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Tierschützer warnen Tiere sind keine Überraschungsgeschenke

Tierschützer aus Halberstadt und Derenburg raten eindringlich davon ab, Tiere zu Weihnachten zu verschenken - trotz voller Tierheime.

Von Jens Müller 17.12.2018, 00:01

Halberstadt/Derenburg l Fast 40 Samtpfoten warten derzeit im Halberstädter Katzenhaus auf ein neues Zuhause – doch sie müssen sich gedulden. „Wie alle seriösen Tierschutzvereine vermittelt auch der Tierschutzverein Halberstadt keine Tiere als Weihnachtsgeschenke“, betont Waltraud Hammer, die Vorsitzende des Vereins.

Zu groß sind die Befürchtungen, dass der Herzenswunsch schnell zur Last wird. Tiere sind kein Pullover oder Spielzeug, das bei Nichtgefallen schnell wieder umgetauscht werden kann, sondern eine Verpflichtung. „Eltern sollten sich bewusst sein, dass ein Kind nicht allein die Verantwortung für ein Haustier übernehmen kann und darf“, sagt Waltraud Hammer. Sie empfiehlt daher, sich immer gründlich und vor allem gemeinsam auf ein mögliches neues Familienmitglied vorzubereiten.

Sie lädt alle, die sich einen Schmusetiger zu Weihnachten wünschen, dass Katzenhaus in den Spiegelsbergen zu besuchen, um die Tiere kennenzulernen. Denn natürlich sei es der Wunsch der Halberstädter Tierschützer, die Katzen in ein neues Zuhause zu vermitteln. Aber nicht als spontanes Geschenk. „Wir möchten, dass die Familien gut auf ihr neues Mitglied vorbereitet sind und wissen, worauf sie sich einlassen.“ Deshalb rät sie Interessierten dazu, Lektüre zur Tierhaltung oder geeignetes Heimtierzubehör zu den Festtagen zu verschenken.

Seit einigen Jahren bietet die Fundtierunterkunft in Halberstadt zudem Gutscheine für Katzen an, die nach den Feiertagen im Januar eingelöst werden können. „So ein kleiner Vierbeiner sollte bei Ihnen erst einziehen, wenn der Feiertagstrubel vorbei ist und Sie Zeit für ihn und seine Bedürfnisse haben“ erläutert Waltraud Hammer. Besuch, blinkende Dekoration, Terminstress und vielleicht noch ein bärtiger Mann, der Geschenke bringt – das sei für ein Tier, das sich in einer neuen Umgebung befindet, einfach zu viel.

Zumal die Vierbeiner, die vom Tierschutzverein betreut werden, oft schon harte Schicksale hinter sich haben. So sind viele der Katzen, die gerade in der Einrichtung leben, noch sehr jung. Sie wurden als Welpen gefunden – achtlos in einem Karton am Straßenrand abgestellt, berichtet Waltraud Hammer. In Pflegefamilien wurden die Katzenkinder mit der Flasche aufgezogen. Erst vor knapp zwei Wochen waren sie soweit aufgepäppelt, dass sie in das Katzenhaus zurückkehren konnten. „Alle sind menschenbezogen und sehr liebenswert. Wir hoffen, dass wir sie ab Anfang des neuen Jahres in gute Familien vermitteln können.“

2018 ist dem Tierschutzverein das mit 118 Katzen gelungen. Zudem konnten sechs Hunde der Fundtierunterkunft in ein neues Zuhause umziehen. „Sieben Hunde hoffen noch auf neue Herrchen und Frauchen“ – aber erst nach den Feiertagen.

Auch die Mitarbeiter des Tierschutzvereins Derenburg, Blankenburg und Umgebung haben einen Vermittlungsstopp für die aktuell 46 Katzen und 22 Hunde aus dem Tierheim ausgerufen. „Um eine unüberlegte Anschaffung eines Haustieres zu verhindern“, sagt Tierheim-Chefin Dagmar Fichtner. „Es gibt jedes Jahr das Drama, dass Haustiere als Weihnachtsgeschenke unüberlegt unter dem Weihnachtsbaum zu finden sind.“ So gab es in den Vorjahren sogar am heiligen Abend selbst noch Nachfragen nach einem Hund oder Kätzchen – quasi als Last-Minute-Geschenk.

„Nach den Feiertagen oder spätestens zur Urlaubszeit merken plötzlich einige Menschen, dass ein Tier Arbeit macht, man über viele Jahre Verantwortung hat und das es auch Geld und Zeit kostet“, berichtet Dagmar Fichtner vom Tierheim in Derenburg.

Auch sie rät denjenigen, die sich für ein Tier interessieren, nach dem Feiertagsstress in Ruhe darüber nachzudenken. „Welches Tier passt zu mir oder uns? Kann ich über viele Jahre hinweg für ein Tier sorgen?“, sind Fragen, die vor einer Anschaffung geklärt werden sollten. „Tiere kosten Geld, Liebe, Zeit und viel Verantwortung. Wenn alle Familienmitglieder einverstanden sind, man auch Lösungen findet, was ist, wenn das Tier erkrankt, wohin zur Urlaubszeit, darf ich vom Vermieter aus ein Tier halten und so weiter, dann kann man sich in Ruhe nach einem Vierbeiner umschauen.“

Wie die Tierheim-Chefin betont, versuchen sie und ihr Team den Tieren die Feiertage so angenehme wie möglich zu machen. „Natürlich gibt es zu Weihnachten zusätzlich mehr Streicheleinheiten und das eine oder andere Leckerli mehr“, sagt Dagmar Fichtner. „Wir haben auch viele liebe Tierfreunde, die das ganze Jahr über zum Gassigehen kommen und uns mit Geld und Sachspenden unterstützen. Jetzt zur Weihnachtszeit spüren wir das besonders und freuen uns sehr darüber.“