1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. "Wir erleben, wie verunsichert alle sind, auch die Familien"

In Sachsen-Anhalt einzigartiges Netzwerk Hören nimmt seine Arbeit auf / Marlies Otto: "Wir erleben, wie verunsichert alle sind, auch die Familien"

Von Sabine Scholz 06.08.2011, 06:29

Ärzte, Lehrer und Hörgeräteakustiker erleben immer wieder, wie hilflos sich Betroffene und Angehörige fühlen, wenn es um den Verlust des Hörsinns geht. Deshalb wurde ein einzigartiges neues Netzwerk ins Leben gerufen, das Netzwerk Hören.

Halberstadt. Das Logo ist ein grünes Ahornblatt. Es prangt auf Briefköpfen, Plakaten, Faltblättern des Netzwerks und auf dem Aufsteller vor dem Torhaus am Cecilienstift. Dort sollen zweimal in der Woche Beratungen rund ums Hören angeboten werden. Ehrenamtlich. "Das Ahornblatt kam uns in den Sinn, weil es zum einen ein Netzwerk an Adern hat und zum anderen ist es ganz oft das plötzlich nicht mehr wahrgenommene Blätterrauschen und Rascheln, das Menschen darauf aufmerksam macht, dass ihre Hörfähigkeit eingeschränkt ist", erklärt Dr. Wolfram Pethe. Der engagierte HNO-Arzt aus dem Ameos-Klinikum ist gemeinsam mit seinem Chef Prof. Dr. Klaus Begall einer der Initiatoren des Netzwerkes. Eine ähnliche Erfahrung schildert Marlies Otto. Die Hörakustik-Meisterin berichtet, dass die Betroffenen meist mehr über die Schwelle geschoben werden, als dass sie freiwillig kommen - "und wir erleben, wie verunsichert alle sind. Die Betroffenen, aber auch die Familien."

Um dieser Verunsicherung besser begegnen zu können, haben sich Lehrer, Therapeuten, Techniker und Mediziner an einen Tisch gesetzt, sich gegenseitig über das informiert, was in ihren Bereichen alles möglich ist, um Schwerhörigkeit zu beseitigen oder das Leben damit zu erleichtern. Dabei geht es auch um die finanziellen Fragen, denn viele wissen nicht, dass auch Schwerhörigen ein finanzieller Nachteilsausgleich vom Staat zusteht. Oder dass man manchmal mit Operationen viel erreichen kann oder mit neuen Techniken der Hörgeräte. "Wir machen hier keine Sprechstunde, auch wenn Ärzte aus dem Krankenhaus und niedergelassene HNO-Ärzte zum Beraterteam gehören. Es geht um ganzheitliche Beratung, auch um den Blick auf die psychosozialen Probleme, die mit dem Hörverlust einhergehen", betont Begall.

Der Unwissenheit über die Vielzahl an Hilfsangeboten zu begegnen, ist Anliegen des Netzwerkes. Es gibt auch schon Kontakt zu den Gehörlosenverbänden und anderen Beratungseinrichtungen. "Beratung ist ja nicht neu, aber die vielfältige Palette, die wir hier an Kompetenz und Wissen vereinen, um den Betroffenen den besten Weg zu weisen, ist neu", sagt Astrid Braun.

Die Mitarbeiterin des Cochlea-Implantat-Rehazentrums arbeitet genau wie Martin Eggert, Direktor des Landesbildungszentrums, und alle anderen Beteiligten ehrenamtlich im Netzwerk. Eggert erinnert an die lange Tradition, die die Betreuung Schwerhöriger in Halberstadt habe. Seine Schulehabe ihre Wurzeln in einer Einrichtung, die vor 180 Jahren ihre Arbeit aufnahm. "Trotzdem begegne ich immer wieder menschen, die ganz erstaunt reagieren, wenn sie erfahren, dass es uns gibt. Das zeigt, wie sehr das Netzwerk in der Region und darüber hinaus gebraucht wird."

www.netzwerk-hoeren.halberstadt.de