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Stadtrat Anfragen werden zu Aufregern

Gegenseitige Vorwürfe und Rechtfertigungen gehören mittlerweile zum „guten“ Ton im Haldensleber Stadtrat.

Von Jens Kusian 01.03.2016, 00:01

Haldensleben l Gerade einmal neun Minuten brauchte der Haldensleber Stadtrat, um auf seiner jüngsten Sitzung die Vertreter und Stellvertreter der Stadt für die Verbandsversammlungen des Wasserverbandes „Heidewassers“ und des Unterhaltungsverbandes „Untere Ohre“ zu wählen sowie den Beschluss über die Mitarbeit der Stadt Haldensleben in der Arbeitsgemeinschaft Breitband Börde zu fassen. Deutlich mehr Zeit nahmen dagegen „Anfragen und Anregungen“ in Anspruch – nämlich gute 30 Minuten. Und diese halbe Stunde, die ausschließlich den Stadträten vorbehalten ist, war gespickt mit gegenseitigen Vorwürfen und Rechtfertigungen.

So wollte Anja Reinke (FUWG/Die Fraktion) unter anderem wissen, ob Bürgermeisterin Regina Blenkle (FUWG) für ihren Dienstwagen ein Fahrtenbuch führe und ob ihr Vorgänger Norbert Eichler dies auch getan habe. „Zum ersten Teil Ihrer Frage ,Ja‘ und zum zweiten Teil ,Nein‘“, antwortete die Bürgermeisterin prompt. Ebenso zügig antwortete sie auf Reinkes Frage, welche Abfindungen von der Stadt in den Jahren 2014 und 2015 an Mitarbeiter der Verwaltung gezahlt wurden. Als Klaus Czernitzki (Die Linke) eine Frage im Zusammenhang mit der Haldensleber Wohnungsbaugesellschaft Wobau stellte, hieß es von der Bürgermeisterin: „Das werde ich Ihnen schriftlich beantworten.“ Das wiederum fand Czernitzki „seltsam“, weil die Bürgermeisterin für die Anfragen von Anja Reinke alle Zahlen parat hatte. „Die Anfrage von Frau Reinke war nicht inszeniert, sondern sie ist rechtzeitig vorher schriftlich eingegangen. Und mein Vorgänger hat mir auf meine schriftlich eingereichten Anfragen auch nie mündliche Antworten gegeben“, rechtfertigte sich Regina Blenkle.

In diesem Zusammenhang regte Czernitzki an, dass die Bürgermeisterin die Vier-Wochen-Frist für die schriftliche Beantwortung doch bitteschön einhalten sollte. Denn auf die Antwort seiner Anfrage vom 26. November habe er zwölf Wochen warten müssen. Und die Antwort selbst mochte er nicht glauben. Czernitzki hatte damals gefragt, weshalb der ehemalige Bürgermeister Norbert Eichler und Dezernent Henning Konrad Otto nicht zur Wiedereröffung der Kästnerschule eingeladen worden waren. Die Antwort: Dezernent Otto sei zu diesem Zeitpunkt wegen disziplinarischer Maßnahmen freigestellt gewesen und Eichler hätte nach der Stadtratssitzung im Juli zu Regina Blenkle gesagt: „Gehen Sie weg, von Ihnen bekomme ich die Krätze!“ Um Eichlers Gesundheit nicht zu gefährden, sei Blenkle diesem Wunsch nachgekommen. Auf Czernitzkis Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussage entgegnete die Bürgermeisterin, dass es sich genauso abgespielt habe. „Das bestätige ich hier ausdrücklich.“

Dr. Michael Reiser (FUWG/Die Fraktion) stellte die Frage, ob es wahr wäre, dass es im Wobau-Neubau Gräwigstraße beträchtlichen Leerstand geben würde. „Von 31 neugebauten Wohnungen sind per 18. Februar insgesamt 2 vermietet, für 3 gibt es Interessenten“, erklärte die Bürgermeisterin dazu. Sie hatte die aktuellen Zahlen am Sitzungstag bei der Wobau abgefragt, bestätigte Wobau-Geschäftsführer Harald Schmidt auf Volksstimme-Nachfrage. Er sagte jedoch, dass nicht 2, sondern 22 Wohnungen vermietet seien.

Eberhard Resch (CDU) wollte von der Bürgermeisterin wissen, weshalb sie die Einladung zur Stadtratssitzung am 7. Januar von einem externen Anwalt hat juristisch prüfen lassen, obwohl sie die Einladung doch selbst unterschrieben hatte. Blenkle begründete dies damit, dass es sich hier um spezielles Verwaltungsrecht handele und deshalb ein Experte hinzugezogen worden sei. Wie hoch die Kosten für die Rechtsberatung seien, konnte sie nicht sagen, jedoch wer sie tragen wird: „Das bezahlt die Stadt Haldensleben.“

Darüber hinaus warf Klaus Czernitzki der Bürgermeisterin vor, sie würde die Arbeit des Stadtrats verhindern. Er bezog sich dabei auf die November-Sitzung des Sozialausschusses, bei der Eberhard Resch wörtlich zu Protokoll geben ließ, dass Regina Blenkle den Ausschuss im Zusammenhang mit der Auswertung des Altstadtfestes 2015 belogen habe. „Dazu war die Kommunalaufsicht angefragt worden, weil die Bürgermeisterin sich weigerte, dieses Protokoll zu unterschreiben“, so Czernitzki weiter. „Die Kommunalaufsicht hat gesagt, der Wortbeitrag gehört ins Protokoll. Dagegen ist Frau Blenkle vorgegangen. Nun haben wir den Hinweis des Landesverwaltungsamtes, dass dieser Wortbeitrag ins Protokoll gehört. Ich habe heute in einem persönlichen Gespräch mit der Bürgermeisterin vernehmen müssen, dass sie immer noch nicht gewillt ist, das Protokoll herauszugeben.“

„Mit Vehemenz betreiben Sie, dass die wörtliche Beleidigung von Herrn Pfarrer a.D. Resch , Die Bürgermeisterin ist eine Lügnerin!‘ in das Protokoll des Sozialausschusses aufgenommen wird. (...) Die Kommunalaufsicht hat nicht den rechtlichen Teil des Protokolls geprüft, das werde ich jetzt prüfen lassen. (...) Ich werde mich nicht in der Öffentlichkeit als Lügnerin hinstellen lassen“, erklärte Blenkle und warf im Gegenzug Czernitzki vor, dass er diese Beleidigung hätte unterbinden müssen.