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Seminar Bierlasur bringt Details zum Vorschein

Ein Seminar mit Teilnehmern aus fünf Nationen lockte Gäste nach Erxleben. Es ging um historische Restaurierungsprozesse.

Von Carina Bosse 15.09.2017, 01:01

Erxleben l „Guten Tag, ich bin Abdul, 20 Jahre alt, und komme aus Benin.“ So und ähnlich stellen sich die Seminarteilnehmer am Sonnabendfrüh im Hof von Schloss II in Erxleben vor. Sechs Männer aus Afghanistan, Benin, Eritrea und Syrien nehmen am internationalen Seminar des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburg teil. Und dazu noch einige Mitarbeiter des Fachwerkzentrums, der Förderverein zur Rettung der Schlossanlagen in Erxleben und interessierte Bürger. Auch Erxlebens Bürgermeister Gerhard Jacobs ist bei der Begrüßung und Vorstellung dabei.

Sogar aus Mexiko ist Otto Plettner gekommen, um sich die Techniken anzuschauen. Eigentlich ist Otto Plettner aber gerade in Halberstadt, denn dort gehört seiner Familie seit Generationen ein altes Fachwerkhaus aus dem 16./17. Jahrhundert am Grudenberg, das mit Hilfe des Deutschen Fachwerkzentrums im kommenden Jahr saniert werden soll. Zwei-, dreimal im Jahr ist Otto Plettner, der chemische Prozesse studiert hatte, in Deutschland und hat eher durch Zufall das Fachwerkzentrum und dessen Geschäftsführerin Claudia Hennrich kennengelernt. Seitdem „brennt“ er für die Idee, sein Haus, zumindestens seine Hülle, auf bauhistorischem Weg zu sanieren. Denn im Inneren, so Otto Plettner sei eine Restaurierung ohnehin erst sinnvoll, wenn eine Nutzung in Sicht ist. Seiner Ansicht nach eignet sich das Gebäude besser zur gewerblichen als zur Wohnnutzung. Dann jedoch würden natürlich andere Grundsätze beim Sanieren und beim Einrichten gelten.

Ziel der öffentlichen Präsentation im Erxleber Joachimsbau anlässlich des Tages des offenen Denkmals ist es, ressourcenschonende Handwerkstechniken aus alter Zeit vorzustellen. Oliver Raupach ist Restaurator im Deutschen Fachwerkzentrum und stellt an diesem Tag die Restaurierung historischer Türen vor. Der Joachimsbau als Teil der Schlossanlage ist wie geschaffen für solch ein Projekt. Alte Türen und Fenster gibt es zuhauf, die Bedarf haben, restauriert zu werden. Im nahen Supermarkt wurde noch rasch eine Flasche Bier gekauft, nicht etwas zum Trinken, sondern zum Verarbeiten.

Strich für Strich baut Oliver Raupach Schicht für Schicht an einer Tür mit Materialien wie Knochenleim und Bier sowie unterschiedlichen Pinseln eine Beschichtung auf. Wer Geduld hat, kann schon bald die erste Maserung erkennen, die aussieht wie von echtem Holz. Dann greifen auch die anderen Seminarteilnehmer zum Pinsel, um das soeben Gelernte und Gesehene auszuprobieren. Nebenan hat sich Tischler- und Zimmerermeister René Knackstedt eingerichtet. Er demonstriert mit den Teilnehmern die Restaurierung und den Einbau eines historischen Fensters.

Das dritte Arbeitsfeld an diesem Tag betrifft Lehm- und Kalkputzarbeiten sowie das Herstellen von Lehmwickeln mit Holz, Stroh und Lehm. Nasrullah Afshar ist Bundesfreiwilliger im Deutschen Fachwerkzentrum. Er erläuterte und präsentierte diese Handwerkstechniken.

Das Projekt „Integrativer Ort BauDENKMAL - Stätte für kulturellen Austausch, Bildung und Integration“ des Fachwerkzentrums Quedlinburg ist kürzlich beim Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte - Im Land der Ideen“ ausgezeichnet worden. Die Idee, Flüchtlinge und Migranten einzubeziehen, um historische Bausubstanz zu sanieren und dabei alte Handwerkstechniken zu vermitteln sowie handwerkliche Fähigkeiten auszubauen, hatte die Jury überzeugt. Dazu wurde wert auf Vorlesungen, Exkursionen und Begegnungen vor Ort gelegt.

In Erxleben stehen Kaffee, Tee und Kuchen bereit, vor Ort spendiert. Überhaupt sei der Empfang und die Bewirtung in Erxleben stets bestens, lobt Claudia Hennrich das Engagement. Man fühle sich so gleich aufgenommen und anerkannt. Sie freut sich besonders, dass auch Landrat Hans Walker ganz kurzfristig die Möglichkeit genutzt hat, beim internationalen Seminar in Erxleben vorbeizuschauen.