1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Wer ist Schuld am Tod eines Radfahrers?

Gericht Wer ist Schuld am Tod eines Radfahrers?

Bei einem Unfall nahe Mahlwinkel ist am 17. November 2017 ein Radfahrer zu Tode gekommen. Die Schuldfrage bleibt offen.

Von Wolfgang Biermann 10.07.2019, 23:01

Mahlwinkel/Stendal l Nach einem etwas schwierig geratenen Prozessauftakt gab es nach einem sogenannten Rechtsgespräch zwischen Gericht, Staatsanwältin und Verteidiger für den Angeklagten eine Verfahrenseinstellung ohne Klärung der Schuldfrage.

Der 31-Jährige muss bis zum Jahresende 1200 Euro in sechs Raten zu je 200 Euro an das Tierheim Stendal-Borstel zahlen und außerdem 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Laut damaliger Polizeimeldung war er gegen 13.50 Uhr mit einem Traktor und zwei, mit Maissilage beladenen Anhängern aus Fahrtrichtung Mahlwinkel kommend in Richtung Uchtdorf unterwegs.

Auf etwa halber Strecke beabsichtigte der Traktorfahrer, den vor ihm fahrenden Radfahrer zu überholen. Er setzte den Blinker und startete den Überholvorgang.

Indes bemerkte er, dass sein Traktor gerade von einem Ford überholt wurde und leitete eine Gefahrenbremsung ein. Beide Anhänger seines Gespanns waren infolge der Notbremsung ins Schlingern geraten. Der erste Anhänger kippte um. Der zweite Anhänger fuhr mit einem Hinterrad über den Radfahrer. Dieser wurde unter dem Anhänger eingeklemmt.

Mit Hilfe hydraulischer Technik wurde der Anhänger durch 17 Kameraden der Feuerwehren aus Uchtdorf und Tangerhütte, die mit vier Fahrzeugen im Einsatz waren, angehoben und der schwer verletzte Radfahrer herausgezogen. Der Notarzt konnte den schwer Verletzten stabilisieren. Ein Rettungshubschrauber flog ihn in eine Magdeburger Klinik. Drei Stunden später erhielt die Stendaler Polizei die Nachricht, dass der 84-Jährige seinen schweren Verletzungen erlegen war.

Das vom Gericht in Auftrag gegebene Unfallrekonstruktionsgutachten sprach dem Traktorfahrer die Schuld am Unfall zu. Dessen Verteidiger hatte ein privates Gegengutachten erstellen lassen, das zu einem anderen Schluss kam. Der Ford-Fahrer sollte demnach der Schuldige sein.

An der Frage der Zulässigkeit eines zweiten Gutachters entzündete sich ein Disput, der schließlich in einem letztlich von einem Richterkollegen abgeschmetterten Befangenheitsantrag gegen Richter Thomas Schulz mündete. Dabei hätte es der Verteidiger viel leichter und vor allem viel schneller und nicht erst nach Stunden haben können. Der Leipziger Anwalt rannte ganz offensichtlich offene Türen ein.

Denn wie die Staatsanwältin im Nachhinein der Volksstimme im Gespräch sagte, habe sie ohnehin wegen möglicher geringer Schuld des Angeklagten vorgehabt, eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage zu beantragen. Schließlich sei es wohl lediglich ein sogenanntes Augenblicksversagen beim bislang rechtlich unbescholtenen Angeklagten gewesen, wenn auch mit sehr tragischen Folgen.

Für den Angeklagten bedeutet dies nun vor allem, sein Strafregister bleibt sauber. Die Lasten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Er muss die Kosten des regulären Gutachtens nicht zahlen, allerdings seinen Verteidiger vergüten. Und er wird wohl auch auf den Kosten des von seinem Verteidiger in Auftrag gegebenen Gegengutachtens sitzenbleiben.