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Vatertag Prügeleien, Parolen, Platzverweise

Die erste Gelegenheit, kollektiv in der Corona-Zeit zu feiern: der Vatertag. So lautet die Bilanz von Behörden und Polizei im Harz.

Von Sandra Reulecke 23.05.2020, 01:41

Landkreis Harz l „Gefühlt gab es mehr zu tun als in den Vorjahren“, resümiert Nadine Sünnemann, Sprecherin der Polizei, des Geschehen rund um den Vatertag im Landkreis Harz. Die Gründe dafür sind vielfältig: gutes Wetter, die Lust, erstmals nach Wochen der Isolation wieder miteinander zu feiern, und deutlich mehr Regeln als in den Vorjahren, die es zu kontrollieren galt. Zwar erlauben die aktuellen Lockerungen der Corona-Regeln wieder mehr Freiheiten, aber eben nur in Maßen.

Wobei Corona bei vielen Einsätzen der Polizei, zu denen sie am Donnerstag ausrücken mussten, nur eine untergeordnete Rolle spielte. „Einige Personen übertrieben es mit zunehmendem Alkoholkonsum und überschätzten ihr Handeln“, fasst Sünnemann zusammen. „So kamen die Beamten mehrfach bei Körperverletzungen, Sachbeschädigung, Verstößen gegen das Verbot verfassungsfeindlicher Organisationen und ruhestörendem Lärm zum Einsatz.“

Als Beispiel nennt sie einen Einsatz in Blankenburg. Gegen 12.15 Uhr meldeten Zeugen eine Gruppe von etwa 15 bis 20 Personen, die im Bereich des Großen Schlosses rechtsradikale Parolen riefen. Vor Ort eingetroffen, stellten Polizisten die Identität dieser Personen fest – unter ihnen ein Mann, der den Beamten gut bekannt ist, so Sünnemann. Die Beamten fanden bei dem 31-jährigen Blankenburger ein Koppelschloss – also eine aus Metall gefertigte Gürtelschnalle – mit einem Hakenkreuz darauf. Gegen ihn wurde ein Verfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen eingeleitet.

Ein ähnlicher Vorfall ist via Notruf um 15.40 Uhr gemeldet worden. Auf einem Parkplatz zwischen Weddersleben und Neinstedt sollen Männer aus einer Gruppe heraus rechtsradikale Äußerungen gerufen haben. „Als die Polizei vor Ort war, konnten die Beamten keine Feststellungen mehr treffen“, berichtet Nadine Sünnemann. „Dennoch wurde eine Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen aufgenommen und die Polizei versucht nun, die Täter zu ermitteln.“

Ermittlungen wegen einer Sachbeschädigung wurden zudem gegen einen 44-jährigen Mann aus Ilsenburg aufgenommen. Er beschädigte gegen 16.30 Uhr auf der Plessenburg einen Funkstreifenwagen – indem er die Beschriftung abkratzte, wie Sünnemann mitteilt. Nüchtern war der Mann bei seiner Tat offensichtlich nicht – sein Atemalkoholwert lag bei 2,21 Promille.

Im Zusammenhang mit Alkohol stand auch ein weiterer Notruf, der gegen 19.45 Uhr bei der Polizei einging: Auf der Jahnwiese in Halberstadt soll es zu einer Schlägerei zwischen 20 bis 30 Personen gekommen sein. Bei ihrem Eintreffen stellten die Polizisten tatsächlich fest, dass es bei den anwesenden „zu gegenseitigen einfachen Körperverletzungen“ gekommen ist, berichtet Sünnemann. Es wurden drei Ermittlungsverfahren eingeleitet, gegen einen 17-jährigen Jugendlichen sowie zwei Männer im Alter von 26 und 27 Jahren. Alle drei waren alkoholisiert. Laut Vortest hatten sie 0,57, 1,47 und 2,48 Promille intus. Es wurden Platzverweise ausgesprochen.

Mehrfach war die Polizei zudem bis in die Nacht hinein im Lustgarten in Wernigerode beschäftigt. „Zum Teil waren hier bis zu 200 Personen vor Ort“, informiert die Pressesprecherin. „Einige Gruppen waren zum Teil stark alkoholisiert und verbal aggressiv.“ Auch hier wurden die Personalien aufgenommen und Platzverweise erteilt.

Wie viele Beamte am Donnerstag insgesamt im Einsatz waren, werde aus taktischen Gründen nicht mitgeteilt, so Sünnemann. Allerdings berichtet sie, welche Ausflugsziele besonders im Fokus der Beamten lagen: der Brocken, die Rappbodetalsperre, der Ilsestein, die Plessenburg, die Teufelsmauer, der Lustgarten in Wernigerode, die Jahnwiese in Halberstadt. Nicht nur am Boden war die Polizei präsent, auch via Hubschrauber wurde kontrolliert.

Zudem unterstützten Regionalbereichsbeamte des Polizeireviers Harz den Landkreis bei den Kontrollen der Gaststätten, die eine Sondergenehmigung zur Öffnung hatten. Insgesamt waren es 93, in denen wieder Gäste einkehren durften, teilt Franziska Banse vom Landkreis mit. 35 von ihnen wurden stichprobenartig kontrolliert. „Sowohl Betreiber als auch Gäste hielten sich an die Auflagen“, berichtet die Sprecherin.

Wie sie erläutert, waren gemeinsam mit der Polizei vier Teams des Kreisordnungsamtes unterwegs, um die Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften zu überprüfen.

Kontrolliert wurde auch, ob nach spätestens zwei Stunden ein Gästewechsel erfolgte. „Diese Zwei-Stunden-Regel wurde vom Ordnungsamt in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und dem Amt für Lebensmittelüberwachung festgelegt“, so Banse. In diese Entscheidung seien auch Vorschläge des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) eingeflossen. „Und es wurde geschaut, wie in anderen Landkreisen verfahren wird.“

Mit dieser Vorgabe sollten im Hinblick auf den Vatertag zum einem längere Aufenthalte, bei denen überwiegend alkoholische Getränke zu sich genommen werden, unterbunden werden, erläutert die Landkreis-Sprecherin. Zum anderen sollten sie dafür sorgen, dass trotz Abstandsregel – und damit einhergehend oft weniger Tischen in den Lokalen – möglichst viele Menschen essen konnten.

Diese Vorschrift, zu der sich laut Banse alle, die eine Genehmigung zur Öffnung vor dem 22. Mai bekommen haben, verpflichtet haben, sorgte bei Gastronomen auch für Kritik. Zum Beispiel bei René Hellmund vom Schwanebecker Volkshaus. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, meine Gäste nach zwei Stunden aufzufordern, zu gehen“, berichtete dieser. Er glaube nicht, dass es besser sei, 500 Gäste an einem Tag zu bewirten, statt 100, „welche den ganzen Tag gemütlich sitzen“. Die Konsequenz für ihn: Das Volkshaus blieb geschlossen.

Die gute Nachricht für ihn und andere Gastronomen: Die Zwei-Stunden-Regel gilt seit dem gestrigen Freitag nicht mehr. Auch sind die Auflagen für Gastronomen nun weniger streng. So erfolgt die Wiedereröffnung einer Gaststätte nun nicht mehr auf Antrag, sie muss nur dem Gesundheitsamt schriftlich angezeigt werden.