Anwohner fordern Klarheit über Ausbaukosten / Kritik an Ortsbürgermeister / Stadt nennt Zahlen Zoff in der Straße der Freundschaft
Beim geplanten Ausbau der Straße der Freundschaft in Klein Quenstedt ist es mit der Freundschaft vorbei. Nachdem der Stadtrat trotz höherer Baukosten an der Ausschreibung festgehalten hat, fordern Anlieger nun Klarheit hinsichtlich der Ausbaubeiträge, die auf sie zukommen. Die Verantwortlichen im Rathaus tun sich damit schwer.
Halberstadt/Klein Quenstedt l Karsten Sternberg aus Klein Quenstedt ist stinksauer. Auf Mitarbeiter der Stadtverwaltung Halberstadt, die mit Blick auf das Bauprojekt in der Straße der Freundschaft, in der er wohnt, für nicht "genug Klarheit und Transparenz hinsichtlich der Kosten sorgen", wie der Anwohner sagt. Und auf Ortsbürgermeister Hubertus Baer (CDU). Der hatte jüngst im Stadtrat ein flammendes Plädoyer pro Straßenausbau gehalten, obwohl die Baukosten laut Ausschreibung rund 15 Prozent über der Kostenschätzung der Verwaltung liegen.
Im Stadtrat verließ Baer als Sieger den Ring. Zu der im Raum stehenden Neuausschreibung kommt es nicht, die vorliegenden Angebote bleiben aktuell. Das Problem dabei: Weil die zugesagte Förderquote fest ist, müssen sich Stadt und Anlieger die Mehrkosten von rund 130 000 Euro teilen. Und vor diesem Hintergrund hatte sich Hubertus Baer - selbst Anwohner in der Straße - im Stadtrat zur Aussage hinreißen lassen, dass man dies "in Klein Quenstedt mittrage".
Ein Unding, wie Karsten Sternberg findet. "Genau das ist nicht der Fall", hält er entgegen. Im Gegenteil: Angesichts der gestiegenen Baukosten ängstige mehr und mehr Anlieger die Vorstellung, am Ende eine hohe Ausbaubeitragsrechnung präsentiert zu bekommen.
Deshalb fordert nicht nur Sternberg Klarheit. Auch Anwohner Frithjof Molt spricht von "absoluter Verunsicherung". Schließlich, so die beiden, würden rund um das Vorhaben "sehr viele und sehr verschiedene Zahlen" gehandelt - voraussichtliche Baukosten, Förderquoten, Umlageschlüssel und schließlich daraus resultierende Quadratmeter-Preise für die Anwohner. "Und diese Fülle macht die Sache keineswegs leichter", sagt Ortschaftsrat Sternberg. Im Gegenteil: "Wer das Zahlenwerk genauer betrachtet, steht zwangsläufig vor neuen Fragen, ohne darauf belastbare Antworten zu bekommen. Wir", spricht Sternberg für mehrere Anlieger, "fordern von der Stadt eine Musterrechnung für ein fiktives Grundstück, um nachvollziehbare und klare Zahlen zu bekommen".
So nachvollziehbar dieser Wunsch scheint, so schwer tun sich die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung damit. "Wir können und werden jetzt noch keine genauen Zahlen und Quadratmeterpreise nennen", betont Jens Klaus, seines Zeichens Chef des Fachbereichs Stadtentwicklung gegenüber der Volksstimme.
Letztlich sei es ein kompliziertes Verfahren, um den verbindlichen Kostensatz für ein Grundstück zu errechnen. Dabei fänden Faktoren wie Grundstücksnutzung (privat oder gewerblich), der Anteil von bebauten (Haus) und unbebauten Flächen (Gärten) sowie die Geschosshöhen Berücksichtigung. Basierend auf diesen individuellen Faktoren werde der Basis-Quadratmeterpreis entweder erhöht - beispielsweise bei gewerblicher Nutzung - oder für Gartenflächen reduziert.
