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Schatzjahre Wie Halberstadt drei Jahre lang Einwohner und Touristen gleichermaßen für sich begeistern wollte – Ist der Plan aufgegangen?

Halberstadt und Schatz. Da kommt einem sofort der Dom mit seinen Kostbarkeiten in den Sinn. Doch die Stadt hat mehr zu bieten. Das sollten die Schatzjahre belegen.

Von Sandra Reulecke 07.05.2021, 17:44
Drei Jahre lang standen Halberstadts Kostbarkeiten im Rahmen der Schatzjahre im Fokus. Wie geht es nun, nach dem Ende der Marketing-Aktion, weiter?
Drei Jahre lang standen Halberstadts Kostbarkeiten im Rahmen der Schatzjahre im Fokus. Wie geht es nun, nach dem Ende der Marketing-Aktion, weiter? Foto: Marcel Lieben und Stephan Hujer

Halberstadt

„Viele einzelne Blumen wirken als Strauß noch schöner.“ Dieses Motto hat sich Halberstadt drei Jahre lang zu eigen gemacht für eine besondere Werbeaktion, die Schatzjahre. Werbung, um Touristen und Gäste nach Halberstadt zu locken, und nicht minder Werbung um die Gunst der Einwohner.

Mit großem Medienrummel im Januar 2018 an den Start gegangen, begann der Reigen von Veranstaltungen, Aktionen, Jubiläen und Festen. Doch plötzlich wurde es still um die neue Marke – Corona machte den Plänen von Stadtmarketing-Managerin Nancy Schönknecht und den anderen Akteuren einen dicken Strich durch die Rechnung. Pandemiebedingt hagelte es Absage um Absage, die Schatzjahre rückten in den Hintergrund.

War also alles umsonst oder kann die Aktion als Erfolg gewertet werden? „Insgesamt können die Schatzjahre trotz des schwierigen letzten Jahres als Erfolg und Gewinn für Halberstadt bezeichnet werden“, bilanziert Nancy Schönknecht. Zudem habe die Aktion für sie und ihr Team „unzählige neue Kooperationen und Kontakte in und weit über die Stadtgrenzen hinaus mit sich gebracht, die für die Weiterentwicklung der Marke Halberstadt sehr wertvoll sind“.

So ist die Wernigeröder Sicht auf die Aktion

Auch in der Nachbarstadt blieb die Aktion nicht unbeachtet. „Die Marke Schatzjahre wurde in Halberstadt gerade zu Beginn sehr konsequent entwickelt“, lobt etwa Andreas Meling. Der Chef der Wernigerode Tourismus GmbH erläutert: „Ich erinnere mich an tolle Veranstaltungen wie Ton am Dom mit der Feuerskulptur und die Kulturspaziergänge, die auch Gäste aus Wernigerode gefunden haben.“ Konkurrenzdenken gebe es zwischen den beiden Orten in der Gunst um Besucher nicht. „Der touristische Austausch mit Halberstadt ist eng und freundschaftlich.“ Vor, während und nach der Marketing-Aktion.

Doch was genau waren sie überhaupt, die Schatzjahre? Drei Jahre lang - von 2018 bis 2020 – wurde unter der Marke nicht nur zu Veranstaltungen verschiedener Couleur eingeladen, erläutert Schönknecht.

Auch die verborgenen Schätze der Domstadt sollten im Fokus stehen, etwa Sehenswürdigkeiten und deren Geschichten, die nicht in jedem Reiseführer zu finden sind.

Von Schokolade bis Schätzchen-Lätzchen

Es gab eine eigens eingerichtete Internetseite, Kanäle bei Facebook und Co., Geschenkartikel von Wein und Schokolade bis hin zu Schätzchen-Lätzchen, Werbung für die Marke auf Brötchentüten oder Fußball-Trikots, Messe-Auftritte.

Und die Halberstädter waren aufgerufen, bei verschiedenen Mitmach-Aktionen mit Fotos, Zeichnungen oder schriftlich ihre ganz persönlichen Schätze zu präsentieren. Den Bürgern sollten so die Schönheiten ihrer Heimat vor Augen geführt, der Stolz auf „ihre“ Stadt geweckt werden, so Schönknecht.

Das sei gelungen. „Halberstädtern sind die Schätze der Stadt durch die Kampagne wieder bewusst(er) geworden“, berichtet sie stolz. Belegen lasse sich dieser Eindruck mit Fakten: Es wurden mehr Souvenirs verkauft und die Stadtspaziergänge häufiger gebucht – insbesondere von Einheimischen.

