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Stadtrat Missbilligung auf der Tagesordnung

Weiter Streit im Haldensleber Stadtrat: Auf der außerplanmäßigen Sitzung sollte dem Vorsitzenden eine Missbilligung ausgesprochen werden.

Von André Ziegenmeyer 23.06.2017, 01:01

Haldensleben l Beantragt hatten die Sitzung sieben Stadträte aus den Reihen der „Bürgerfraktion“ und der Fraktion „Die Fraktion“. Auf sie gingen auch die maßgeblichen Tagesordnungspunkte zurück. Demnach sollte dem Stadtratsvorsitzenden Guido Henke (Linke) eine Missbilligung ausgesprochen werden. Ferner sollte er die Kosten für die Mai-Sitzung des Rates übernehmen. Nicht zuletzt sollte er auf eine „hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR“ überprüft werden. Darüber hinaus beantragten die sieben Stadträte die Einrichtung von drei Akteneinsichtsausschüssen.

Doch kaum hatte die Sitzung begonnen, wurden fast alle Themen in den nichtöffentlichen Teil verschoben. Zur Begründung hieß es, dass es sich um Personalangelegenheiten handele. Lediglich die Einrichtung des Ausschusses „zur Einsicht in die Akten des Stadtrates und seines Vorsitzenden Henke zu der Auswahl, zu den Verhandlungen und dem Vertragsabschluss des Stadtrates mit Rechtsanwalt Rasch“ wurde öffentlich verhandelt.

Einen Beschluss dazu gab es nicht. Laut Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalt reicht es, wenn ein Zehntel der Ratsmitglieder einen entsprechenden Antrag stellt. Das war durch die sieben Stimmen gegeben. Die Zusammenarbeit des Stadtrates mit Rechtsanwalt Rasch zog sich wie ein roter Faden durch die weitere Sitzung. So beschloss der Rat auf Antrag der sieben Vertreter von „Fraktion“ und Bürgerfraktion, dass die Vergütungsvereinbarung, die Guido Henke mit dem Rechtsanwalt geschlossen hatte, vorgelegt werden soll.

Auch die beantragte Missbilligung und die angedachte Kostenübernahme standen im gleichen Zusammenhang. Zwar fand die Diskussion hinter verschlossenen Türen statt. Doch die schriftlichen Anträge waren vor der Sitzung öffentlich. Aus ihnen lassen sich Eckpunkte rekonstruieren. Verfasst wurden beide Anträge von Ralf W. Neuzerling (FDP).

Den Hintergrund bildet der Rechtsstreit um Haldenslebens Hauptsatzung. Diese hatte der Stadtrat ändern wollen, um die Befugnisse von Bürgermeisterin Regina Blenkle zu beschränken. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hatte das jedoch am 8. März für nicht rechtmäßig erklärt. Laut Ralf W. Neuzerling hätte Guido Henke als Vorsitzender die übrigen Stadträte auf der Sitzung am 27. April über Einzelheiten informieren müssen. Das wäre unter anderem deshalb wichtig gewesen, weil der Stadtrat entscheiden musste, ob er gegen das Urteil Berufung beantragt. Stattdessen habe es am 18. Mai dann eine außerplanmäßige Sitzung mit dem entsprechenden Tagesordnungspunkt gegeben. Für diese Sitzung solle Henke die Kosten übernehmen.

Die Volksstimme fragte bei Guido Henke nach. Dieser wies darauf hin, dass es bereits am 9. März eine Stadtratssitzung gab. Dabei sei ein von Christian Rasch verfasster Prozessbericht an alle Stadträte verteilt worden. Ferner habe Rasch an der April-Sitzung teilgenommen und weitere Erläuterungen gegeben. Im Mai habe der Rat dann nichtöffentlich über eine mögliche Berufung abgestimmt. Zum Ergebnis wollte sich Henke nicht äußern. Er betont jedoch, dass auch vor dem Urteil alle Fraktionen über den jeweils aktuellen Stand informiert worden seien. Nicht zuletzt würden ihnen die Schriftsätze von Christian Rasch und dem Anwalt Regina Blenkles zugehen. Letztlich lehnte der Stadtrat den Antrag auf Kostenübernahme ab.

Den Antrag auf Missbilligung begründet Ralf W. Neuzerling vor allem damit, dass Henke falsche Angaben zur Vergütung von Rechtsanwalt Rasch gemacht habe. Hierzu erklärt der Ratsvorsitzende: „Wie viel Herr Rasch bekommt, wurde im Stadtrat bereits mehrfach besprochen. Seit August 2016 hat sich der Rat mit der Beauftragung des Rechtsanwaltes beschäftigt. Herr Neuzerling wusste seit vergangenem Sommer um den Inhalt der Vereinbarung.“

Gleichzeitig monierte Henke, dass mit dem Antrag auf Missbilligung bereits eine Wertung getroffen worden sei – obwohl in der gleichen Sitzung zum selben Thema ein Akteneinsichtsausschuss gegründet wurde. Ferner handele es sich bei den Unterlagen um Akten des Stadtrates. „Ein Anruf beim Stadtratsbüro hätte genügt“, so Henke. Die Mehrheit der Ratsmitglieder lehnte den Antrag auf Missbilligung ab.

Der Antrag auf Henkes Überprüfung hinsichtlich einer Tätigkeit für die Stasi stammt ebenfalls von Ralf W. Neuzerling. Demnach habe Henke auf die Frage eines Bürgers in der April-Sitzung geantwortet, dass er seinen Wehrdienst in der DDR bei einem Wachregiment in Berlin absolviert habe. Dazu schreibt Neuzerling: „Da Herr Henke keine weiteren Angaben gemacht hat und es sich um das Wachregiment des Ministeriums für Staatssicherheit ‚Feliks E. Dzierzynski‘ gehandelt haben könnte“, sei eine Überprüfung zwingend.

Guido Henke bestätigte, dass er dem Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ für drei Jahre angehört habe. Das habe er nie geleugnet oder vertuscht. „Bei den Linken ist es zwingend, seine politische Biographie offenzulegen, bevor man für ein Mandat oder Amt kandidiert“, so der Stadtratsvorsitzende. Eine weitere Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit habe es nicht gegeben. Letztlich stimmte der Stadtrat gegen eine Überprüfung. Nach Informationen der Volksstimme geschah dies mit einer knappen Mehrheit.

Die beiden anderen Akteneinsichtsausschüsse wurden ebenfalls eingerichtet. Bei einem geht es um Details zur Vergabe der städtischen Dezernentenstelle. Bei dem anderen um „Unregelmäßigkeiten“ zu Bußgeldsachen im Zusammenhang mit dem Dienstwagen Regina Blenkles.