1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Unterricht für Flüchtlinge

Tasse Kaffee Unterricht für Flüchtlinge

Die Schülerinnen Romy Hille und Michelle Neuwohner aus Osterwieck helfen Flüchtlingen. Sie geben Deutschunterricht.

Von Mario Heinicke 30.07.2016, 15:01

Osterwieck l Romy Hille und Michelle Neuwohner haben in Dardesheim gerade ihr Abschlusszeugnis für die zehnte Klasse erhalten und geben nun selbst Unterricht. Erst 17 bzw. 16 Jahre alt sind die beiden Osterwieckerinnen, ihre Schüler meist älter. In der Ilsestadt treffen sie sich in der Begegnungsstätte „neues wohnen“ zweimal in der Woche mit hier wohnenden Flüchtlingen, um ihnen die ersten Deutschkenntnisse beizubringen, bevor sie an einem Integrationskurs in Halberstadt teilnehmen.

Erstes Deutsch, das ist vor allem das Alphabet, sind Artikel und einfache Wörter. Dass sie sich dabei an ihre Grundschulzeit erinnern, bekennt Michelle Neuwohner bei einer Tasse Tee (Kaffee mögen die Mädchen nicht). „Das ist erste bis dritte Klasse.“

Und doch ist es noch etwas anders, ja schwieriger. Denn ihre „Schüler“ verstehen auch akkustisch kaum Deutsch, je nach Herkunftsland mitunter nicht mal Englisch. Und trotzdem klappt es mit der Verständigung.

Romy Hille und Michelle Neuwohner leisten ihre Tätigkeit freiwillig. Nach den Prüfungen an ihrer Schule hatten sie einige freie Zeit. „Die wollten wir nicht nur mit Rumsitzen verbringen.“ Also meldeten sie sich beim Diakonischen Werk, das die Flüchtlingsbetreuung in Osterwieck organisiert und bekamen so ihre Aufgabe.

Dass sie helfen wollen, war keine plötzliche Eingebung. „Helfen tue ich schon immer“, sagt Michelle Neuwohner. „Zum Beispiel wenn Hunde einen Babysitter benötigen.“ Den Flüchtlingen stehen sie – trotz mancher Vorbehalte in der Bevölkerung – aufgeschlossen gegenüber. „Ich denke, es sind eher die Älteren, die Zweifel haben. Wir Jugendlichen haben keine Probleme“, sagt Michelle Neuwohner. Und ihre Freundin berichtet von einem Flüchtling, der in der Dardesheimer Schule ist. Auch da habe es nie Probleme gegeben.

„Wir haben mit den Flüchtlingen in Osterwieck stundenlang geredet, gefragt, was sie früher gemacht haben, wie sie hergekommen sind“, berichtet Romy Hille. Auch ein selbstgemachtes Video eines Flüchtlings aus dessen zerstörter Heimatstadt haben sie gesehen. „Das hat uns schockiert.“

Mit den in Osterwieck lebenden Flüchtlingen kommen sie gut aus, am einstündigen Unterricht nehmen meist um die fünf Schüler teil, denn einige sind schon beim Kurs in Halberstadt. Die Flüchtlinge seien aufgeschlossen, nur mit einem Charakterzug werden die Mädchen nicht so recht glücklich: „Sie kommen nie pünktlich zum Unterricht, immer zehn Minuten zu spät“, sagt Michelle Neuwohner. „Aber das nehme ich ihnen nicht übel. Es ist halt ihre Mentalität, während der Deutsche immer fünf Minuten vorher da ist.“

Vorerst bis Ende August werden Romy Hille und Michelle Neuwohner ihr Ehrenamt noch ausüben, dann beginnen sie ein Freiwilliges Soziales Jahr im Harzklinikum mit dem Ziel, anschließend eine Ausbildung zu Krankenschwestern aufzunehmen. Um weiter helfen zu können.