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Wobau Hickhack um Aufsichtsratswahl

Norbert Eichler ist erneut in den Aufsichtsrat der Haldenslebener Wobau gewählt worden. Bürgermeisterin Blenkle hat Widerspruch eingelegt.

Von Jens Kusian 15.03.2016, 00:01

Haldensleben l „Die Entsendung von Herrn Eichler in den Aufsichtsrat würde eine nicht hinnehmbare Interessen- und Pflichtkollision zur Folge haben. Dadurch würde erhebliche Gefahr bestehen, dass Beschlüsse des Aufsichtsrates unter Verstoß gegen das geltende Recht erfolgten. Hintergrund hierzu sind Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Projekt Gräwigstraße, mit dem Bau von Luxuswohnungen, die keine kostendeckenden Mieten erzielen. Haftungsansprüche gegen die seinerzeit Handelnden oder Kontrollierenden bestehen. Somit ist ein gesetzlicher Hinderungsgrund gegen seine (Norbert Eichler - Anm.d.Red.) Entsendung in den Aufsichtsrat gegeben“, hatte Haldenslebens Bürgermeisterin Regina Blenkle bereits auf der Stadtratssitzung am 18. Februar ihren Widerspruch gegen die Entsendung von Norbert Eichler in den Wobau-Aufsichtsrat begründet.

Nun stand das Thema am vergangenen Donnerstag erneut auf der Tagesordnung – und endete mit demselben Ergebnis: Eichler wurde – auf Antrag der CDU-Fraktion – mehrheitlich vom Stadtrat in den Aufsichtsrat gewählt, die Bürgermeisterin legte dagegen Widerspruch ein.

Auch Michael Reiser (FUWG/Die Fraktion) wiederholte erneut, dass ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen Eichler dessen Entsendung unmöglich mache. Er stellte jedoch zunächst klar: „In meinen Ausführungen auf der Stadtratssitzung am 18. Februar bezog ich mich auf Ermittlungen des Landeskriminalamtes zu Vorgängen in der Wobau, die nach meinem Kenntnisstand seit Ende 2014 geführt werden. Meines Wissens hat es in dieser Angelegenheit verschiedene Zeugenaussagen und Aktenabforderungen seitens des LKA gegeben.“ Von der Anzeige gegen Eichler, welche die Bürgermeisterin am 11. Februar gestellt hatte, habe er zur Februar-Stadtratssitzung keine Kenntnis gehabt, betonte er. Regina Blenkle hatte gegen ihren Amtsvorgänger am 11. Februar per E-Mail Strafanzeige gestellt. Es geht dabei um den Vorwurf der Veruntreuung sowie um Rechtsbrüche sowohl im Zusammenhang mit der ehemaligen Dienstausübung als auch beim Verkauf von Grundstücken (Volksstimme berichtete).

Dem Argument von Seiten der CDU-Fraktion, dass von solchen Ermittlungen offiziell nichts bekannt sei und auch Eichler selbst davon keine Kenntnis habe, schenkte Reiser wenig Beachtung. Auch gegen ihn sei schon wegen Wirtschafstvergehen ermittelt worden, ohne dass er davon in Kenntnis gesetzt worden war, sagte er. Aber schon nach einem halben Jahr habe er die Information bekommen, dass die Vorwürfe gegenstandslos gewesen seien und das Verfahren eingestellt worden wäre. Dass im vorliegenden Fall nun schon über ein Jahr ermittelt werde, ohne dass das Verfahren eingestellt beziehungsweise an die Staatsanwaltschaft übergeben worden sei, lässt für Reiser nur zwei Deutungen zu: „Entweder die politische Führung der Staatsanwaltschaft möchte vor der Landtagswahl einen solchen Vorfall nicht an die Öffentlichkeit bringen oder es liegt soviel vor, dass die Ermittlungen einfach etwas länger dauern.“

Reiser betonte, dass auch für Eichler die Unschuldsvermutung zu gelten habe, es aber politisch als „sehr unglücklich einzuschätzen ist, wenn Eichler als Aufsichtsratsmitglied nun Zugriff auf Vorgänge bekommt, die Gegenstand der Untersuchungen sind“.

Sowohl das Landeskriminalamt als auch die Staatsanwaltschaft Magdeburg bestätigten, dass es Ermittlungen im Zusammenhang mit der Wobau Haldensleben gibt. „Dem Landeskriminalamt obliegen die Ermittlungen in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung, Untreue etc.“, teilte dazu LKA-Pressesprecher Lars Fischer mit. Der Polizei seien Akten der Wobau ausgehändigt worden, sagte Oberstaatsanwaltschaft Frank Baumgarten. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft nannte allerdings keine Namen. „Die Ermittlungen dauern an, ich kann aber nicht sagen, gegen wen“, erklärte er.

Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Bau-Projekt Gräwigstraße kann Wobau-Geschäftsführer Harald Schmidt indes nicht erkennen. „Wir haben nichts zu verbergen“, erklärt er. Der Vorwurf, dort Luxuswohnungen gebaut zu haben, überrascht ihn. Es sei richtig, dass mit der aktuellen Nettokaltmiete von 7,50 Euro pro Quadratmeter die Kosten nicht gedeckt werden können. „Die müsste in etwa 9,60 Euro betragen“, sagte er, „eventuell ein wenig mehr, da für das Bauprojekt noch nicht alle Schlussrechnungen vorliegen. Aber da kommen ja keine Unsummen mehr.“ Die von Regina Blenkle geschätzte kostendeckende Miete von 11,50 Euro hält er für nicht nachvollziehbar.

Die Nachfrage nach höherwertigem Wohnraum in Haldensleben sei vorhanden, unterstreicht Schmidt. „Und wir bauen, um Bürger mit Wohnraum zu versorgen.“ Dass es bei der Gräwigstraße eine Baukostenerhöhung gab, bestreitet er nicht. „Das hätte eine Mietpreiserhöhung zur Folge haben können. Doch mehr als 7,50 Euro gibt der Markt in Haldensleben nicht her. Zudem sind wir kein privater Investor, der Gewinn machen muss“, erklärt er.

Der Verlust in der Gräwigstraße würde vom gesamten Unternehmen abgefangen, ebenso die Defizite, die mit dem Bahnhof, den die Wobau betreibt, entstehen. „Wir haben in unserem Bestand Wohnungen, die gewinnbringend sind, und Wohnungen, die für einen privaten Investor beispielsweise überhaupt nicht rentabel wären“, sieht Schmidt das große Ganze.

Alles, was im Zusammenhang mit der Gräwigstraße gemacht wurde, sei vom Aufsichtsrat beschlossen worden, unterstreicht Schmidt. „Den einzigen Luxus, den ich sehe, ist der, dass wir nach dem Energiestandard KfW 55 gebaut haben. Ansonsten entsprechen die Wohnungen dem heutigen Standard. Wir hätten ja auch nach KfW 70 bauen können, dann läge die Miete bei 7,30 Euro. Doch wir bauen auch für die Zukunft“, macht der Wobau-Geschäfsführer deutlich.

Norbert Eichler indes wehrt sich gegen die Begründung, mit der Regina Blenkle seine Arbeit im Wobau-Aufsichtsrat verhindert, auf seine Art: Er hat die Bürgermeisterin über seinen Anwalt wegen „übler Nachrede“ anzeigen lassen und zudem eine Verfügung beantragt, nach der Blenkle ihre Behauptungen künftig zu unterlassen habe.