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Wurstsingen Tradition bleibt in Etingen lebendig

Im März ziehen in Etingen gruselige Gestalten beim Wurstsingen durch das Dorf. Nach dem Spektakel wird die fette Beute vernascht.

Von Anett Roisch 05.03.2019, 00:01

Etingen l Eine Bande von gruseligen Gestalten zog am Sonntag durch den Drömlingsort. Die Aufgabe der Wurstsänger war es, mit dem wilden Treiben den Winter zu verjagen. Männer und junge Burschen verwandelten sich in ihre Großeltern und hielten beim Wurstsingen das Zepter in den Händen. „Wir haben in diesem Jahr zwei Neuzugänge. Die Sensation ist, einer von den beiden ist trotz der kühlen Temperaturen in kurzer Hose zu uns gestoßen. Das haben wir noch nie erlebt“, gestand der Etinger mit Schlachterschürze. Der Fleischer hatte das Treiben organisiert. „Ganz so jung bin ich nicht“, widersprach Horst-Kevin, der die Maske eines 84-Jährigen trug. Der zweite Neue im Bund ist noch nicht ganz so alt. „Opa Helmut ist gerade 79 Lenze alt geworden und hört etwas schwer“, erklärten seine Freunde.

„Viele von uns sind verheiratet und haben Kinder. Wir bedanken uns bei den Frauen, die uns ziehen lassen, um den Brauch lebendig zu halten“, sagte ein weißhaariger Alter.

Ursprünglich waren es beim Wurstsingen nur Junggesellen, die verkleidet und singend von Haus zu Haus zogen. Das Singen entstand 1924 aus der Not heraus. Vom Ursprung her zogen Knechte und Mägde einst durch das Dorf, um von den wohlhabenden Bauern Lebensmittel zu erbitten. Einer der Männer war schon damals der Fleischer, der seine Peitsche knallen ließ. Er wurde von Läufern begleitet. Mit dem Trommeln und Rasseln der Schweineblasen kündigte die wilde Bande ihr Kommen an. „Die Schweineblasen haben wir aufgepustet und getrocknet“, beschrieben die Akteure. Eindrucksvoll führten sie vor, wie sie die Blasen auf den Rücken derer tanzen lassen, die nichts für die Sänger übrig haben.

Auf dem Hof der Familie Evers machten die Wurstsänger die erste Pause. Der Hofherr hatte extra sein Auto aus der Garage gefahren, damit alle Gäste einen Platz finden. „Eine sehr gute Teilnehmerzahl – da können wir uns glücklich schätzen, dass so viele Zeit gefunden haben“, erklärte der Schlachter.

Als Verkleidungen dienten nicht nur die Sonntagsklamotten der Großeltern, sondern auch Zombie- und Clownmasken.

Etwas skeptisch schaute die kleine Marie aus der Tür. Opa Dieter und seine Frau Ella schenkten dem Mädchen Bonbons. Groß war die Freude, als die kleine Etingerin ihren Vater unter einer grünen Maske entdeckte. „Nö, ich habe keine Angst. Ich finde es schön,wie die Männer tanzen“, betonte die Sechsjährige, während ihre Mutter Schnaps und einen Geldschein für die wilde Bande holte.

Auch vor der Tür von Carola Schulz wurde sich schwungvoll im Takt gedreht. „Tradition muss sein!“, sagte die Etingerin und bedankte sich mit einer Bratwurst und einem Geldschein bei den Tänzern. Sigrun Krull erzählte in ihrer Eingangstür: „Mein Mann ist in Etingen groß geworden. Früher war er auch bei den Wurstsängern dabei.“

Viele Bewohner von Etingen konnten scheinbar den Besuch kaum erwarten. Sie rückten - wie schon in den Jahren zuvor - freiwillig Speisen und Getränke heraus. Wer nicht zu Hause war, hatte zuvor meist alles, was die Herzen der jungen Männer begehren, sichtbar an die Haustür gehangen. Denn schließlich möchte niemand im Dorf als Geizhals da stehen.

In geselliger Runde verspeisten die Männer zum krönenden Abschluss Eierback und die anderen Köstlichkeiten. Der Rest wurde am Tag danach aufgefuttert.

Die nächste traditionelle Veranstaltung in Etingen wird das Osterfeuer sein, das am Sonnabend, 20. April, bei Einbruch der Dunkelheit am Ortsrand angezündet wird.