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Tierschutz Naturpark fliegen die Stare fort

Dem Naturpark Harz fliegen die Stare fort. Das beklagt dessen Leiter Klaus George und liefert den Beleg.

Von Ingmar Mehlhose 02.02.2018, 14:00

Güntersberge/Quedlinburg l „Die Vogelwelt im Naturpark ist gefährdet“, sagt Klaus George. Der Geschäftsführer des Regionalverbandes Harz in Quedlinburg nimmt eine jüngst verbreitete „scheinbar gute Nachricht“ des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) zum Anlass für seine Einschätzung. Dieser hatte verkündet, an einem einzigen Januar-Wochenende in einer Stunde pro Garten 39 Piepmätze gezählt zu haben, fünf mehr als vor einem Jahr.

George pickt sich den vom NABU zum Vogel des Jahres 2018 gekürten Star heraus, um zu zeigen, das fröhliches Tirilieren völlig fehl am Platze ist. Der kleine Sänger sei im Moment nur selten zu beobachten, da er meist in Südeuropa überwintert und in der Regel erst ab Februar wieder in hiesige Gefilde einfliegt. Schwärme der Heimkehrer könnten dann den Eindruck erwecken, es gebe viele davon.

Der Ornithologe: „Doch erst, wenn die Vögel verpaart und im Brutgebiet verteilt sein werden, lassen sich seriöse Bestandszahlen ermitteln.“ Auf einer 52 Hektar großen Kontrollfläche im Naturpark Harz geschehe dies seit 1993. Der Parkchef: „Das Ergebnis sollte zu denken geben.“ Seien beispielsweise 1996 noch 14 besetzte Bruthöhlen gezählt worden, so hätten 2017 nur noch zwei registriert werden können. Aus Sicht des Naturschutzes sei dies eine Besorgnis erregende Entwicklung.

George: „Die Untersuchungen bei Güntersberge haben jedenfalls gezeigt, dass es keinen Mangel an Brutplätzen gibt.“ Viele einstmals genutzte Baumhöhlen seien im Laufe der Jahre schlichtweg leer geblieben.

Um sich mit Futter versorgen zu können, müssten die Stare aus dem Wald hinaus ins offene Land fliegen. Anfangs würden sie dort auf Wiesen und Äckern noch fündig. Der Experte: „Doch wenn etwas später die Jungvögel anfangen, um Nahrung zu betteln, hat sich die Fläche drastisch verkleinert, auf der ein Star Insekten finden könnte.“

Als Folge der Klimaerwärmung werde längst auch in höheren Lagen Wintergetreide angebaut. Dies, mehr Vegetationstage und in der Landschaft zunehmend zur Verfügung stehender Stickstoff hätten zur Folge, das Gras auf Wiesen und Weiden beziehungsweise Getreide und Raps auf den Feldern sehr früh hohe und dichte Bestände bilden.

George: „Auf solchen Flächen hat der Star keine Chance mehr, mit seinem spitzen Schnabel erfolgreich nach Nahrung zu stochern.“ Rinder, deren Zahl seit Anfang der 1990er Jahre im Naturpark Harz ebenfalls stark gesunken sei, würden überwiegend auf sogenannten Portionsweiden gehalten. Dabei entstünden die kleinen, zeitweilig vorhandenen Rettungsinseln mit kurzer Vegetation, die den wenigen verbliebenen Brutpaaren des Stars außerhalb der Ortschaften das Überleben und die erfolgreiche Aufzucht ihrer Jungen sichern.

Der Naturschützer: „Am Beispiel des Vogels des Jahres wird deutlich, dass auch in den Wäldern brütende Arten in hohem Maße davon betroffen sind, wie heute Landwirtschaft betrieben wird.“ Nistkästen und Winterfütterung seien jedenfalls nicht die Rettung der Stare. Klaus George: „Gebraucht wird mehr weidendes Vieh und eine größere Vielfalt angebauter Fruchtarten, darunter auch Sommergetreide wie Hafer und Braugerste. Oder Ackerfutter wie zum Beispiel Klee.“