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Wirtschaft Top-Erfolg bringt Bauernhof an eine Grenze

Der Tanner Schaubauernhof von Uwe Thielecke ist deutschlandweit bekannt. Nur Fachkräfte fehlen.

Von Burkhard Falkner 08.11.2018, 00:01

Tanne l Es ist Sonnabendmittag, das Restaurant auf dem Schaubauernhof Thielecke mitten im Ort ist gut gefüllt. Servierererinnen im feschen Dirndl bedienen zügig die Gäste. Draußen bestaunen Besucher das für sie artgerecht präsentierte Paar brauner Rinder.

Ab und zu schaut Susann Thielecke nach den Gästen, löst da ein Problem, lächelt hier Stammgästen entgegen. An der Wand hängt manche Urkunde, gerade hat der Hof zum zweiten Mal das Slowfood-Gütesiegel für gesundes, leckeres Essen erhalten. Was die Besucher der bäuerlichen Idylle aber nicht sehen, ist die viele Arbeit hinter der Kulisse dieser Attraktion für die Stadt Oberharz, die Region und Sachsen-Anhalt.

Unter der Leitung von Uwe Thielecke, den Töchtern Julia und Sarah und Schwiegersohn Marvin sorgt ein Team von insgesamt 14 Leuten für die Betreuung der etwa 400 Rinder in 25 Herden von Tanne bis Schierke und bald auch auf dem Brocken. Die Mannschaft betreibt die schonende Schlachtung, bereitet in der Bio-Fleischerei Wurst- und Fleischwaren zu, beliefert Kunden, geht auf Märkte, organisiert Führungen und anderes mehr. Auch die Großeltern sind fest mit im Team. Dazu gilt es, einen Berg Papierkram für die Behörden zu bewältigen.

„Wenn so ein Arbeitstag um ist, weiß jeder von uns, was er getan hat“, geben Uwe und Susann Thielecke gerne zu, und: „Wir arbeiten gern, die Leute nehmen es an, der Zulauf ist ungebrochen. So einen Landwirtschaftsbetrieb, in dem alles aus einer Hand kommt, haben wir uns immer erträumt.“

Als Susann und Uwe Thielecke, beide sind heute 53, im Jahre 1994 mit nichts weiter als einem rotbraunen Kalb und einem baufälligen Wohnhaus in Tanne daran gingen, sich ihre Existenz aufzubauen, hätten sie an so einen Erfolg nicht zu denken gewagt. „Fast aus dem Nichts haben wir uns alles selbst geschaffen“, sagt die Bauersfrau und Pharma-Referentin stolz. „Da macht die Arbeit auch Spaß, und wir sind dankbar für den Erfolg“, sagt der Brockenbauer. Doch genau dieser Erfolg beginnt zum Problem zu werden.

Denn um die in Scharen herbeiströmenden Gäste zu betreuen, die Rinder und das ganze Hofleben zu meistern, fehlt es an fachkundig zupackenden Händen. „Es wird immer schwerer, gute, interessierte Mitarbeiter zu finden“, bringt es Uwe Thielecke auf den Punkt: „Wir suchen zwei Fleischer, einen Koch, Servierkräfte.“ Vielfältige Aktionen hätten sie schon gestartet und manche Enttäuschung erlebt. Einigen Bewerbern gefallen die Arbeitszeiten nicht, anderen ist der Anfahrtsweg zu lang. Dabei sind Thieleckes bereit, neuen Mitarbeitern bei Wohnungssuche und Umzug zu helfen. „Wenn Fachkräfte fehlen, wird es schwerer, die Qualität zu halten, von einem gesunden Verhältnis von Arbeits- und Freizeit gar nicht zu reden“, sorgt sich Uwe Thielecke, sonst gar nicht zimperlich: „Wir wollen nicht klagen, aber wir müssen aufpassen“, sagt er mit Verweis auf das Buch „Der brennende Hamster“, das er gerade las.

Darin wird davor gewarnt, dass Arbeit, wenn sie Spaß mache, zu einem Hamsterrad werden und zu Burnout führen kann. Ausreichend Fachpersonal gilt als Lösung. Aber woher nehmen? Vor dieser Frage steht nicht nur der Brockenbauer.

„Seit Jahren ist die Lage in vielen Branchen sehr angespannt“, sagt Daniel König, Sprecher der Agentur für Arbeit Halberstadt. Man versuche, dagegen anzugehen, aber in vielen Berufen gebe es Engpässe, obwohl es Arbeitslose mit diesen Berufen gibt (siehe Kasten).

Dieser Trend verstärke sich durch Überalterung und durch einen deutlichen Überhang an Auspendlern (22.256) zu Einpendlern (9372)“ im Harzkreis, so König weiter. Und auch einen Fleischer sucht nicht nur der Brockenbauer. Laut Experten fehlen in der gesamten Bundesrepublik derzeit rund 500 Fleischer. Und gerade auch bei den in Tanne gesuchten Berufen gibt es in der Region Besetzungsprobleme. Von einem direkten Fachkräftemangel will Daniel König dennoch nicht sprechen, aber von einem „branchenübergreifenden Kampf um die klügsten Köpfe und geschicktesten Hände“. Und vom Nachteil einiger Orte.

„Gerade Unternehmen im Ober- und Unterharz haben häufig Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung im Vergleich zu den Städten Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode aufgrund fehlender Infrastruktur beziehungsweise Nahverkehrsanbindungen“, so König. Da hätten Städte bessere Rahmenbedingungen, auch bei der Nachwuchsgewinnung.

Gute Aussichten für den Thielecke-Hof sehen anders aus. Aufgeben will und kann das Team Thielecke aber nicht. Die Kühe warten auf Wasser, die Gäste auf edle Wurst und Steaks.