Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: Im Osten war mehr Bums - wie ein Banker nach Magdeburg kam und blieb
Marcus Recksiek kam zufällig aus Hamburg nach Magdeburg - und blieb. Welchen Anteil die Magdeburger und die Liebe spielten, erzählt er hier.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Marcus Recksiek, Chef des Commerzbankdienstleister ComTS.
Marcus Recksiek wuchs in Geesthacht an der Elbe bei Hamburg auf. Seine Bundeswehrzeit verbrachte er in Schwarzenbeck, unweit der innerdeutschen Grenze. Die Öffnung der Mauer verfolgte er im Fernsehen: „Es war unfassbar und berührend, wie die vielen Trabis die Grenze passierten. Das ließ mich nicht kalt.“
Video: Serie 35 Jahre Deutsche Einheit: Marcus Recksiek
(Stadtmarketingverein Pro M Magdeburg)Hinweis: Sollte das Video nicht angezeigt werden, laden Sie bitte Ihren Browser neu.
Er erinnert sich an die vielen Menschen, die in seiner Hamburger Bankfiliale ihre Ostmark tauschten und ihr Begrüßungsgeld abholten: „Als die Mauer offen war, arbeiteten wir samstags Extraschichten für das Begrüßungsgeld.“ 1992 ging er für fünf Jahre nach Rostock, um die Regionalfiliale der Commerzbank mit aufzubauen.
Bankfilialen in Containern und Wohnmobilen
„Anfangs operierte die Bank aus Bussen und Wohnmobilen, dann in Containern bis wir feste Filialen bezogen. Dann rief mich mein Chef nach Hamburg zurück, wo ich 15 Jahre verbrachte. Ab 2000 wechselte ich in das Backoffice der Bank und wir hatten da schon einen Standort in Magdeburg. Das war mein erster Kontakt mit der Stadt. Gegenüber vom Hotel Ratswaage hatten wir unsere Räume mit 30 Leuten im Backoffice. Heute arbeiten 2200 Menschen arbeiten für ComTS in ganz Deutschland, davon ungefähr 440 in Magdeburg.“
Kredite und Baufinanzierungen
2012 zog Recksiek nach Magdeburg. „Als auch die Kreditbearbeitung für Baufinanzierungen in die ComTS verlagert wurde, sollte ein neuer Standort in Halle aufgebaut werden. Damit wurde ich beauftragt und 2013 auch Geschäftsführer der neuen ComTS Ost in Halle und der ComTS Nord in Magdeburg. Bald zog ich mit meiner neuen Partnerin nach Schönebeck; sie stammt von dort.“
Lesen Sie auch:So erlebte der FCM-Präsident die Wende
Regionale Mentalitätsunterschiede erkennt er nicht nur zwischen Ost und West. „Die Bayern ticken anders als die Norddeutschen. In Rostock fühlte ich mich als Norddeutscher, eher zurückhaltend und wortkarg, wie zuhause. Die Leute sprachen ganz ähnlich wie um Hamburg. Die Menschen, die ich im Osten kennenlernte, hatten eine große Neugier und Flexibilität. Sie zeigten Engagement. Sie konnten und wollten arbeiten. Im Westen herrschte da manchmal schon eher so eine Komfortzone: bloß nichts ändern.“
Motivierte Magdeburger an Standort mit hoher Punktzahl
Auch Magdeburg erlebte er so positiv: „Die Leute waren sehr motiviert, haben sich der Veränderung gestellt. Mich reizte, mit Menschen zu arbeiten, die etwas verändern und erreichen wollten. Hier im Osten war mehr Bums, mehr Dynamik, mehr Aufbau. Das hat Spaß gemacht, mit solchen Menschen zu arbeiten und zu reden, auch jenseits der Arbeit.“ Dass die ComTS nach Magdeburg kam, war kein Zufall. Nach Standort-Rechenmodellen hatte die Stadt die beste Punktzahl, erläutert der Manager: „Das waren wirtschaftliche, eher unromantische Gründe. So eine Standortentscheidung macht man dann auch nicht mehr so schnell rückgängig.“
Wachstum seit dem Jahr 2000
In Magdeburg erlebt er den Wandel seit 2000 als kontinuierliches Wachstum. „Das Stadtbild wird immer schöner, das passt so. Meine Kinder werden hier groß, das ist zuhause für mich. Ich bin hier in einen Freundeskreis reingewachsen.“ Als sein Sohn in der Schule die deutsche Teilung behandelte, erklärte Recksieks hier aufgewachsene Frau, wie das war. „Und ich erzählte meine ganz andere Geschichte – bis hin zur Ausbildung bei der Bundeswehr, für die die Ostarmeen Gegner waren. Ohne die Einheit hätte es unsere Kinder ja gar nicht gegeben, weil sich ihre Eltern nie getroffen hätten.“
Lesen Sie auch:So blickt Magdeburgs OB Simone Borris auf 35 Jahre Deutsche Einheit
Wäre die Mauer geblieben, wäre Recksieks Leben anders verlaufen. „Auf der beruflichen Seite konnte ich mir nichts Besseres wünschen. Statt einer Abbauarbeit mit Personalentlassungen, konnte ich hier etwas aufbauen und Leute einstellen. Das war eine dankbare Aufgabe mit Gestaltungsfreiheiten. Dazu kam der Glücksfall im Privaten mit meiner Familie hier.“
Lesen Sie auch:Hier erzählen Magdeburger ihre Geschichte über 35 Jahre Deutsche Einheit
Die Zukunft Magdeburgs sieht der Banker auch in den Dienstleistungsnischen. „Die Zeiten großer industrieller Ansiedlungen sind vielleicht vorbei. Innovative Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung könnten für Magdeburg attraktiv sein. In der digitalen und virtuellen Welt sind Metropolen weniger wichtig. Homeoffice geht von Magdeburg so gut wie in Frankfurt. Gute Lebenshaltungskosten und Lebensqualität eröffnen unserer Stadt Chancen.“