Jubiläum Wie vor 95 Jahren im Osterwiecker Heimatmuseum alles begann
Es war ein langer Weg bis zur Eröffnung der Einrichtung am 7. Dezember 1930.

Osterwieck. - Es geht nun stramm auf die Hundert zu, das Osterwiecker Heimatmuseum. Fünf Jahre sind es noch bis zum großen Jubiläum. Am zurückliegenden Sonntag, 7. Dezember, vor 95 Jahren ist das Museum im Gebäude des vormaligen Rathauses am Markt eröffnet worden.
Dass es die Einrichtung heute noch gibt, ist keinesfalls selbstverständlich. Als der Osterwiecker Stadtrat vor acht Jahren die langjährige hauptamtliche Stelle strich, hätte das fast den Todesstoß für das Museum bedeutet. Doch es wurde letztendlich nur ein Dornröschenschlaf, denn seit drei Jahren gibt es wieder eine Betreuung, wenn auch in weit geringerem zeitlichen Umfang als bis Ende 2017.
Doch schon die Anfänge vor 95 Jahren waren nicht ganz einfach. Paul Eisert und Fritz Gille hatten das Museum 1930 begründet. Wie das vonstatten ging, das hatte Ortschronist Theo Gille, der Sohn von Fritz Gille, zu Lebzeiten aufgeschrieben: „Am 7. Dezember 1930 war es endlich soweit, dass im ehemaligen kleinen Sitzungssaal des alten Rathauses Am Markt 1 in einer Feierstunde ein Heimatmuseum eröffnet werden konnte. Es war ein langer Weg bis zu diesem Tag. Wie oft hatte über die Jahre hindurch Fritz Gille in der Ilse-Zeitung die Forderung nach einem Museum erhoben. Als im Dezember 1923 die Stadtverwaltung in das vom Kaufmann Ewald Harsdorff erworbene Gebäude Am Markt 11 einzog, wurde erneut angeregt, in dem bisherigen Rathaus Räume für ein Museum frei zu geben. Aber es sollten noch sieben Jahre vergehen – und fast noch in letzter Minute wäre das Vorhaben gescheitert. Denn nach einer Zeitungsveröffentlichung hatte angeblich Bürgermeister Hartmann die gesamten Räume für die Meisterkurse für das Baugewerbe (später Bauschule) zur Verfügung gestellt. In einer Leserzuschrift vom 28. Juli 1930 erklärte dagegen Fritz Gille, dass nach wie vor der ehemalige Sitzungssaal für die Einrichtung eines Heimatmuseums erhalten bliebe.“
Die Ilse-Zeitung ist auch Quelle für die Feierlichkeiten zur Eröffnung am 7. Dezember: „Bürgermeister Hartmann dankte vor allem den Herren Paul Eisert und Fritz Gille, deren Tatkraft und Arbeitsfreudigkeit es zu danken sei, dass nunmehr unser Heimatmuseum eröffnet werden konnte. Fritz Gille als Leiter des Museums führte die Gäste mit erläuternden Erklärungen durch die reichhaltige Sammlung heimatlicher Erinnerungsstücke. Alles Mögliche war bereits zusammengetragen. Alte Schriftstücke, Hausgeräte, Kunstgegenstände, Möbel, Siegel, Urzeitzeugen, Kriegserinnerungen, darunter die aus dem Dreißigjährigen Kriege stammende schwere eiserne Kriegskasse, Waffen, Bilder usw … Wohl niemand hätte glauben mögen, dass bereits eine solch Fülle angesammelt werden konnte.“
Im letzten Satz schrieb die Zeitung: „Wir aber beglückwünschen unsere liebe Vaterstadt zu dieser neuen Errungenschaft und hoffen, dass unsere Stadtverwaltung zu jeder Stunde ein warmes Herz und – wenn es erforderlich ist – auch eine offene Hand für das Museum haben möge.“
„Kein Wunder“, schrieb Theo Gille später, „dass schon bald der Raum nicht ausreichte und eine Erweiterung dringend erforderlich machte. Leider hat es Fritz Gille, der bis zu seinem Tode im Jahr 1938 das Museum ehrenamtlich leitete, nicht mehr erlebt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg das gesamte Rathaus dem Museum zur Verfügung stand.“ Nach 1948 war das der Fall.
Heute befinden sich in der Ausstellung eine Reihe bemerkenswerter Exponate. So ein Hochzeitsteller von 1480, von dem es deutschlandweit weniger als zehn Exemplare geben soll. Oder die als Dauerleihgaben vom Landesmuseum Braunschweig zur Verfügung gestellten 38 detaillierten zeitgenössischen Zeichnungen von Osterwiecker Fachwerkhäusern aus der Hand von Paul Eisert, vor etwa hundert Jahren geschaffen. Die Geschichte der Osterwiecker Lederindustrie, die Weltruf hatte und einst tausend Menschen Arbeit gab, wird im Museum erzählt. Als einmalig gilt auch die Ratstabula, die die Namen der Bürgermeister und Ratsmitglieder von 1227 bis 1933 auflistet.
Geleitet worden war das Heimatmuseum in den Jahren der DDR von Karl Hennrich, Fritz Jensch, Ernst Sterczewsky und Fritz Treite. Nach der Wende folgten Günter Kirsten (bis 1992), Kathrin Mannewitz (1993 bis 2000), Ulrich Simons (2000 bis 2004) und Christine Krebs (2005 bis 2017). 2023 übernahm Matthias Hoffmann, neben anderen Aufgaben, die Betreuung. Hier aber gibt es neue Entwicklungen, über die noch in dieser Woche informiert werden soll.

