Sportboothafen Mit der Sonne im Tank

„Marie Ampère“ fährt ausschließlich mit Sonnenkraft. Die vierköpfige Crew des Katamarans hat am Calvörder Sportboothafen angelegt.

Von Anett Roisch 18.06.2020, 01:01

Calvörde l „Die Sonne im Tank – das ist unsere Botschaft“, sagt Susanne Lindemann. Die 55-Jährige ist Kapitänin des Katamarans, der nach dem Physiker André-Marie Ampère benannt wurde. Der Namensgeber steht für die Einheit der Stromstärke.

In mehrjähriger Arbeit haben die Aktiven des Vereins „Solarboot Initiative Lübeck“ den Katamaran von einem Motorsegler zu einem elektrisch betriebenen Solarsegler umgebaut. Auf das Dach wurden Photovoltaik-Module gebaut, die den Strom erzeugen. Akkus speichern die Sonnenenergie für Zeiten ohne Sonne. Im ersten Schritt wurde der erste, später auch der zweite Dieselmotor ausgebaut und durch einen Elektromotor ersetzt.

„Kapitän bin ich nur heute, morgen ist jemand anderes dran. Aber ich bin die Sportbootführerin und trage die Verantwortung für den Katamaran“, stellt die Tages-Chefin klar. Wir – das sind Susanne Lindemann und ihr Ehemann Michael Lindemann sowie Elli Eisert und Martina Last. „Jeder ist nicht nur mal Kapitän, sondern auch mal Steuermann, mal Koch und mal verantwortlich, das Boot im Hafen oder in einer Schleuse festzumachen. „Wir sind ein gutes Team. Und das ist ganz besonders auf unserer Reise so“, beschreibt Susanne Lindemann die Besatzung des etwas anderen Bootes.

Das Boot gehört seit 2014 dem Verein. Es dient seitdem vor allem als Anschauungsobjekt für Schulklassen und andere interessierte Menschen.

„Wir haben das Boot vom Verein bekommen. Es gab eine kurze Einweisung, eine Probefahrt. Und einen Tag später sind wir gestartet“, sagt Michael Lindemann. Das ist nun gut eine Woche her. „Wir verbringen nicht nur unseren Urlaub an Bord, sondern zeigen, dass es auch mit Sonnenenergie möglich ist, sich auf dem Wasser zu bewegen. Und das ist Abenteuer vom Feinsten“, schwärmt Elli Eisert.

Mit den 15 Pferdestärken benötigen die Sonnen-Botschafter keinen Bootsführerschein. „Wir sind alle überhaupt nicht vom Fach, aber seitdem wir von Lübeck losgefahren sind, haben wir schon reichlich Erfahrungen gesammelt“, ist sich die Crew einig. „Etliche Schleusen mussten wir passieren. Und es kommen noch einige dazu, bis wir ankommen“, vermutet Susanne Lindemann. „Ankommen“, dies heißt, das Ziel irgendwo bei Brandenburg zu erreichen. „Wann und wo bestimmt nicht zuletzt die Sonne. Wie weit und wie schnell wir fahren, hängt davon ab, wie viel Sonne wir tanken können. Denn den Energieverbrauch und die Ladekapazität muss man immer im Auge behalten“, weiß der einzige Mann an Bord.

Die Kraft der Sonne hat das Quartett sicher bis nach Calvörde gebracht. Freundlich und mit einem Scherz von Hansjoachim Schumann, dem Vorsitzenden des Vereins der Wassersportfreunde, werden die Reisenden in Empfang genommen. „Der Strom hat genau für gut dreißig Kilometer gereicht. Die Akkus haben auch noch die sichere Restladung für die Nacht“, zieht Martina Last zufrieden Bilanz und bringt den Wasserkocher zum Brodeln.

Beim Kaffee feixt die Crew und stellt fest, dass die Ankunft in Calvörde eine Punktlandung mit Verspätung ist, denn eigentlich wollten sie schon am Tag zuvor ankommen. „Wenn man im Einklang mit der Natur leben möchte, ist man von ihr abhängig. Gestern kam die Sonne nicht raus. Also konnten wir nicht weit fahren“, erzählt Lindemann, der vor zwei Tagen an Bord kam. Das sei – nach Ansicht der Sonnenbootsleute – kein Problem. Alles sei eine Frage der Planung.

„Wenn man das Boot und seine Technik kennt, kann nichts passieren“, wissen Lindemanns, die beruflich mit Elektrotechnik zu tun haben. Im Laufe der Reise würden alle Besatzungsmitglieder lernen, die Technik zu beherrschen. „Wir freuen uns, wenn Leute kommen, und wir das Boot vorstellen können“, sagt Elli Eisert. „Es ist einfach herrlich, lautlos durch das Wasser zu gleiten. Man hört die Vögel am Ufer zwitschern“, gerät Martina Last ins Schwärmen. Die 51-Jährige ist seit einem Tag dabei. Irgendwann möchte sie auch mal das über zehn Meter lange und vier Meter breite Boot steuern. Die Einfahrt in den Calvörder Hafen hat der Besatzung alles Können abverlangt. Stolz genießen sie nach dem Anlegemanöver ein sogenanntes Festmachebier. „Natürlich aus der Pfandflasche“, betont Elli Eisert und erklärt: „Wir sind keine absoluten Öko-Freaks, aber jeder sollte etwas für die Umwelt leisten. Genau deshalb sind wir mit dem Solarboot unterwegs.“

Wer Interesse hat, das Boot kennenzulernen, kann sich auf der Internetseite zu einer Probefahrt anmelden. Der Verein sucht auch weitere Aktive, die sich in der Bildungsarbeit für erneuerbare Energien engagieren möchten. Weitere Informationen gibt es unter www.solarboot-initiative.de