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Horrorunfall Viele Fragezeichen nach Todesfahrt

Ein tödlicher Unfall bei Ermsleben bewegt weiter viele Harzer. Im Mittelpunkt stehen viele Fragen - sowohl zum Täter als auch zu den Opfern.

Von Dennis Lotzmann 10.05.2018, 12:16

Ballenstedt/Halberstadt l Die Ärzte ringen gut zwei Wochen nach dem folgenschweren Frontalcrash auf der B 185 bei Ermsleben (Stadt Falkenstein/Harz) weiter um das Leben von Todesfahrer David S. Der 24-Jährige liege in einer Klinik und werde weiter intensivmedizinisch betreut, schildert Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck den aktuellen Stand. Zu weiteren Details und Prognosen könne er mit Blick auf die ärztliche Schweigepflicht nichts sagen – darüber sei ihm auch nichts bekannt.

Offenbar hängt das Leben des Drogenabhängigen weiter am seidenen Faden. Nach Informationen der Volksstimme soll er im künstlichen Koma liegen. Ob, wann und in welchem Zustand er aufwacht, scheint aktuell völlig unklar.

Klar ist hingegen: Überlebt er im Zustand der Verhandlungsfähigkeit muss sich der 24-Jährige wegen zahlreicher Delikte verantworten. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass er am 20. April die folgenschwere Kollision auf der B 185 zwischen Ballenstedt und Ermsleben verursacht hat. David S. geriet demnach hinter einer Linkskurve auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit einem Seat. Die beiden darin befindlichen 58 und 69 Jahre alten Frauen aus Ballenstedt starben noch an der Unfallstelle.

Fahrlässige Tötung in zwei Fällen und schwere Straßenverkehrsgefährdung sind aus Sicht von Oberstaatsanwalt Roggenbuck nur zwei Delikte, für die sich S. wohl wird verantworten müssen. Hinzu kommt: Er besaß nach Informationen der Volksstimme noch nie einen Führerschein und war bei der Todesfahrt mit einem nicht zugelassenen Audi unterwegs. Obendrein waren die entwerteten Kennzeichen laut Polizei manipuliert. Daher stehen auch die Delikte Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Urkundenfälschung im Raum.

Während der exakte Unfallhergang noch von einem Gutachter rekonstruiert werden muss, sind letztere Fakten unstrittig. Und: David S. war für diese Delikte erst im Februar verurteilt worden.

Die Staatsanwaltschaft erhebt darüber hinaus noch weitere Vorwürfe: S. stand, das habe mittlerweile die Blutanalyse ergeben, zum Unfallzeitpunkt unter Drogen- und Medikamenteneinfluss. Neben Amphetamin und Methamphetamin wurden nach Informationen der Volksstimme auch Schmerz- und Beruhigungsmittel nachgewiesen. Damit hat S. gegen das Betäubungsmittelgesetz und Verkehrsvorschriften verstoßen.

Und noch etwas wird David S. vor Gericht erklären müssen: Was hat es mit den Tütchen mit weißer Substanz und einer Feinwaage auf sich, die in seinem Unfallwagen gefunden wurden? Und woher stammen die mehr als 900 Euro Bargeld, die er zum Unfallzeitpunkt bei sich führte? Da David S. als Drogendealer nicht nur bekannt, sondern bereits rechtskräftig verurteilt ist, liegen hier zumindest Vermutungen sehr nahe.

Das mögliche Strafmaß sei mit Blick auf all diese Delikte vorab kaum abschätzbar, so Roggenbuck. Letztlich schlügen nach dem jetzigen Ermittlungsstand insbesondere die fahrlässige Tötung und der schwere Eingriff in den Straßenverkehr zu Buche. „Auf beide Delikte stehen jeweils entweder Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren“, so der Chef der Staatsanwaltschaft in Halberstadt.

Letztlich dürfte es bei David S. wohl auf eine Verlängerung der ohnehin schon rechtskräftigen Haftstrafe hinauslaufen. Der 24-Jährige war Mitte Februar wegen Drogenhandels in 64 Fällen, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz vom Landgericht Magdeburg zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Seine Strafe soll er nach jetzigem Stand am 22. Mai antreten – in der geschlossenen Entzugsklinik in Bernburg.

Dass zwischen der Rechtskraft des Urteils am 22. Februar und dem Termin zum Strafantritt exakt drei Monate liegen, ist nach Recherchen der Volksstimme offenbar ein übliches Zeitfenster. Es ist letztlich den juristischen Abläufen im Landgericht und bei der Staatsanwaltschaft sowie der Abstimmung mit der Klinik in Bernburg geschuldet. Allein im Landgericht hätten die Richter und Justizangestellten fünf Wochen Zeit, um Urteilsbegründung und Kostenrechnungen zu fertigen, so ein Gerichtssprecher.

Gleichwohl sorgt der Umstand, dass David S. nach mittlerweile mindestens zwei Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und im Wissen um seine Drogensucht nicht früher und schneller hinter Gitter gekommen ist, vor Ort für Kritik. Laut Staatsanwaltschaft Magdeburg war S. in der Vergangenheit deshalb bereits zu einer Geldstrafe verurteillt worden. Der 24-Jährige, so der Tenor in Ballenstedt, sei in dieser Konstellation doch längst zur Gefährdung für die Allgemeinheit geworden.

Auch der Fakt, die beiden ganz offensichtlich unschuldig getöteten Frauen zu obduzieren, sorgt vor Ort für Fragen. Die Notwendigkeit wird immer wieder thematisiert.

Aus Roggenbucks Sicht ist dieser Schritt bei einem solch schwerwiegenden Unfall mit tödlichem Ausgang normale Konsequenz: „Es geht um die Kernfrage, ob die Frauen tatsächlich aufgrund des Unfalls getötet worden sind.“ Zugleich müsse ausgeschlossen werden, dass die Fahrerin selbst gesundheitliche Probleme hatte, die beim Unfall relevant gewesen sein könnten, beispielsweise ein Infarkt. Die Ergebnisse der Obduktion lägen noch nicht vor.

„Auch wenn es vielleicht etwas merkwürdig anmuten mag – vor Gericht wird gerade nach solchen Unfällen mit harten Bandagen gekämpft. Da müssen wir vorab alle denkbaren Möglichkeiten abklären und auf etwaige Fragestellungen vorbereitet sein“, so Oberstaatsanwalt Roggenbuck. Das Ziel ist dabei klar: Den Schuldigen gerecht zu bestrafen.