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Wetter Hitze-Rekord am Schafskälte-Tag

Der außerordentlich heiße Juni und die anhaltende Dürreperiode setzen im in und um Haldensleben nicht nur den Bauern und Kleingärtnern zu.

Von Marita Bullmann 17.07.2018, 01:01

Haldensleben l „Soll gedeihen Korn und Wein, muss im Juni Wärme sein.“ So sagt es eine Bauernregel. Was der Juni 2018 jedoch an Wärme gebracht hat, war eindeutig zu viel, zumal auch der Mai schon viel zu trocken war. „Sachsen-Anhalt ächzt weiter unter der Dürre“, titelte die Volksstimme am 2. Juni. Und dabei blieb es.

Mit 17,8 Grad Celsius lag das Monatsmittel im Juni um 2,4 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990, berichtet der Deutsche Wetterdienst für ganz Deutschland. Sachsen-Anhalt lag mit einer Durchschnittstemperatur von 18,6 Grad bei einem Mittel von 16,1 Grad noch darüber. Demker in der Altmark war am 8. Juni mit 33,4 Grad der wärmste Ort in ganz Deutschland in diesem Monat. Der 8. Juni ist sonst eigentlich für die sogenannte Schafskälte bekannt.

In Haldensleben zeigte das Thermometer an diesem Tag – laut Wetterstation – immerhin 31 Grad. 30 Grad waren es am Tag vorher und 32 Grad am Tag danach. Mit ebenfalls 30 Grad gab es am 29. Juni noch einmal einen besonders heißen Tag. Nur an vier Tagen fiel das Thermometer unter 20 Grad.

Die Hitze ging einher mit extremer Trockenheit. Also nichts mit „Juniregen bringt reichen Segen.“ Nach den Aufzeichnungen von Elisabeth Kniep in Döhren fielen im ganzen Monat nur 14,5 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Auch Gewitter am 1. und 9. Juni brachten mit 7,7 Liter beziehungsweise 0,7 Liter kaum Regen. In Sachsen-Anhalt fielen bei einem langjährigen Mittel von 63 Litern im Juni insgesamt nur etwa 15 Liter pro Quadratmeter, damit war unser Bundesland das trockenste in Deutschland. An der Messstation in Döhren wurden in den letzten Jahren nur 2013 mit 12,1 Liter noch weniger Niederschläge registriert. Sonst lagen die Niederschläge im Juni eher im Durchschnitt oder weit darüber, so im vergangenen Jahr bei 98, 3 Litern, 2012 bei 91,5 Litern und 2011 bei 82 Litern. 2016 mit 63,5 Litern lag der Wert geradezu im langjährigen Mittel.

Auch vor 100 Jahren hatten unsere Vorfahren mit einer Trockenheit zu kämpfen. Allerdings kam dazu auch noch Kälte, sogar nächtliche Bodenfröste. Das Wochenblatt, nachzulesen im Kreis- und Stadtarchiv in Haldensleben, berichtete am 2. Juni aus Schackensleben: „Auf unserer Feldmark hat strichweise die in den letzten Nächten einsetzende Bodenkälte den Bohnen, Kartoffeln und Gurken erheblichen Schaden zugefügt, so dass namentlich die Bohnen wieder nachgepflanzt werden müssen. Dagegen steht der jetzt blühende Roggen vorzüglich auf langem Halm und auch die Zuckerrüben zeigen ein gutes Wachstum. Kirschen- und Apfelbäume zeigen, nachdem sie bereits in der Blütezeit durch Schnee gelitten und nun von den Raupen befallen werden, kümmerlichen Fruchtansatz, was namentlich auf der Chaussee von Ochtmersleben – Eichenbarleben – Schackensleben deutlich zu beobachten ist.“

Drei Tage später war zu lesen: „Die anhaltende Trockenheit begünstigt die Ungezieferplage an Obstbäumen und Nutzpflanzen in hohem Maße, man sieht zum Beispiel an Chausseen Apfelbäume, die von Raupen vollständig kahl gefressen sind: aber auch sonst übt die Trockenheit einen unheilvollen Einfluss aus. Das Obst, das noch an den Bäumen hängt, beginnt gelb zu werden und abzufallen. ... Wo es irgend geht, nimmt man an den Obstbäumen künstliche Bewässerung vor. Auch auf den Feldern besonders bei Hafer und Gerste macht sich die Trockenheit und der andauernd kalte Wind bereits bemerkbar, die Bauernregel für Juni besagt ja treffend ‚Wenn kalt und nass der Juni war, verdirbt er meist das ganze Jahr.‘“ Das war für unsere Vorfahren besonders bitter, denn der Krieg hatte längst alle Vorräte aufgebraucht.

Aus Gardelegen wird am 9. Juni vermeldet: „In der letzten Nacht hat die Natur ihr Vernichtungswerk vollbracht, was bisher noch nicht der Fall war. Es hat gefroren, und zwar mit einer solch starken Wucht, dass keine Frucht unverschont blieb. Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Linsen und dergleichen lassen ihre Blätter hängen. Hierdurch ist manchem Einwohner großer Schaden entstanden, der nicht wieder gut zu machen ist, denn es fehlt an Saat und nachlegen ist unmöglich, da der Boden ausgetrocknet ist.“ Gleichzeitig wird von Waldbränden in der Letzlinger Heide berichtet.

Die Magdeburger bekommen die Hitze noch auf andere Weise zu spüren: „Empfindliche Störungen in der Wasserversorgung bringt der gegenwärtige Tiefstand der Elbe mit sich. Es gelangt dadurch soviel Schmutz in die Filteranlagen, dass diese nicht in der Lage sind, so viel gereinigtes Wasser abzugeben wie bei normalem Pegelstande.“

„Der Übergang in den Sommer hat sich in recht unangenehmer Weise vollzogen“; resümiert das Wochenblatt am 26. Juni 1919. „Seit Bestehen der Beobachtungen der Königlichen Meteorologischen Institute, die bis zum Jahre 1848 zurückreichen, waren die letzten drei Tage die kältesten im Juni, die zu verzeichnen sind. Wir hatten im Mittel 9 Grad Celsius, also erheblich weniger als zur gleichen Zeit im Juni 1899 mit 11 Grad Celsius. Die nächsten Tage werden uns auch noch Sturm und Regen bringen und zur Abwechslung vielleicht täglich ein kurzes Gewitter.“

Endlich am 29. Juni konnte das Wochenblatt von „ergiebigem Regen, der sich in den letzten Tagen über unsere Felder und Wiesen ergoss“, berichten. „In diesem Welt- und Hungerkriege hat es ja wohl jeder gelernt, nach dem Wetter zu schauen und sich um das tägliche Brot zu kümmern, auch ehe es fertig gebacken auf den Tisch des Hauses gelegt wird. Und die Sorge war groß, zumal nach den betrüblichen Erfahrungen vergangener Jahre, als der schöne italienische Sommerhimmel wochenlang kein einziges Wölkchen zeigen wollte. Doch die Schönheit konnte uns nicht darüber hinwegtrösten, dass unter diesem Himmel Korn und Hackfrucht dursteten, Feld und Wiese vertrocknete. Jetzt hat die ganze grüne Saat sich neu belebt, Kartoffeln und Hackfrüchte haben sich sichtbar erholt, jetzt konnten mit bestem Vertrauen die Gemüsepflänzchen in dem durchweichten, aufgeschlossenen Boden gesetzt werden.“