Der Karlspokal Vor Domschatzfest in Halberstadt: Schatzstücke haben spannende Geschichten zu erzählen
Der Domschatz Halberstadt beherbergt ikonische Gegenstände. Ein Objekt rückt derzeit in den Vordergrund: der Karlspokal. Was es mit dem Gefäß zu Ehren Karls des Großen auf sich hat.

Halberstadt - Es sind ikonische Objekte, die Halberstadts Domschatz zu bieten hat. So, wie die Armreliquiare, die seit vielen Jahren auch als „Werbeträger“ genutzt werden, Sie zieren Publikationen oder Werbebanner für den bedeutenden Schatz. Doch nun könnte es zu einem Wechsel bei den Werbeträgern kommen. Ein anderes Objekt rückt dabei in den Vordergrund: der Karlspokal.
Der ist zum einen Ausdruck der großen Verehrung, die dem Frankenkaiser in Halberstadt entgegengebracht wurde. „Im 12. Jahrhundert kam es zu einem regelrechten Karlskult“, erklärt Domschatzchefin Uta-Christiane Bergemann. Der Frankenkaiser war 1165 heilig gesprochen worden, was damals zwar umstritten war, später aber akzeptiert wurde. Auch in Halberstadt verehrte man Karl den Großen, gilt er doch als Bistumsgründer.
Der Pokal ist vermutlich eine Stiftung für den Karlsaltar, den es seit 1337 im Dom gab, wie Bergemann informiert. Das aufwendig verzierte Reliquiar ist ein weiterer Beleg für den hohen Grad an Verehrung, den der 814 verstorbene Kaiser in der Domstadt am Harz genoss.
Noppenglas ist vermutlich um das Jahr 900 entstanden
Während die Fassung des Pokals ins 14. Jahrhundert datiert wird, ist der Pokalkorpus aus deutlich älterem, byzantinischem Noppenglas gefertigt. Dieses Noppenglas ist vermutlich um 900 entstanden und nicht mundgeblasen. Der Herstellungsprozess dürfte eher dem Töpfern ähneln, wie Metallrestaurator Ulrich Sieblist erklärt. „Die eingeschlossenen Luftbläschen haben alle eine runde Form, bei mundgeblasenem Glas werden die Luftbläschen eher tropfenförmig“, erläutert Sieblist seine Schlussfolgerung. Und der Pokal ist eine Umarbeitung eines weltlichen Gegenstandes zu einem Reliquiar am Beginn der Heiligenverehrung Karls des Großen im Halberstädter Dom.
Aufgrund der vielen Kratzspuren, die beim kräftigen Scheuern entstehen, vermutet Sieblist, dass der Glaskörper einst eine Ölleuchte war, die in einem Palast oder ähnlichem Licht spendete. Auch in Byzanz war Glas damals ein sehr wertvolles Material.
Das Noppenglas wurde um 1343 mit einer Goldschmiedefassung versehen und bewahrt seither Reliquien in seinem Inneren. In kleine, vermutlich seidene Stoffsäckchen gehüllt, hängen die Reliquien an einem Drahtglobus, der wiederum an einem Stück Schädelknochen befestigt ist. Dabei soll es sich um ein Schädelfragment Karls des Großen handeln. Eine durch das Glas lesbare Authentik, also eine Beschriftung der Stoffbündelchen, benennt die Heiligen, deren Reliquien das Gefäß enthält, unter anderem von Mauritius, Magdalena, Paul, Barbara, Martha, Jakobus, Augustus, Agathe, Martin.
Pokal enthält zweite Abbildung
Der Knauf des Deckels ist als vollplastische Büste ausgebildet. Eine Inschrift gibt Auskunft über den Dargestellten: Rex Sanctus Karolus (der heilige König Karl), gemeint ist Karl der Große.
Der Karlskopf am Deckel trägt eine Krone, die mit farbig hinterlegten Bergkristallsteinchen geschmückt ist. „Das Gesicht war ursprünglich genauso vergoldet wie der gesamte Kopf“, sagt Sieblist, „aber man hat das wertvolle Gold wieder abgeschabt, man erkennt deutlich die Kratzspuren.“ Vermutlich geschah das, um einen Kontrast zu schaffen und dadurch das Gesicht besser erkennbar zu machen.
Übrigens gibt es in dem Pokal noch eine zweite Abbildung des verehrten Frankenkaisers. Als Ulrich Sieblist vor Jahren den Pokal reinigte, entfernte er auch eine dicke Schicht aus Staub und Schmutz vom Boden des Pokalglases. Als er die beseitigt hatte, „tauchte plötzlich Karl Zwei auf“, erinnert er sich. Ein goldenes Antlitz, ähnlich dem, das als Knauf den Deckelgriff bildet. „Wir haben also zwei Darstellungen Karls des Großen an diesem Gefäß“.
Auch beschädigte Materialien wurden weiter verwendet
Und noch etwas macht dieses Pokal einzigartig. „Man erkennt an diesem Objekt sehr gut, dass wertvolle Materialien selbst beschädigt weiter verwendet wurden“, sagt der erfahrene Restaurator. Denn das byzantinische Noppenglas war gesprungen.
Man hat die Risse und Sprünge geklebt und die Klebestellen mit Gold übermalt. Derart, dass ein Baum entstand. Noch immer sind an einigen Stellen winzig kleine Blätter zu erkennen.