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Bürgerversammlung Freie Bahn für die Tunnellösung

Der Streit um den geplanten Tunnel in Haldensleben scheint vorüber zu sein: Bürgermeisterin Regina Blenkle stellt sich hinter das Projekt.

Von André Ziegenmeyer 25.11.2015, 00:01

Haldensleben l „Viele von ihnen verbinden meine Person mit der Ablehnung des Tunnels. Dafür gab es auch gute Gründe“, wandte sich Regina Blenkle an die mehr als 130 Anwesenden. „Mit meiner Vereidigung zur Bürgermeisterin ergaben sich aber für mich auch neue Verpflichtungen. Denen werde ich mich stellen.“ Die B 245n sei für die Stadt von „größter Priorität“. „Nach Sichtung der Unterlagen musste ich zur Kenntnis nehmen, dass wir die B 245n nicht ohne Tunnel bekommen“, so die Bürgermeisterin.

Damit hat sich ein umfangreicher politischer Streit offenbar verflüchtigt. Seit rund 20 Jahren beschäftigt die Planung der Ortsumgehung B 245n den Haldensleber Stadtrat. Besonders der vorgesehene Bau eines Tunnels als Ersatz für den Bahnübergang in der Hagenstraße bildete einen Zankapfel.

Zur Erinnerung: Noch im Wahlkampf im April dieses Jahres hatte sich Regina Blenkle zwar für die B 245n, aber gegen den Tunnel ausgesprochen. Als Begründung führte sie unter anderem enorme Kosten an. Bereits als Stadträtin hatte sich Blenkle gegen das Projekt stark gemacht. Unter anderem war sie Mitglied eines eigens gegründeten Akteneinsichtsausschusses.

Das Argument, dass es ohne Tunnelbau keine Ortsumgehung geben werde, ist hingegen nicht neu. Bereits Alt-Bürgermeister Norbert Eichler und der ehemals stellvertretende Bürgermeister Henning Konrad Otto hatten wiederholt auf diesen Punkt hingewiesen.

Den Werdegang der Planung fasste Holger Waldmann vom Bauamt der Stadt zu Beginn der Bürgerversammlung zusammen. In den Jahren 1992 bis 1995 sei zunächst die Ortsumgehung B71 geplant und gebaut worden. Danach sei es jedoch unwahrscheinlich gewesen, dass die Stadt mit der B 245n in absehbarer Zeit noch eine zweite Ortsumgehung bekommen werde. Deshalb habe sich die Stadt auf eine andere Herangehensweise verlegt. Sie stellte ein innerstädtisches Verkehrskonzept „Schließung der plangleichen Bahnübergänge“ auf. Auf diese Weise konnte die Deutsche Bahn als weiterer Partner mit ins Boot geholt werden.

1995 sei zusammen mit dem Bund und der Bahn eine Planungsvereinbarung geschlossen worden. Seit 2006 gibt es laut Waldmann die sogenannte Eisenbahnkreuzungsvereinbarung. Zentraler Punkt: Die Bahnübergänge Hagenstraße, Töberheide und Althaldensleber Straße werden geschlossen. Dadurch kann die Deutsche Bahn Kosten sparen. Im Gegenzug soll an der Töberheide eine Brücke für Fußgänger und Radfahrer entstehen und an der Hagenstraße der Tunnel.

2009 wurde das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Allerdings wurden noch zweimal Veränderungen vorgenommen. Ursprünglich war der Tunnel in der Hagenstraße nur für Fußgänger, Radfahrer sowie für Rettungsfahrzeuge vorgesehen. Für die bessere Erreichbarkeit der Innenstadt kam eine neue Variante auf den Tisch. Sie sieht einen größeren Tunnel vor, der auch von Pkw und Bussen genutzt werden kann. Darüber hinaus wurde ein Teil der Umgehungsstraße geändert. Auf diese Weise ermöglichte die Stadt eine Werks- erweiterung von IFA Rotorion.

