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Wochenmarkt Abfuhr für Ausschreibung

Die Stadt Halberstadt will den Wochenmarkt auf dem Breiten Weg privatisieren. Das Vorhaben stößt auf Ablehnung.

Von Jörg Endries 11.02.2020, 03:00

Halberstadt l Eine überraschende Kündigung setzte die Zukunft des Halberstädter ­Wochenmarktes plötzlich aufs Spiel. Der bisherige Betreiber Stala wollte sich vom Markt verabschieden, weil dieser nur noch rote Zahlen schrieb und damit das Betriebsergebnis des städtischen Unternehmens belastete. Jetzt plant die ­Stadtverwaltung, den Wochenmarkt ab 2021 öffentlich auszuschreiben und ihn damit zu privatisieren. Ein entsprechender Beschluss lag dem städtischen Ordnungsausschuss während seiner jüngsten Tagung vor.

„Ziel ist es, den Markt weiterzuentwickeln. Dafür ist ein professioneller Betreiber notwendig. Von den treuen Markthändlern, die seit Jahren nach Halberstadt kommen, muss niemand Befürchtungen haben, dass er sich künftig die Marktgebühren nicht mehr leisten kann“, versuchte Thomas Dittmer, Teamleiter Ordnung und Sicherheit, Druck aus der aufgeheizten Debatte zu nehmen.

„Ich habe Gespräche mit Markthändlern und den Inhabern der am Breiten Weg gelegenen Geschäfte geführt. Niemand befürwortet eine Privatisierung, alle plädieren dafür, dass der Wochenmarkt bei der Stadt bleiben soll“, sagte Winfried Fricke (Freie Wähler). Daher sei er strikt gegen eine Ausschreibung des Marktes.

„Die Privatisierung wäre ein Fehler. Es wäre das Dümmste, was wir tun könnten“, sagte Marlies Jehrke (Die Linke). Sie fragte, ob die Stadt keine fähigen Leute hätte, die den Markt professionell betreiben können.

Volker Bürger (CDU) machte darauf aufmerksam, dass der Breite Weg saniert und neugestaltet werden soll. Sollte das geschehen, könnte der Markt dort nicht mehr stattfinden. Der Abgeordnete schlug vor, in einer Ausschreibung des Marktes den Händlern, die dauer­haft in Halberstadt zu Gast sind, einen ­Bestandsschutz zu garantieren.

Thomas Dittmer warf in die Debatte ein, dass vor allem die Lohnkosten aus der Marktbetreibung ein fettes Minus bescheren würden. Er bezifferte die finanziellen Auswirkungen auf etwa 50.000 Euro pro Jahr. Ein privater Betreiber könnte hingegen alles einfacher und kostengünstiger unterhalten.

Im vorliegenden Stadtratsbeschluss stellt die Stadt als Argument für eine Ausschreibung in den Vordergrund, dass die Qualität des Marktes seit Jahren stagnieren würde. „Da der Wochenmarkt zukunftsfähig bestehen bleiben und ­effizient betrieben werden soll, das vorhandene Personal dieses jedoch nicht leisten kann, wird angestrebt, den Betrieb des Wochenmarktes nach einer erfolgten Ausschreibung an einen professionellen Marktbetreiber zu vergeben“, argumentiert die Stadt.

Eine Mehrzahl der Mitglieder des Ordnungsausschusses folgte diesen Argumenten nicht. Mit zwei Ja- und vier Nein-Stimmen sowie einer Enthaltung erteilte der Ausschuss der Beschlussvorlage zur Ausschreibung des ­Wochenmarktes eine Abfuhr.

Ist damit der Plan auf Eis gelegt? Ute Huch, Sprecherin der Stadtverwaltung, sagt dazu klar Nein. „Die Beschlussvorlage passiert wie vorgesehen den Hauptausschuss am 18. Februar und wird dann am 20. Februar im Stadtrat abschließend beraten. Danach entscheidet sich, wie mit dem Thema weiter zu verfahren ist.“

Der Stala, der den Wochen­markt seit 2002 ­betreibt, zog Anfang 2019 die Notbremse. Anfangs ging das Betreibermodell für den Stala ­finanziell noch auf. Seit 2007 ist er defizitär. Die Jahreseinnahmen von knapp 100.000 Euro brachen auf unter 50.000 Euro im Jahr 2017 ein. Die Erträge hätten sich praktisch seitdem um 54 Prozent verringert, informierte ­Stala-Geschäftsführerin Ulrike ­Lemme im Frühjahr vergangenen Jahres. Die Kosten des Wochenmarktes würden über den Einnahmen liegen.

Gerhard Johnson, Vorstand der Deutschen Marktgilde, stellte im November 2019 dem Ordnungsausschuss ein Modell zur Privatisierung des Marktes vor. Die Deutsche Marktgilde, mit Hauptsitz in Eschenburg (Hessen), betreibt nach Angaben von Gerhard Johnson an 120 Standorten in Deutschland Märkte, mit über 250 Markttagen pro ­Woche und verfüge über 150.000 Händlerkontakte. Er warb bei den Abgeordneten damals mit der Kompetenz der Marktgilde um Vertrauen und Zuversicht, dass mit der Erfahrung und dem Qualitätsmanagement der Genossenschaft der ­Wochenmarkt Halberstadt eine Zukunft hätte.

Vor allem sei es wichtig, die Kunden von morgen, Kinder und junge Familien, zum Marktbesuch zu bewegen und mit frischen Produkten sowie vielseitigen Angeboten eine Alternative zur Supermarkt-Konkurrenz zu sein. „Der Markt muss einen Eventcharakter bekommen, ein attraktives, buntes Marktleben bieten und damit Leben in die Innenstadt bringen“, so Johnson. Marketing und Kommunikation müssen verbessert werden. Die Marktgilde steckt derzeit viel Geld in die Entwicklung einer speziellen Web-Seite im Internet, auf der sich Händler mit ihren Produkten präsentieren können und auch Bestellungen von Kunden annehmen können.