Eine Umfrage der Hochschule Harz, die kurz nach dem Start der Schatzjahre stattfand, bestätigt Schönknechts Eindruck. Knapp 100 Fragebögen wurden ausgewertet. 87 Prozent der Teilnehmer glaubten demnach, dass sich die Schatzjahre positiv auf das Image Halberstadts auswirken. Was hat den Befragten besonders an der Kampagne gefallen? „Dass die Stadt sich kümmert.“ und „Dass die Schätze präsentiert werden und etwas los ist.“ lauteten die häufigsten Antworten. Insgesamt erhielt die Kampagne die Note 1,9 von den Umfrage-Teilnehmern.

Publikumsliebling bei Tourismuspreis

Als noch positiver kann die Außenwirkung der Schatzjahre, in deren Rahmen spezielle Halberstadt-Reise-Pakete geschnürt wurden, gewertet werden. So gewann Halberstadt Ende 2018 beim Tourismuspreis „Vorreiter“ des Landes Sachsen-Anhalt den Publikumspreis. „Eine tolle Bestätigung“, sagt Nancy Schönknecht.

So verwundert es nicht, dass der Tourismus mittlerweile ein starker Wirtschaftsfaktor für Halberstadt ist. Die Statistik der Tourist-Info weist 1,4 Millionen Tagesgäste und 103 685 Übernachtungen für das Jahr 2019 aus - eine Steigerung von 10,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Übernachtungsgäste brachten der Stadt 14,1 Millionen Euro Umsatz, Tagesgäste sogar 42,3 Millionen Euro, geht zudem aus einer Analyse der dwif-Consulting GmbH hervor. Die Abkürzung dwif steht für Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr e.V. an der Universität München.

Das gesteigerte überregionale Interesse an Halberstadt sei nicht zuletzt den Schatzjahren zu verdanken, unter deren Dach es eine Reihe Jubiläen von Alleinstellungsmerkmalen Halberstadts zu feiern gab: zum Beispiel zehn Jahre „Ton am Dom“ oder der 300. Geburtstag des Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim, nach dem ein Museum in Halberstadt benannt ist. Mit einem Volksfest – samt Fahrgeschäften, Feuerwerk und Bühnenprogramm – wurde das 20-jährige Bestehen der Halberstädter Rathauspassagen begangen, mit Konzerten das 100-jährige des Nordharzer-Städtebundtheater-Orchesters. Eine Schnapszahl, 111 Jahre, nahm das Naturkundemuseum Heineanum zum Anlass für eine Sonderschau mit Urzeitschätzen und Dinosauriern.

Veranstaltung reihte sich an Veranstaltung. Zumindest in den ersten beiden Jahren. Das Finale des Schätze-Reigens fiel dann so ganz anders aus, wie Stadtmarketing-Managerin Nancy Schönknecht bedauernd sagt. 1025 Jahre Schachdorf Ströbeck, 25 Jahre Moses-Mendelssohn-Akademie, fünf Jahre Sommerhöfe, die ersten Würstl-Wiesen, fünf Jahre Domweihnacht – all das war geplant, sollte Halberstädter wie Besucher begeistern – und durfte aufgrund der Pandemie nicht stattfinden, zählt sie auf.

Gibt es eine Fortsetzung für den Veranstaltungsreigen?

„Es wirkte, als sei den Schatzjahren zum Schluss etwas die Luft ausgegangen – was nicht zuletzt Corona geschuldet ist“, sagt Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU). Als er im Januar diesen Posten antrat, war die Marketing-Aktion gerade offiziell zu Ende gegangen. Verfolgt habe er sie dennoch von der ersten Idee an, die dem Stadtrat, dem er damals schon angehörte, vorgestellt wurde. „Ich war gleich ein großer Fan der Schatzjahre“, betont er. Passe die Aktion doch zu seinem eigenen Wahl-Slogan „Halberstadt kann mehr“.

Dennoch sehe er Verbesserungsbedarf. „Es gab viele sehr gute Veranstaltungen. Ob die aber von den Bürgern mit den Schatzjahren immer in Verbindung gebracht wurden, weiß ich nicht“, begründet das Stadtoberhaupt. „Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass die Veranstaltungen breiter aufgestellt wären, auch niedrigschwelliger, um noch mehr Menschen zu erreichen.“

Und jetzt? Wird es eine Fortsetzung der Schatzjahre geben? „Nicht in dieser Form“, sagt Szarata. Aber: „Wir sind gerade dabei, den Markenkern unserer Stadt herauszuarbeiten, auch mit externen Experten. Wir wollen Halberstadt noch deutlicher vermarkten, sichtbar machen – nach außen und nach innen.“ Die Schatzjahre seien also nur ein Anfang gewesen.

Sobald es die Corona-Lage zulasse, so kündigte Szarata bereits mehrfach an, solle ein Stadtfest organisiert werden. Wie spontan die Halberstädter so etwas auf die Beine stellen können, haben sie im September gezeigt: mit den „Kulturhappen“, einem geselligen Treiben, das im September spontan und nicht zuletzt für die ausgefallen Schatzjahre-Veranstaltungen organisiert wurde.