Kampfsport Sonntags beim Sensei

Thomas Melzer praktiziert Ninjutsu. In Haldensleben baut er eine Trainingsgruppe auf.

14.11.2019, 07:36

Haldensleben l Die Trainingszeiten sind ungewöhnlich. Thomas Melzer hat sie auf die Sonntage gelegt. Nachmittags, zur Kaffeezeit, wenn viele den Ruhetag genießen. Die Gründe sind organisatorischer Natur, Melzer arbeitet werktags im Schichtdienst. Doch wirklich unpassend sind die Trainingszeiten nicht. Um Ruhe geht es auch beim Ninjutsu.

Er begreife das nicht als Sport, betont Melzer. Beim Ninjutsu gehe es darum, sich selbst zu finden. Meditation sei ein fester Bestandteil seiner Kurse. Kritische Situationen ohne physische Gewalt zu meistern, das sei die Kunst. „Der beste Kampf ist der, der nicht gekämpft wird“, erläutert Melzers Frau Beatrice, die ihn bei den Kursen unterstützt.

Seit wenigen Wochen bieten die Melzers den sonntäglichen Ninjutsu-Kurs in der Kampfkunstschule Han Fu an der Güntherstaße an. Bislang kommt nur eine Handvoll Teilnehmer. Die Gruppe sei noch im Aufbau, sagen sie. Zu Zehnt wollten sie sein. Würden es mehr, wollten sie mehrere Gruppen bilden.

Marie Schmökel hat über soziale Netzwerke von dem neuen Kurs erfahren. Eigentlich habe sie etwas für ihren fünfjährigen Sohn gesucht, berichtet sie. Nun macht sie selbst mit, ebenso wie ihr Mann und ihre 14-jährige Schwester, die als Anime-Fan ohnehin schon ein großes Interesse an japanischer Kultur gehabt habe. „Ich lerne dabei, meinen Körper zu beherrschen“, sagt Schmökel. Zuallererst sei sie Mensch beim Ninjutsu, berichtet sie, und keine Maschine, die funktionieren müsse.

Auch Melzer betont immer wieder, dass es um die Beschäftigung mit sich selbst gehe. Ninjutsu habe ihm Gelassenheit gelehrt, sagt er. „Ich sehe die Welt dadurch positiver“, so der 46-Jährige Haldensleber.

Zu Beginn der 90er Jahre ist Melzer zum Ninjutsu gekommen. Ein Arbeitskollege habe ihm damals davon erzählt. Nach vier Jahren Training gibt er die ersten Kurse, wird Sensei, ein Lehrer der japanischen Kampfkunst. Viele Jahre lehrt er in Haldensleben, später dann in Letzlingen. 2017 ist Schluss, es finden sich nicht mehr genug Interessenten für den Kurs. Zudem bekommt Melzer eine unheilvolle Diagnose, von Flügen nach Japan raten ihm Ärzte seitdem ab.

Melzer hat einen Traum. Er würde gerne den Mann treffen, dessen Foto im Zentrum des Kurs-Schreins steht. Es ist Großmeister Masaaki Hatsumi, das weltweite Oberhaupt der Kampfkunstschule. Melzer gratuliert ihm alljährlich zu seinem Geburtstag im Dezember. Persönlich getroffen hat er ihn noch nie. Hatsumi wird dieses Jahr 88 Jahre alt.

Auch Melzer will Ninjutsu bis ins hohe Alter praktizieren. Eine „Lebensphilosophie“ sei die Kampfkunst für ihn, bei der er auch nach knapp drei Jahrzehnten noch viel über sich selbst lerne. Er habe es auch mit anderen Kampfkünsten probiert, mit Judo und Karate etwa, auch im Boxen habe er sich einst versucht. Im Vergleich dazu lasse das Ninjutsu eine freiere Entwicklung der Persönlichkeit zu, sagt Melzer.

Natürlich geht es bei der Kampfkunst auch ganz konkret um Selbstverteidigung. Trainiert wird etwa die Situation einer Bedrohung mit dem Messer. Melzer selbst musste seine Fähigkeiten in beinahe 30 Jahren erst ein einziges Mal zur physischen Verteidigung nutzen. Als ein Konflikt während seiner Berufsausbildung eskaliert sei, habe er einem Mann die Hand gebrochen.