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Digitale Gesundheitsprävention Wie eine Spielekonsole für Senioren im Pflegeheim Sankt Stephanus in Osterwieck ankommt

Spielerisch seine kognitiven Fähigkeiten stärken und geistig wie körperlich fit bleiben: Mit Videospielen sorgt das Pflegeheim Sankt Stephanus Osterwieck für Abwechslung bei den Bewohnern.

Von Vera Heinrich 23.07.2021, 13:35
Ingeborg Müller und Gerda Sierakowski tanzen mit der Leiterin des begleitenden Dienstes Dagmar Sudhoff zu Reinhard Meys "Über den Wolken" (v. l. n. r.).
Ingeborg Müller und Gerda Sierakowski tanzen mit der Leiterin des begleitenden Dienstes Dagmar Sudhoff zu Reinhard Meys "Über den Wolken" (v. l. n. r.). Foto: Vera Heinrich

Osterwieck - „So kann Digitalisierung in der Pflege aussehen“, findet Doreen Krüger. Die Heimleitung des Hauses Sankt Stephanus Osterwieck beobachtet die Bewohnerinnen Ingeborg Müller und Gerda Sierakowski beim Tanzen zu „Über den Wolken“.

Geschickt machen die beiden Seniorinnen die tänzerischen Bewegungen nach, die ihnen der Avatar auf einem großen Bildschirm zeigt. Dabei singen die 92-Jährige und die 96-Jährige textsicher den Klassiker von Reinhard Mey mit, der aus den Lautsprechern ertönt. „Mit über 90 Jahren noch stehend zu tanzen muss den beiden erst einmal jemand nachmachen“, meint Dagmar Sudhoff. Die Leiterin des begleitenden Dienstes unterstützt die Frauen beim Spielen mit der Memorebox.

Das Tanzen ist nur eine der Beschäftigungsmöglichkeiten der Spielekonsole, die speziell für Bewohner von Pflegeeinrichtungen entwickelt wurde.

Tanzen, singen, kegeln und Motorrad fahren

Am liebsten fährt Kurt Fricke Motorrad. „Heute fahre ich nach Trier“, sagt er, während er den Motorradfahrer auf dem Bildschirm nur mit seinen Körperbewegungen in die richtige Richtung steuert. Wie im realen Straßenverkehr muss er den Schildern folgen, die ihn nach Trier führen. Nebenbei stellt die Memorebox dem 85-Jährigen noch Fragen, etwa nach Sehenswürdigkeiten in Trier oder danach, wo die Olympischen Spiele 1972 stattgefunden haben. „In München“, weiß er ganz genau und lässt sich auf seiner Fahrt nicht beirren. Früher sei er selbst gern Motorrad gefahren, erzählt er: „Angefangen habe ich mit Moped, später kamen dann auch große Maschinen dazu. Auch Auto bin ich gern gefahren“, erinnert sich der Wülperöder. Dass er das nun digital erleben darf, mache ihm großen Spaß.

„Wir haben dadurch viel Abwechslung in unserem Tagesablauf“, sagt Dagmar Sudhoff. Die Spielekonsole laufe täglich für drei Stunden am Vormittag. Die Mitarbeiter ergreifen die Initiative und holen nacheinander die Bewohner aus ihrem Wohnbereich, um sie beim Spielen zu unterstützen.

Eine der Mitarbeiterinnen, die das regelmäßig macht, ist Birgit Schütze. Sie hilft dreimal in der Woche ehrenamtlich im Sankt Stephanus Pflegeheim. „Jeder hat bei den Aktivitäten seinen Favoriten. Besonders beliebt sind das Motorradfahren und das Kegeln“, stellt sie fest.

Eins-zu-eins-Betreuung beim Spielen durch Pfleger

Von den 67 Personen, die derzeit in der Osterwiecker Einrichtung leben, nehmen etwa 15 bis 20 Männer und Frauen das digitale Gesundheitstraining wahr, sagt Doreen Krüger. Das anspruchsvolle Angebot sei nicht für jeden etwas. „Als aufgrund der Pandemie lange keine Besucher mehr kommen durften, haben wir überlegt, was wir den Bewohnern bieten können“, erklärt sie. „Wir hatten Lust, die Memorebox auszuprobieren.“

Berührungsängste habe es keine gegeben, weder von Bewohnern noch von Mitarbeitenden. Dagmar Sudhoff erzählt: „Ich war erstaunt, wie neugierig sie von Anfang an waren.“ Sie habe beobachtet, dass die Senioren es besonders gut fanden, dass sie zur Bedienung der Spielekonsole nichts in die Hand nehmen brauchten. Lediglich mit Gesten und Körperbewegungen wird das Gerät bedient. „Genau das macht die Memorebox aus: das Mitmachen und Nachahmen“, unterstreicht Heimleiterin Krüger.

Dagmar Sudhoff sieht neben dem Spaßfaktor viele Vorteile in der technischen Anschaffung. „Die Spiele fördern Motorik, Sinneswahrnehmungen, Koordination und Gleichgewicht“, beschreibt sie und spricht die damit verbundene Sturzprophylaxe an.

Förderprojekt der Krankenkasse

„Die Bewohner erleben dadurch eine Steigerung ihrer Lebensqualität“, sagt Evelyn Heine. Die Leiterin des Servicezentrums der DAK Gesundheit im Landkreis Harz ist an diesem Tag nach Osterwieck gekommen, um sich selbst davon zu überzeugen, was aus dem Förderprojekt der Kranken- und Pflegekasse geworden ist. Für zwei Jahre übernimmt die Kasse zu 100 Prozent die Miet- und Benutzungsgebühren von insgesamt 9500 Euro. Nach Ablauf der zwei Jahre besteht die Möglichkeit, erneut einen Antrag zu stellen.

Doreen Krüger ist froh, dass sie auf dieses Angebot gestoßen sind. Sie versuchen, die Spielekonsole auf verschiedenste Weise in die Aktivitäten des Pflegeheimes mit einzubeziehen. Dagmar Sudhoff verrät, was sie als Nächstes planen: „Extra für unsere Herren richten wir ein Kegelturnier aus.“ Kurt Fricke hält das für eine gute Idee. Schließlich tauschen sich die Senioren auch gern darüber aus, wie gut sie gespielt haben.