das Finanzausgleichsgesetz, das ebenfalls massiv zu Buche schlage. Während 2011 noch 569 000 Euro Zuweisungen nach Schwanebeck flossen, sanken die Zuflüsse in diesem Jahr auf 352 000 Euro. "Und im Gegenzug steigen die Kreis- sowie die Verbandsumlage zusammen um 78 000 Euro", bilanziert der Kämmerer anhand der Zahlen.

"Angesichts dieser Rahmenbedingungen können wir machen, was wir wollen - wir kommen einfach nicht auf einen grünen Zweig", sagt Wegner und spricht damit augenscheinlich für das Gros der Stadträte. Eine Prognose, die Finanzer Strümpel wiederum mit Zahlen zu unterlegen weiß: "Wir haben riesige Fehlbeträge, die zu gravierenden Einschnitten führen werden." Und Schwanebeck habe bis 2020 keine Chance, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. "Folglich wird sich die Verschuldung bis dahin auf rund zwei Millionen Euro summieren", wagt der Kassenwart einen vorsichtigen Blick in die Zukunft.

Im Hier und Heute stellt sich indes die Frage, wie die Stadt und die Verwaltung nun mit der aktuellen Situation umgehen. Verwaltungschefin Ute Pesselt (Wählergruppe "Bürger unseres Kreises ohne Parteibuch"/Buko) will sich dem Vernehmen nach mit der Kreisverwaltung kurzschließen, um über weitere Schritte zu beraten. Eigentlich, meint Strümpel mit Blick auf die Gemeindeordnung, müsste Bürgermeisterin Brehmer dem Ratsbeschluss widersprechen.

"Nach allen Prognosen wird sich die Verschuldung von Schwanebeck bis 2020 auf zwei Millionen Euro summieren."

Verwaltungskämmerer Ulrich Strümpel

Dann aber dürfte sich die Hängepartie nur fortsetzen. Denn es ist alles andere als wahrscheinlich, dass die Stadträte dann von ihrem Protestsignal Abstand nehmen würden. "Mit dem Konsolidierungsprogramm ist endgültig Feierabend, dann wird es in Schwanebeck zappenduster", meint Wegner und empört sich: "Das Land ist in wenigen Jahren schuldenfrei und bei uns geht das Licht aus."

Deshalb sei Bürgermeisterin Brehmer auch vom Stadtrat aufgefordert worden, Kontakt zum Land aufzunehmen. Zudem hoffen Wegner und andere Stadträte, dass weitere Kommunen dem Schwanebecker Beispiel folgen und sich dem Protest gegen die Landespolitik anschließen.

Wie Bürgermeisterin Christina Brehmer den aktuellen Stand beurteilt, blieb gestern offen. Sie war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.