Verkehrsplanung Problemzone Radweg

Radfahren in Halberstadt ist gefährlich. Es fehlt an durchgängigen Radwegen. An erste Schutzstreifen haben sich noch nicht alle gewöhnt.

Von Sabine Scholz 23.06.2018, 01:01

Halberstadt l Ein gutes dreiviertel Jahr ist Martin Habsick jetzt in Halberstadt, blickt jeden Tag auf die Straßen der Stadt. Wobei es etwas anderes ist, wenn man direkt vor Ort an einer Kreuzung steht, als wenn man auf das Geflecht der Stadtstraßen von oben blickt, wie man es bei Karten und Geo-Informationssystemen tut, wie er zugibt. Deshalb ist er viel auf Halberstadts Straßen unterwegs, mit wachem Blick für die Problemzonen unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer. Habsick ist Verkehrsplaner.
So gut wie alle Straßen der Stadt hat er bereits erkundet. "Es ist spannend für mich, eine neue Stadt kennenzulernen", sagt der aus Goslar stammende 27-Jährige. Im vergangenen Sommer hatte er sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Ausrichtung Verkehr an der Ostfalia-Hochschule in Salzgitter abgeschlossen, am 15. Oktober trat er die neu geschaffene Stelle eines Verkehrsplaners in Halberstadt an. Bis dahin nahmen diese Aufgabe Mitarbeiter unterschiedlicher Verwaltungsbereiche mit wahr.
"Ich kann in vielen Fragen auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen", sagt Habsick und berichtet von gefüllten Aktenordnern. Unter anderem mit studentischen Projektarbeiten, die noch Dieter Krone initiiert hatte, dem die Radwege um die Stadt ebenso am Herzen lagen wie die innerstädtischen - wobei es die kaum noch gibt.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen ändern sich die gesetzlichen Anforderungen an sichere Radwege relativ häufig, zum anderen fehlt es an einem Verkehrskonzept für Halberstadt. "Aber daran arbeiten wir ja jetzt", sagt Habsick. Doch es wird wohl noch dauern bis zu den "selbsterklärenden Verkehrswegen", wie der junge Fachmann sagt. "Ein Radler ist erst dann sicher, wenn er durch die Stadt fahren kann, ohne ständig von einem Bordstein runter und auf den nächsten Bordstein wieder hochfahren zu müssen. Und ohne sich an jeder Kreuzung neu zu fragen, wie er sich verhalten muss", sagt Habsick, der selbst viel Rad fährt. Ziel moderner Verkehrsplanung sei, dass sich zum Beispiel Radfahrer intuitiv zurechtfinden.
Noch ist Halberstadt weit davon entfernt, radfreundlich zu sein. Da finden sich Radwege wie in der Spiegelstraße, die offiziell gar keine mehr sind, weil sie den modernen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Vom baulichen Zustand ganz zu schweigen. Da gibt es rotgepflasterte Streifen auf Gehwegen, die mal Radwege waren, aber mittlerweile diesen Status ebenfalls nicht mehr haben. Überall dort muss der Radfahrer auf die Straße.
"Es ist in der modernen Verkehrsplanung ohnehin so, dass der Radfahrer auf die Straße geholt wird, weil er dort besser von den Autofahrern gesehen wird, deshalb gibt es die Radschutzstreifen und die Radfahrstreifen", sagt Habsick und erklärt die Unterschiede. Die einen sind mit einer gestrichelten Linie von der Fahrspur der Autos getrennt, dass heißt, wenn kein Radfahrer dort unterwegs ist, kann der Autofahrer einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen, indem er weiter nach rechts fährt. Bei Radfahrstreifen ist die Linie durchgezogen, die darf der Autofahrer nicht überfahren - ganz so, wie es bei dem Mittelstreifen der Fahrbahnen auch ist.
In Halberstadt ist viel diskutiert worden über Sinn und Unsinn dieser Streifen zum Beispiel in der Heinrich-Julius-Straße, manche sahen hohes Unfallpotenzial. "Ich halte es eher für ein Gewöhnungsproblem, noch ist es Radfahrern wie Autofahrern etwas fremd, aber der Alltag zeigt: es funktioniert", sagt der Planer. Echte Radwege sind zum Beispiel in der Quedlinburger Straße zu finden. Wichtige Kriterien für deren Bau: Schwerverkehr auf der Staße.
Was innerstädtisch noch dauern wird, nämlich ein Radwegekonzept zu erstellen, soll für die Ortsteile schon in diesem Herbst zur Diskussion gestellt werden, blickt Martin Habsick voraus. "Wir wollen Radwegeverbindungen zwischen den Ortsteilen und zur Kernstadt, die unterschiedlich sein werden, je nach Bedarf." Ein touristischer Radweg lebt von schönen Ausblicken, Rastplätzen und besonderen Zielen an der Strecke. Wer zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen fährt, will auf möglichst kürzestem Weg von A nach B gelangen. Und wer in der Freizeit unterwegs ist, nimmt auch mal einen etwas längeren Weg zum Ziel in Kauf.