Doch wo liegt - nach der erfolgten Ausschreibung - der durchschnittliche Quadratmeter-Preis? Bei drei, gut fünf oder ganz und gar bei über sieben Euro pro Quadratmeter, wie Klaus Sternberg nach den jüngsten Entwicklungen mutmaßt? Er spricht von 5,39 Euro pro Quadratmeter, die ursprünglich mal im Raum gestanden hätten. "Aufgestockt um die etwa zwei Euro, die Jens Klaus wegen der Kostensteigerung im Stadtrat genannt hat, wären wir dann bei über sieben Euro." Das sei extrem viel, findet Sternberg.
"Und das ist obendrein auch falsch", lässt sich Jens Klaus immerhin eine Zahl entlocken. Beim Ausführungsbeschluss, den der Stadtrat im Februar gefasst habe, sei man von durchschnittlich 3,62 Euro pro Quadratmeter für die Anwohner ausgegangen. "Wenn wir die rund zwei Euro aufgrund der Kostensteigerung dazurechnen, sind 5,50 Euro je Quadratmeter für das Durchschnittsgrundstück eine realistische Größe", sagt Klaus.
Doch wird es dabei bleiben? Oder müssen die Anwohner im Zuge des Bauprojektes mit weiteren Steigerungen rechnen? Grundsätzlich ausgeschlossen sei das nie, räumen Jens Klaus und Manfred Wegener vom Tiefbauressort ein. Allerdings müssten die Firmen Kostensteigerungen, die über ihre verbindlichen Angebote hinausgingen, genau begründen. "Wenn wir plötzlich einen alten Kanal finden oder auf fünf Blindgänger stoßen würden, wäre das sicher ein Thema. Grundsätzlich aber sind die Firmen an ihre Angebote gebunden", stellt Wegener klar.
Und - welche Kosten stehen nun am Ende für ein durchschnittliches Grundstück? Wie wird die Summe unterm Strich errechnet? Sternbergs Bitte, jene Beitrags-Rechnung anhand eines fiktiven Muster-Grundstücks für die Anlieger nachvollziehbar und mit konkreten Zahlen durchzuspielen, erteilen Klaus und Wegener eine Abfuhr. Das sei zu kompliziert. Obendrein könne das jeder Grundstückseigner anhand der im Internet einsehbaren Straßenausbau-Beitragssatzung doch ganz individuell selbst machen, meint Klaus. Doch wer hilft der 75-jährigen Seniorin mit dem übergroßen Grundstück?
Während Klaus dieser Frage schulterzuckend ausweicht, nutzt Wegener die Runde, um Zahlen und Fakten, mit denen Klaus Sternberg argumentiert, zu relativieren oder gar zu korrigieren: Richtig sei, dass Fördermittel flössen. Nie sei aber von 70 Prozent die Rede gewesen. "Gefördert werden 60 Prozent der Netto-Bausumme bei einer Kappungsgrenze von 350 000 Euro je Projekt." Wegen dieser Grenze seien die Vorhaben in der Straße der Freundschaft und im angrenzenden Plan schon in zwei Projekte gesplittet worden.
Konsequenz: Für das rund 245 000 Euro teure Vorhaben im Plan, das in der kommenden Woche beginnt, fließen rund 144 000 Euro an Fördermitteln. Für die Straße der Freundschaft seien rund 861 000 Euro Gesamtkosten, abzüglich 350 000 Euro Förderung, veranschlagt.
Abseits der Zahlen und Fakten versuchen Klaus und Wegener im Gespräch, die positiven Aspekte rund um den Ausbau herauszustellen. "Ich kenne keine schlechtere Straße in Halberstadt und den Ortsteilen", sagt Klaus. Natürlich seien die Bürger über die Anliegerbeiträge finanziell mit im Boot. Aber: Dank der zugesagten Fördermittel seien die Kosten für sie noch überschaubar. Und niemand wisse, wie die Fördergrundsätze ab 2015 aussehen. Deshalb, ist Jens Klaus überzeugt, sei es richtig, die Ausschreibung nicht zu wiederholen und die völlig desolate Straße der Freundschaft jetzt anzufassen.
Im Frühjahr 2014 sollen dort die Bagger anrollen. Und ein Zurück gebe es nicht mehr, sagt Jens Klaus: Einen Tag nach der Stadtratssitzung am 26. September habe die Verwaltung die Bauaufträge vergeben. Verbindlich.