1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Kräuterfee kennt Geheimnisse der Pflanzen

Natur Kräuterfee kennt Geheimnisse der Pflanzen

Simona Kruse bringt Wildkräuter aus Bayern mit in ihre Heimat nach Lockstedt (Landkreis Börde).

17.06.2020, 11:20

Lockstedt l „Ein Schluck vom Kräutertee, den Simona aus Blüten zusammengestellt hat, und man will nie wieder anderen Tee trinken“, schwärmen die Freunde der Familie. Dieser Wildkräutertee der ausgebildeten Kräuterpädagogin duftet lieblich nach Sommerwiese und erfrischt an diesem ziemlich warmen Frühsommertag im Juni wie ein Windhauch. Die sportliche Frau in kurzer Hose holt Nachschub aus dem kleinen Gartenhaus, aus dem ein Duft von frischer Kamille, Fenchel, Holunder, Thymian und vieles mehr kommt.

Auch die Katze verbringt die meiste Zeit auf dem Kissen im Gartenstuhl. Der Vierbeiner liebt den Geruch von Baldrian. Im Häuschen hängen schon jetzt über 50 Wildkräuter zum Trocken. Daneben tummeln sich auf einem alten Gemälde Jungfrauen im Paradies.

Simona Kruse wohnt eigentlich in München. Aufgewachsen ist sie in Lockstedt, damals noch in der Grenzzone der DDR gelegen. Mit dem Blick auf den Grenzzaun und durch die Zwänge des Staates verspürte sie den Drang zur Freiheit. Eine abenteuerliche Flucht gelang ihr 1985 – im Auto versteckt – in die Bundesrepublik.

Trotz vieler Reisen durch die Welt genießt sie nun den Garten ihres Elternhauses. Doch woher kommt die Leidenschaft zur Heilkunde? „Ich war selbst krank. Nach einem Unfall hatte ich immer Kopfschmerzen und konnte nicht arbeiten und auch keinen Sport treiben. Ich bin damals viel spazieren gegangen, habe auf der Wiese verschiedene Wildkräuter entdeckt und mich informiert, was diese Kräuter früher geheilt haben. Dann habe ich mir den Löwenzahn ausgesucht und damit meine Kopfschmerzen geheilt“, erzählt Simona Kruse. Sie denkt über eine Rückkehr in die Heimat nach. „Wenn ich in den Ruhestand gehe, könnte ich mir vorstellen, hier in meiner Kräuterwelt zu leben“, gesteht sie.

Ihr Sohn Patrick schwärmt von den Wildblumensträußen der Mutter, aus denen sie später Blütentee macht. Der 27-Jährige schenkte ihr zum Geburtstag ein Buch mit dem Titel „Die moderne Kräuterhexe“.

Derzeit arbeitet Simona Kruse als Betriebswirtin bei einem italienischen Mineralölkonzern. Auch im Büro hat sich ihr Faible für Kräuter herumgesprochen. Jeder Kollege, der ein Wehwehchen hat, bekommt eine Tee-Mischung, ein Öl oder eine Tinktur, um sein Leiden zu lindern. In München bietet sie über die Volkshochschule oder auch ganz individuell Kräuterführungen an, bei denen im Anschluss die gesammelten Kräuter verarbeitet werden.

Aus den Bergen in Bayern bringt sie besondere Heilkräuter mit und pflanzt sie im Lockstedter Garten ein. Darüber freut sich im Besonderen ihre 80-jährige Mutter, Sigrid Kruse.

„Meine Mutter wusste manchmal gar nicht, was sie hier für Schätze im Garten hat“, sagt die Tochter, die inzwischen über 50 verschiedene Wildkräuterarten in der Umgebung gesammelt hat.

Vieles, wie Estragon, Kamille, Salbei, Melisse und einiges mehr, wächst auch in Kruses Garten.

Die Vorbilder, nach dem die Pädagogin die Kräuter mischt, sind Hildegard von Bingen und Maria Treben. Hildegard von Bingen war eine Benediktinerin und hat die Heilkunde ihrer Zeit revolutioniert. „Die Geistliche hat die Wirkungen von Kräutern ausprobiert und Menschen mit den Heilpflanzen unterstützt, gesund zu bleiben oder wieder zu werden“, schwärmt Simona Kruse.

Ähnlich sei es mit Maria Treben. Sie galt in der Neuzeit als Spezialistin auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde und ist die Autorin des Buches „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“. Diese Lektüre dient auch der Lockstedterin zur Wissenserweiterung.

„Cistus und Ysop wachsen in unserem Garten. Das sind auch Kräuter, die in der Hildegard-Medizin angewandt werden“, erklärt die Kräuterexpertin, die 2014 bei ihrer Ausbildung zur Kräuterpädagogin auch die medizinische Seite der Heilkunde kennenlernte. „Wir haben dort auch gekocht und zum Beispiel aus Beinwellblättern gesunde Chips hergestellt“, erzählt sie. Früher habe man mit Beinwell auch Knochenbrüche geheilt, weiß sie und zeigt im Garten auf die besondere Heilpflanze. „Im Herbst kann man die Wurzeln ernten und mit Alkohol ansetzen. Die Tinktur hilft bei Prellungen und bei Muskelkater oder beim Entspannen in der Badewanne“, beschreibt sie das Kraut.

Gleich daneben wächst der Cistus. Er soll, nach ihren Ausführungen, Viren bekämpfen. „Vielleicht ist das ja auch ein Kraut gegen Corona“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Vom Erdbeerfeld des Bauern Schulze sammelte sie Kamille, Löwenzahn, Hirtentäschel, Labkraut und Ackerschachtelhalm. Davon gibt es Tee, den der Landwirt mit den Erdbeeren zusammen verkauft – also doppelte Ernte. Auf Tee mit der Kanadischen Goldrute schwört ihre Schwester Astrid Malicke.

Schon längst hat es sich im Freunde- und Bekanntenkreis herumgesprochen, dass es bei Kruses eine Kräuterfee gibt. Viele haben sich schon Kostproben und Tipps geholt. Mit einer Apothekerin hat sich Simona Kruse schon intensiv ausgetauscht.

Wissbegierig lernt die Kräuterpädagogin immer wieder Neues dazu. Gern gibt sie auch ihre gesammelten Erfahrungen weiter und unterstützt mit ihrer Kunde die Heilung von Krankheiten. Auf Anfrage hilft sie bei persönlichen Wehwehchen. „Immer mehr Menschen vertrauten in den letzten Jahren wieder auf die Heilkräfte von Pflanzen und Kräutern“, weiß Simona Kruse, die auch noch eine Ausbildung als Therapeutin in der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) absolvieren möchte.