Wie Holger Waldmann erläuterte, liegen die benötigten Planungsunterlagen mittlerweile dem Bundesverkehrsministerium vor. Dort würden sie nun auf den „Gesehen“-Vermerk warten. Dieser komme einer Genehmigung gleich. Die Eisenbahnkreuzungsvereinbarung sei noch fortzuschreiben. Im nächsten Jahr sollen die Pläne noch einmal ausgelegt werden. Ende 2016 könne ein Planfeststellungsbeschluss erfolgen. Anschließend bestehe Baurecht.

Die Gesamtkosten für die Ortsumgehung lägen nach dem Preisstand aus dem Jahr 2013 bei etwas mehr als 28 Millionen Euro. Der städtische Anteil betrage knapp 4,5 Millionen Euro. Allerdings: „Wir können davon ausgehen, dass man mit einer relativ hohen Förderung rechnen kann“, gab Holger Waldmann bekannt. 80 Prozent seien realistisch. Darüber hinaus ist Haldensleben bei der Planung finanziell in Vorleistung gegangen. In dieser Hinsicht erwartet die Stadt eine Kostenerstattung.

Um der Forderung nach einer baldigen Umsetzung der B 245n inklusive Tunnel Nachdruck zu verleihen, hatte sich sogar eine Bürgerinitiative rund am die Haldensleberin Birgit Kolbe gebildet. In den vergangenen Woche hatten die Mitglieder 2332 Unterschriften gesammelt. Diese übergab Birgit Kolbe bei der Versammlung an die Bürgermeisterin.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung standen vor allem Fragen von Bürgern im Vordergrund. Diesen stellte sich auch Andreas Boehle von der Landesstraßenbaubehörde (LSBB) Sachsen-Anhalt. Ebenfalls mit dabei waren der Büroleiter der Bürgermeisterin Wolfgang Bierstedt und Axel Bergmann vom Bauamt der Stadt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Tom Wolter aus Halle.

Holger Dragon von der Piratenpartei erkundigte sich, was die Umplanung für IFA-Rotorion gekostet habe. Wie Holger Waldmann ausführte, fielen dafür zirka 120 000 Euro an. Einen Teil davon habe das Unternehmen selbst gezahlt. Durch die weitere Kostenteilung durch Bund, Bahn und Stadt komme auf Haldensleben selbst ein relativ kleiner Betrag zu. Es handele sich „gut angelegtes Geld für die Zukunft“.

Birgit Kolbe hakte nach, wann der eigentliche Bau der Umgehung beginnen werde. Laut Andreas Boehle könnte es 2019 soweit seien. Bis dahin seien jedoch noch umfangreiche Vorbereitungen zu treffen. So laufe die geplante Trasse teilweise über Privatgrundstücke, mit deren Eigentümern noch zu verhandeln sei. Archäologische Grabungen könnten ebenfalls notwendig sein.

Mehrere Fragen drehten sich um den Baugrund an der Hagenstraße. Holger Waldmann bestätigte, dass es in Haldensleben generell einen hohen Grundwasserspiegel gebe. Eine Absenkung desselben sei für den Bau des Tunnels aber nicht geplant. „Man muss keine Sorgen haben, dass Schäden an der bestehenden Bebauung entstehen“, so Waldmann.

Tatsächlich sollten links und rechts des Tunnels Spundwände in die Erde eingepresst werden. Darüber hinaus sehe die Planung vor, Beton mit Hochdruck in den Boden zu injizieren. So solle eine Grundlage für den Tunnel geschaffen werden. Zusätzlich werde es ein Beweissicherungsverfahren geben. Dieses soll den Zustand der umstehenden Häuser dokumentieren. Auf diese Weise ließen sich Schäden, falls die doch auftreten, zweifelsfrei nachweisen. Für die Anwohner sei all dies kostenfrei, denn das Projekt sei nicht beitragspflichtig. Andreas Boehle ergänzte, dass es vor dem Baubeginn noch einmal detaillierte Bodenuntersuchungen geben soll. Nach dem Bau der Ortsumgehung solle die Gerikestraße zu einer kommunalen Straße herabgestuft werden. Laut Holger Waldmann gehen Prognosen davon auf, dass sich das Verkehrsaufkommen letztlich um die Hälfte verringern werde.