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Naturprojekt Wilde Rinder und Pferde als Naturschützer

Bei Haldensleben ist ein besonderes Projekt zur Artenvielfalt geplant. Auf einer "wilde Weide" sollen Tiere weitgehend ungestört leben.

Von André Ziegenmeyer 04.07.2018, 01:01

Haldensleben l Es geht um ein „Pilotprojekt“, das zeigen soll, wie ein Nebeneinander von Ökologie und Ökonomie gelingen kann. So steht es zumindest in einer Studie, die eigens für die wilde Weide erstellt wurde. In Auftrag gegeben hat sie die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Börde. Umgesetzt werden soll das Projekt von der Landwirtschaftlichen Unternehmensgruppe Vahldorf-Neuenhofe. Und zwar auf einem Areal am Hungerwinkelgraben. Dieses befindet sich nördlich von Hermes und östlich der B71.

Auf seiner jüngsten Sitzung hat der Haldensleber Stadtrat über die ausführliche Beschlussvorlage einstimmig befürwortet. In dem Papier werden die Eckpunkte der Idee umrissen. Der Ausgangsgedanke ist ernst: „Aufgrund der immer stärkeren Intensivierung der Landnutzung ist seit einiger Zeit ein erheblicher Biodiversitätsschwund feststellbar“, heißt es in dem Papier.

Bisher habe man oft versucht, dieser Entwicklung durch kleinflächige Projekte entgegenzuwirken. „Die Bilanz dieser Pflegemaßnahmen (...) ist trotz der erheblichen Aufwendungen zum Teil sehr ernüchternd“, so die Vorlage. Deshalb müssten neue Wege zur Sicherung der Artenvielfalt gefunden werden.

Hier kommt das Konzept der „wilden Weide“ ins Spiel. Dabei gehe es um den „Einsatz von großen Pflanzenfressern, die ganzjährig in geringer Dichte auf möglichst großen Flächen weiden“, heißt es in der Vorlage. In dieser Hinsicht gebe es seit mehr als 20 Jahren aus fast allen Bundesländern praktische Erfahrungen.

Bereits 2014 habe die Untere Naturschutzbehörde eine Listen von Flächen erstellt, die im Landkreis Börde für ein solches Projekt in Frage kommen. Insgesamt seien 32 Areale mit Größen zwischen 20 und 800 Hektar zusammengekommen. Das Gebiet am Hungerwinkelgraben mit rund 90 Hektar sei eines davon. Dort könnten laut Vorlage insgesamt 36 Tiere leben, darunter 31 Rinder und 5 Pferde. Der Stadt gehört ein zusammenhängendes Stück von rund 30 Hektar. Es ist bereits an den Betrieb aus Neuenhofe verpachtet. Allerdings braucht es für die wilde Weide einen neuen Vertrag - unter anderem, weil ein Gelingen des Projektes von einer langen Laufzeit abhängt.

Das hat laut der Landwirtschaftlichen Unternehmengruppe Vahldorf-Neuenhofe mehrere Gründe. Wie die beiden geschäftsführenden Gesellschafter Eik Theuerkauf und Götz Helmecke betonen, braucht Artenvielfalt zunächst einmal Zeit. Darüber hinaus sind die Anfangskosten relativ hoch. Der Stadtrat-Vorlage zufolge kosten der Zaunbau und die „dazugehörge Weidelogistik“ rund 107.000 Euro. Zu letzterer gehören unter anderem ein Fanggehege, Roste für Wegquerungen, ein frostsichere Tränke und ähnliches. Nicht zuletzt muss ein Mitarbeiter tägliche Kontrollen durchführen. Vor diesem Hintergrund brauche es eine lange Laufzeit, um die wilde Weide wirtschaftlich sinnvoll zu machen.

Den dritten Aspekt bilden Fördermittel. Auch sie seien aus finanzieller Sicht notwendig. Wie Götz Helmecke ausführte, seien die aktuellen Sätze aber zu gering. 2020 gebe es jedoch eine neue Agrarreform. „Dann wissen wir, wo die Reise hingeht“, so Götz Helmecke. In diesem Jahr könnte die wilde Weide Wirklichkeit werden.

Für die Wasserversorgung der Tiere sollen hauptsächlich der Hungerwinkelgraben und die Ohre sorgen. Das Areal sei landwirtschaftlich abwechslungsreich, umfasse unter anderem Grünland, Waldflächen und Auen. Im Laufe des Projektes soll es einen immer stärkeren Biotop-Charakter erhalten mit immer mehr Tier- und Pflanzenarten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass eine Mahd nicht vorgesehen ist. Die Landschaftspflege übernähmen die Tiere, die annähernd wild leben sollen. Als Arten nennt die Studie beispielsweise Exmoorponies und Taurusrinder. Diese könnte das Unternehmen aus Neuenhofe anfangs vom „Naturschutzverein Taurus Naturentwicklung“ gestellt bekommen. „Nach vier bis fünf Jahren wären jedoch 1,2-mal so viele Tiere an den Verein zurückzugeben“, heißt es in der Beschlussvorlage des Stadtrates.

Wilde Weiden gibt es laut der Studie unter anderem bereits in Samswegen und Domersleben. Ein solches Projekt komme auch dem Grundwasser, dem Hochwasser-, dem Landschafts- und dem Klimaschutz zugute. „Landwirtschaft steht heute oft in einem negativen Fokus. Wir wollen zeigen, dass Landwirtschaft aber auch solche Projekte umsetzen kann“, betonte Eik Theuerkauf.

Bis der erste Pfosten für die wilde Weide gesetzt werden kann, ist es aber auch noch ein langer Weg. Das Unternehmen muss unter anderem mit weiteren Flächeneigentümern sprechen. Darüber hinaus sind mit der Stadt noch Details für einen Pachtvertrag zu verhandeln. In diesem Zusammenhang muss auch der Rat noch einmal abstimmen.